Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Erbschleicher.
se am Markte. Das Haus gehört ihm. Er war
kaum eingezogen, als ich -- mit der damaligen
Mamsell Hannemann -- bey ihm Gevatter stand.
Justine. Der Notarius Skrupel ist noch
ledig.
Gerhard (ungeduldig.) Alles will Sie besser
wissen. Immer und ewig widerspricht sie.
Sternberg. Herr Vetter, der Skrupel, den
Sie meynen, ist schon zehn Jahre todt.
Gerhard (erstaunt.) Nicht möglich? -- Ja,
ich komme so selten unter Leute; ich bekümmere
mich so wenig um Stadtneuigkeiten; ich höre und
sehe nichts.
Justine. Herr Pistorius ist ja unser tägli-
cher Postreiter. Aber so etwas vergißt sich
leicht.
Gerhard (empfindlich.) Seit wann bin ich
denn vergeßlich? Ich klage jetzt weit weniger
über meinen Kopf, als sonst.
(Zu Sternberg.)
Schon zehn Jahre todt! Ey ey! Der junge
Mann!
Sternberg. Er war doch schon hoch in die
funfzig --
Gerhard (hitzig.) Lieber gar sechzig! Wir ha-
ben in Einer Klasse gesessen.
B 3
Die Erbſchleicher.
ſe am Markte. Das Haus gehoͤrt ihm. Er war
kaum eingezogen, als ich — mit der damaligen
Mamſell Hannemann — bey ihm Gevatter ſtand.
Juſtine. Der Notarius Skrupel iſt noch
ledig.
Gerhard (ungeduldig.) Alles will Sie beſſer
wiſſen. Immer und ewig widerſpricht ſie.
Sternberg. Herr Vetter, der Skrupel, den
Sie meynen, iſt ſchon zehn Jahre todt.
Gerhard (erſtaunt.) Nicht moͤglich? — Ja,
ich komme ſo ſelten unter Leute; ich bekuͤmmere
mich ſo wenig um Stadtneuigkeiten; ich hoͤre und
ſehe nichts.
Juſtine. Herr Piſtorius iſt ja unſer taͤgli-
cher Poſtreiter. Aber ſo etwas vergißt ſich
leicht.
Gerhard (empfindlich.) Seit wann bin ich
denn vergeßlich? Ich klage jetzt weit weniger
uͤber meinen Kopf, als ſonſt.
(Zu Sternberg.)
Schon zehn Jahre todt! Ey ey! Der junge
Mann!
Sternberg. Er war doch ſchon hoch in die
funfzig —
Gerhard (hitzig.) Lieber gar ſechzig! Wir ha-
ben in Einer Klaſſe geſeſſen.
B 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#GER">
            <p><pb facs="#f0027" n="21"/><fw place="top" type="header">Die Erb&#x017F;chleicher.</fw><lb/>
&#x017F;e am Markte. Das Haus geho&#x0364;rt ihm. Er war<lb/>
kaum eingezogen, als ich &#x2014; mit der damaligen<lb/>
Mam&#x017F;ell Hannemann &#x2014; bey ihm Gevatter &#x017F;tand.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#JUS">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Ju&#x017F;tine.</hi> </speaker>
            <p>Der Notarius Skrupel i&#x017F;t noch<lb/>
ledig.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#GER">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard</hi> </speaker>
            <stage>(ungeduldig.)</stage>
            <p>Alles will Sie be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en. Immer und ewig wider&#x017F;pricht &#x017F;ie.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#STE">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Sternberg.</hi> </speaker>
            <p>Herr Vetter, der Skrupel, den<lb/><hi rendition="#g">Sie</hi> meynen, i&#x017F;t &#x017F;chon zehn Jahre todt.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#GER">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard</hi> </speaker>
            <stage>(er&#x017F;taunt.)</stage>
            <p>Nicht mo&#x0364;glich? &#x2014; Ja,<lb/>
ich komme &#x017F;o &#x017F;elten unter Leute; ich beku&#x0364;mmere<lb/>
mich &#x017F;o wenig um Stadtneuigkeiten; ich ho&#x0364;re und<lb/>
&#x017F;ehe nichts.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#JUS">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Ju&#x017F;tine.</hi> </speaker>
            <p>Herr Pi&#x017F;torius i&#x017F;t ja un&#x017F;er ta&#x0364;gli-<lb/>
cher <hi rendition="#g">Po&#x017F;treiter</hi>. Aber &#x017F;o etwas <hi rendition="#g">vergißt</hi> &#x017F;ich<lb/>
leicht.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#GER">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard</hi> </speaker>
            <stage>(empfindlich.)</stage>
            <p>Seit wann bin ich<lb/>
denn <hi rendition="#g">vergeßlich?</hi> Ich klage jetzt weit weniger<lb/>
u&#x0364;ber meinen Kopf, als &#x017F;on&#x017F;t.</p>
            <stage>(Zu Sternberg.)</stage><lb/>
            <p>Schon <hi rendition="#g">zehn</hi> Jahre todt! Ey ey! Der junge<lb/>
Mann!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#STE">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Sternberg.</hi> </speaker>
            <p>Er war doch &#x017F;chon hoch in die<lb/>
funfzig &#x2014;</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#GER">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Gerhard</hi> </speaker>
            <stage>(hitzig.)</stage>
            <p>Lieber gar &#x017F;echzig! Wir ha-<lb/>
ben in Einer Kla&#x017F;&#x017F;e ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en.</p>
          </sp><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">B 3</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0027] Die Erbſchleicher. ſe am Markte. Das Haus gehoͤrt ihm. Er war kaum eingezogen, als ich — mit der damaligen Mamſell Hannemann — bey ihm Gevatter ſtand. Juſtine. Der Notarius Skrupel iſt noch ledig. Gerhard (ungeduldig.) Alles will Sie beſſer wiſſen. Immer und ewig widerſpricht ſie. Sternberg. Herr Vetter, der Skrupel, den Sie meynen, iſt ſchon zehn Jahre todt. Gerhard (erſtaunt.) Nicht moͤglich? — Ja, ich komme ſo ſelten unter Leute; ich bekuͤmmere mich ſo wenig um Stadtneuigkeiten; ich hoͤre und ſehe nichts. Juſtine. Herr Piſtorius iſt ja unſer taͤgli- cher Poſtreiter. Aber ſo etwas vergißt ſich leicht. Gerhard (empfindlich.) Seit wann bin ich denn vergeßlich? Ich klage jetzt weit weniger uͤber meinen Kopf, als ſonſt. (Zu Sternberg.) Schon zehn Jahre todt! Ey ey! Der junge Mann! Sternberg. Er war doch ſchon hoch in die funfzig — Gerhard (hitzig.) Lieber gar ſechzig! Wir ha- ben in Einer Klaſſe geſeſſen. B 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gotter_erbschleicher_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gotter_erbschleicher_1789/27
Zitationshilfe: Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotter_erbschleicher_1789/27>, abgerufen am 09.11.2024.