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Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789.

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Die Erbschleicher.
W. Ungew. Unvermuthet? Von jeher war
es mein heißester Wunsch. In mehr als hundert
Briefen bat ich um Erlaubniß --
(Argwöhnisch.)
Sollten der Herr Vetter nicht Einen erhalten
haben?
Gerhard. Kann wohl seyn. Ich lese keine
Briefe mehr.
W. Ungew. Vielleicht Augenschwäche?
Gerhard. Nein, ich brauche Gottlob! keine
Brille. Aber die Wahrheit zu sagen, des Bit-
tens und Bettelns von meinen Verwandten war
kein Ende.
W. Ungew. Gute Menschen werden gemiß-
braucht. Nein, bey mir wars heilig beschlossen:
lieber mich und meine dreyzehn Kinder in die Ar-
me der öffentlichen Milde geworfen, als dem
Herrn Vetter zur Last gefallen. -- Der Himmel
hat geholfen! sie sind alle versorgt.
Gerhard (auflebend.) Ey, das freut mich.
Und auf was Art?
W. Ungew. Neune nahm er wieder zu sich.
Die drey älteren haben sich dem Wehrstande ge-
widmet; und auch das geborne Vaterwais-
chen, mein Spätling Benjamin, ist schon der Hel-
den-Pflanzschule einverleibt; aber zart gebaut,
Die Erbſchleicher.
W. Ungew. Unvermuthet? Von jeher war
es mein heißeſter Wunſch. In mehr als hundert
Briefen bat ich um Erlaubniß —
(Argwöhniſch.)
Sollten der Herr Vetter nicht Einen erhalten
haben?
Gerhard. Kann wohl ſeyn. Ich leſe keine
Briefe mehr.
W. Ungew. Vielleicht Augenſchwaͤche?
Gerhard. Nein, ich brauche Gottlob! keine
Brille. Aber die Wahrheit zu ſagen, des Bit-
tens und Bettelns von meinen Verwandten war
kein Ende.
W. Ungew. Gute Menſchen werden gemiß-
braucht. Nein, bey mir wars heilig beſchloſſen:
lieber mich und meine dreyzehn Kinder in die Ar-
me der oͤffentlichen Milde geworfen, als dem
Herrn Vetter zur Laſt gefallen. — Der Himmel
hat geholfen! ſie ſind alle verſorgt.
Gerhard (auflebend.) Ey, das freut mich.
Und auf was Art?
W. Ungew. Neune nahm er wieder zu ſich.
Die drey aͤlteren haben ſich dem Wehrſtande ge-
widmet; und auch das geborne Vaterwais-
chen, mein Spaͤtling Benjamin, iſt ſchon der Hel-
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[124/0130] Die Erbſchleicher. W. Ungew. Unvermuthet? Von jeher war es mein heißeſter Wunſch. In mehr als hundert Briefen bat ich um Erlaubniß — (Argwöhniſch.) Sollten der Herr Vetter nicht Einen erhalten haben? Gerhard. Kann wohl ſeyn. Ich leſe keine Briefe mehr. W. Ungew. Vielleicht Augenſchwaͤche? Gerhard. Nein, ich brauche Gottlob! keine Brille. Aber die Wahrheit zu ſagen, des Bit- tens und Bettelns von meinen Verwandten war kein Ende. W. Ungew. Gute Menſchen werden gemiß- braucht. Nein, bey mir wars heilig beſchloſſen: lieber mich und meine dreyzehn Kinder in die Ar- me der oͤffentlichen Milde geworfen, als dem Herrn Vetter zur Laſt gefallen. — Der Himmel hat geholfen! ſie ſind alle verſorgt. Gerhard (auflebend.) Ey, das freut mich. Und auf was Art? W. Ungew. Neune nahm er wieder zu ſich. Die drey aͤlteren haben ſich dem Wehrſtande ge- widmet; und auch das geborne Vaterwais- chen, mein Spaͤtling Benjamin, iſt ſchon der Hel- den-Pflanzſchule einverleibt; aber zart gebaut,

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Zitationshilfe: Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotter_erbschleicher_1789/130>, abgerufen am 26.11.2024.