Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789.Die Erbschleicher. W. Ungew. (tritt stolz zurück.) Soll ich krie- chen? Vor dem Manne kriechen, der keine Em- pfindung kennt, als Habsucht, und keine Selig- keit, als Geld? der Streit an seinen Verwand- ten sucht, um sich von Verbindlichkeiten loszusa- gen, und ihnen Schwachheiten ablauert, um sie zu verstoßen! -- (Verzweiflung in Ton und Blick.) Ich schrie um Brod für meine Kinder, und er hörte nicht! Ich kam, und heuchelte, und ver- läumdete -- und fand Eingang! Es war Un- recht von mir -- aber Noth kennt kein Gesetz, und Hartherzigkeit fodert zu Betrug auf. -- (mit wilder Begeisterung sich ihm nähernd, indessen Gerhard sich zitternd zurück zieht, und in den Sessel sinkt.) Grausamer Mann! Vielleicht schlägt sie dir diese Nacht noch, die Stunde des Abschiedes. Wälze dich dann auf deinen Schätzen, und fleh um Gna- de! Verpfände Hab und Gut dem Himmel, um Aufschub von ihm zu erhandeln! Suche Trost auf den eiskalten Gesichtern deiner Augendiener! und sieh, wie sie dich verschmachten lassen, um das Loos über deinen Raub zu werfen, und stirb in Ver- zweiflung! (Ab) Die Erbſchleicher. W. Ungew. (tritt ſtolz zurück.) Soll ich krie- chen? Vor dem Manne kriechen, der keine Em- pfindung kennt, als Habſucht, und keine Selig- keit, als Geld? der Streit an ſeinen Verwand- ten ſucht, um ſich von Verbindlichkeiten loszuſa- gen, und ihnen Schwachheiten ablauert, um ſie zu verſtoßen! — (Verzweiflung in Ton und Blick.) Ich ſchrie um Brod fuͤr meine Kinder, und er hoͤrte nicht! Ich kam, und heuchelte, und ver- laͤumdete — und fand Eingang! Es war Un- recht von mir — aber Noth kennt kein Geſetz, und Hartherzigkeit fodert zu Betrug auf. — (mit wilder Begeiſterung ſich ihm nähernd, indeſſen Gerhard ſich zitternd zurück zieht, und in den Seſſel ſinkt.) Grauſamer Mann! Vielleicht ſchlaͤgt ſie dir dieſe Nacht noch, die Stunde des Abſchiedes. Waͤlze dich dann auf deinen Schaͤtzen, und fleh um Gna- de! Verpfaͤnde Hab und Gut dem Himmel, um Aufſchub von ihm zu erhandeln! Suche Troſt auf den eiskalten Geſichtern deiner Augendiener! und ſieh, wie ſie dich verſchmachten laſſen, um das Loos uͤber deinen Raub zu werfen, und ſtirb in Ver- zweiflung! (Ab) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0210" n="204"/> <fw place="top" type="header">Die Erbſchleicher.</fw><lb/> <sp who="#WUNGE"> <speaker> <hi rendition="#fr">W. Ungew.</hi> </speaker> <stage>(tritt ſtolz zurück.)</stage> <p>Soll ich krie-<lb/> chen? Vor dem Manne kriechen, der keine Em-<lb/> pfindung kennt, als Habſucht, und keine Selig-<lb/> keit, als Geld? <hi rendition="#g">der</hi> Streit an ſeinen Verwand-<lb/> ten ſucht, um ſich von Verbindlichkeiten loszuſa-<lb/> gen, und ihnen Schwachheiten ablauert, um ſie<lb/> zu verſtoßen! —</p> <stage>(Verzweiflung in Ton und Blick.)</stage><lb/> <p>Ich ſchrie um Brod fuͤr meine Kinder, und er<lb/> hoͤrte nicht! Ich kam, und heuchelte, und ver-<lb/> laͤumdete — und fand Eingang! Es war Un-<lb/> recht von mir — aber <hi rendition="#g">Noth kennt kein<lb/> Geſetz</hi>, und Hartherzigkeit fodert zu Betrug auf.<lb/> —</p> <stage>(mit wilder Begeiſterung ſich ihm nähernd, indeſſen<lb/> Gerhard ſich zitternd zurück zieht, und in den Seſſel ſinkt.)</stage><lb/> <p>Grauſamer Mann! Vielleicht ſchlaͤgt ſie dir dieſe<lb/> Nacht noch, die Stunde des Abſchiedes. Waͤlze<lb/> dich dann auf deinen Schaͤtzen, und fleh um Gna-<lb/> de! Verpfaͤnde Hab und Gut dem Himmel, um<lb/> Aufſchub von ihm zu erhandeln! Suche Troſt auf<lb/> den eiskalten Geſichtern deiner Augendiener! und<lb/> ſieh, wie ſie dich verſchmachten laſſen, um das Loos<lb/> uͤber deinen Raub zu werfen, und ſtirb in Ver-<lb/> zweiflung!</p><lb/> <stage>(Ab)</stage> </sp> </div><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [204/0210]
Die Erbſchleicher.
W. Ungew. (tritt ſtolz zurück.) Soll ich krie-
chen? Vor dem Manne kriechen, der keine Em-
pfindung kennt, als Habſucht, und keine Selig-
keit, als Geld? der Streit an ſeinen Verwand-
ten ſucht, um ſich von Verbindlichkeiten loszuſa-
gen, und ihnen Schwachheiten ablauert, um ſie
zu verſtoßen! — (Verzweiflung in Ton und Blick.)
Ich ſchrie um Brod fuͤr meine Kinder, und er
hoͤrte nicht! Ich kam, und heuchelte, und ver-
laͤumdete — und fand Eingang! Es war Un-
recht von mir — aber Noth kennt kein
Geſetz, und Hartherzigkeit fodert zu Betrug auf.
— (mit wilder Begeiſterung ſich ihm nähernd, indeſſen
Gerhard ſich zitternd zurück zieht, und in den Seſſel ſinkt.)
Grauſamer Mann! Vielleicht ſchlaͤgt ſie dir dieſe
Nacht noch, die Stunde des Abſchiedes. Waͤlze
dich dann auf deinen Schaͤtzen, und fleh um Gna-
de! Verpfaͤnde Hab und Gut dem Himmel, um
Aufſchub von ihm zu erhandeln! Suche Troſt auf
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Zitationshilfe: | Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotter_erbschleicher_1789/210>, abgerufen am 28.07.2024. |