Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789.Die Erbschleicher. Mein seeliger Lieutenant hoffte auch, einenVetter zu beerben. In dem Wahne heirathe- ten wir einander, und harrten und darbten, bis der Alte ohne Testament starb. Die Ver- wandten fuhren zu. Die Erbschaft ging in hun- dert Bischen, und von dreyßigtausend Thalern Hofnung -- trugs ihm kaum so viel baar, die Equipage zu bestreiten, mit der er nach Amerika ging. Sternberg. Aber mich nährt mein Fleiß? Mad Anker. Wie lange? -- Und wenn der Herr Advokat die Augen zuthut, mag die Wittwe mit fünf oder sechs Kindern - - - Sternberg (bitter lachend.) O, Madam, wenn der Himmel einfällt, sind wir Alle be- graben. Mad. Anker. Ha, der Herr Advokat hat auch Witz! Sternberg (geht umher und trällert) Mad. Anker (die es bemerkt.) Aber desto we- niger Lebensart. (Vor sich) Wo bleibt der Nota- rius? -- Ich will ihn selbst aufsuchen -- Jeder Augenblick ist kostbar -- (Mit einem Seitenblick auf Sternberg und Theresen.) Ob ich das Mädchen bey dem Narren lasse? -- (Laut.) Therese, mein Schwie-
Die Erbſchleicher. Mein ſeeliger Lieutenant hoffte auch, einenVetter zu beerben. In dem Wahne heirathe- ten wir einander, und harrten und darbten, bis der Alte ohne Teſtament ſtarb. Die Ver- wandten fuhren zu. Die Erbſchaft ging in hun- dert Bischen, und von dreyßigtauſend Thalern Hofnung — trugs ihm kaum ſo viel baar, die Equipage zu beſtreiten, mit der er nach Amerika ging. Sternberg. Aber mich naͤhrt mein Fleiß? Mad Anker. Wie lange? — Und wenn der Herr Advokat die Augen zuthut, mag die Wittwe mit fuͤnf oder ſechs Kindern - - - Sternberg (bitter lachend.) O, Madam, wenn der Himmel einfaͤllt, ſind wir Alle be- graben. Mad. Anker. Ha, der Herr Advokat hat auch Witz! Sternberg (geht umher und trällert) Mad. Anker (die es bemerkt.) Aber deſto we- niger Lebensart. (Vor ſich) Wo bleibt der Nota- rius? — Ich will ihn ſelbſt aufſuchen — Jeder Augenblick iſt koſtbar — (Mit einem Seitenblick auf Sternberg und Thereſen.) Ob ich das Maͤdchen bey dem Narren laſſe? — (Laut.) Thereſe, mein Schwie-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#ANKER"> <p><pb facs="#f0054" n="48"/><fw place="top" type="header">Die Erbſchleicher.</fw><lb/> Mein ſeeliger Lieutenant <hi rendition="#g">hoffte</hi> auch, einen<lb/> Vetter zu beerben. In <hi rendition="#g">dem</hi> Wahne heirathe-<lb/> ten wir einander, und harrten und darbten, bis<lb/> der Alte <hi rendition="#g">ohne Teſtament</hi> ſtarb. Die Ver-<lb/> wandten fuhren zu. Die Erbſchaft ging in hun-<lb/> dert Bischen, und von dreyßigtauſend Thalern<lb/><hi rendition="#g">Hofnung</hi> — trugs ihm kaum ſo viel baar, die<lb/> Equipage zu beſtreiten, mit der er nach Amerika<lb/> ging.</p> </sp><lb/> <sp who="#STE"> <speaker> <hi rendition="#fr">Sternberg.</hi> </speaker> <p>Aber mich naͤhrt mein Fleiß?</p> </sp><lb/> <sp who="#ANKER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Mad Anker.</hi> </speaker> <p>Wie lange? — Und wenn<lb/> der Herr Advokat die Augen zuthut, mag die<lb/> Wittwe mit fuͤnf oder ſechs Kindern - - -</p> </sp><lb/> <sp who="#STE"> <speaker> <hi rendition="#fr">Sternberg</hi> </speaker> <stage>(bitter lachend.)</stage> <p>O, Madam,<lb/> wenn der Himmel einfaͤllt, ſind wir Alle be-<lb/> graben.</p> </sp><lb/> <sp who="#ANKER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Mad. Anker.</hi> </speaker> <p>Ha, der Herr Advokat hat<lb/> auch Witz!</p> </sp><lb/> <sp who="#STE"> <speaker> <hi rendition="#fr">Sternberg</hi> </speaker> <stage>(geht umher und trällert)</stage> </sp><lb/> <sp who="#ANKER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Mad. Anker</hi> </speaker> <stage>(die es bemerkt.)</stage> <p>Aber deſto we-<lb/> niger Lebensart.</p> <stage>(Vor ſich)</stage> <p>Wo bleibt der Nota-<lb/> rius? — Ich will ihn ſelbſt aufſuchen — Jeder<lb/> Augenblick iſt koſtbar —</p> <stage>(Mit einem Seitenblick<lb/> auf Sternberg und Thereſen.)</stage> <p>Ob ich das Maͤdchen<lb/> bey dem Narren laſſe? —</p> <stage>(Laut.)</stage> <p>Thereſe, mein<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Schwie-</fw><lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [48/0054]
Die Erbſchleicher.
Mein ſeeliger Lieutenant hoffte auch, einen
Vetter zu beerben. In dem Wahne heirathe-
ten wir einander, und harrten und darbten, bis
der Alte ohne Teſtament ſtarb. Die Ver-
wandten fuhren zu. Die Erbſchaft ging in hun-
dert Bischen, und von dreyßigtauſend Thalern
Hofnung — trugs ihm kaum ſo viel baar, die
Equipage zu beſtreiten, mit der er nach Amerika
ging.
Sternberg. Aber mich naͤhrt mein Fleiß?
Mad Anker. Wie lange? — Und wenn
der Herr Advokat die Augen zuthut, mag die
Wittwe mit fuͤnf oder ſechs Kindern - - -
Sternberg (bitter lachend.) O, Madam,
wenn der Himmel einfaͤllt, ſind wir Alle be-
graben.
Mad. Anker. Ha, der Herr Advokat hat
auch Witz!
Sternberg (geht umher und trällert)
Mad. Anker (die es bemerkt.) Aber deſto we-
niger Lebensart. (Vor ſich) Wo bleibt der Nota-
rius? — Ich will ihn ſelbſt aufſuchen — Jeder
Augenblick iſt koſtbar — (Mit einem Seitenblick
auf Sternberg und Thereſen.) Ob ich das Maͤdchen
bey dem Narren laſſe? — (Laut.) Thereſe, mein
Schwie-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |