Gotter, Friedrich Wilhelm: Die Erbschleicher. Leipzig, 1789.Die Erbschleicher. bens. -- "Herr Gerhard, (fuhr sie fort,) er hatum dich angehalten, und ich habe dich ihm ver- sprochen." Sternberg (hält ihre auf seinem Arm ruhende Hand ängstlich fest.) Therese! Und was antworte- ten Sie? Therese. Nichts. Ich bedeckte mein Gesicht mit beiden Händen -- meine Knie zitterten -- ich sank auf einen Stuhl. Die Mama ging mit starken Schritten auf und ab. "Therese!" don- nerte sie endlich. "Die Nachricht hat dich über- "rascht. Sey kein Kind! Herr Gerhard wartet." Sternberg (faßt sie bey beiden Händen.) Und Sie gingen? Und Sie warfen sich ihr nicht zu Füssen, um -- Therese (lächelnd.) Um die Schwere der Hand zu fühlen, die mich den Augenblick zuvor gestreichelt hatte? Sternberg (läßt die Arme sinken, fährt zurück.) Was sagen Sie? Th[e]rese (zuckt die Achseln.) Meine Mutter ist eine Soldatenfrau. Sie hält Mannszucht. Ich bin der Ruthe noch nicht entwachsen. Sternberg (nachdem er einmal auf- und abgegan- gen, kalt.) Also wollen Sie meinen Vetter heira- then? Die Erbſchleicher. bens. — „Herr Gerhard, (fuhr ſie fort,) er hatum dich angehalten, und ich habe dich ihm ver- ſprochen.“ Sternberg (hält ihre auf ſeinem Arm ruhende Hand aͤngſtlich feſt.) Thereſe! Und was antworte- ten Sie? Thereſe. Nichts. Ich bedeckte mein Geſicht mit beiden Haͤnden — meine Knie zitterten — ich ſank auf einen Stuhl. Die Mama ging mit ſtarken Schritten auf und ab. „Thereſe!“ don- nerte ſie endlich. „Die Nachricht hat dich uͤber- „raſcht. Sey kein Kind! Herr Gerhard wartet.“ Sternberg (faßt ſie bey beiden Händen.) Und Sie gingen? Und Sie warfen ſich ihr nicht zu Füſſen, um — Thereſe (lächelnd.) Um die Schwere der Hand zu fuͤhlen, die mich den Augenblick zuvor geſtreichelt hatte? Sternberg (läßt die Arme ſinken, fährt zurück.) Was ſagen Sie? Th[e]reſe (zuckt die Achſeln.) Meine Mutter iſt eine Soldatenfrau. Sie haͤlt Mannszucht. Ich bin der Ruthe noch nicht entwachſen. Sternberg (nachdem er einmal auf- und abgegan- gen, kalt.) Alſo wollen Sie meinen Vetter heira- then? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#THE"> <p><pb facs="#f0058" n="52"/><fw place="top" type="header">Die Erbſchleicher.</fw><lb/> bens. — „Herr Gerhard, (fuhr ſie fort,) er hat<lb/> um dich angehalten, und ich habe dich ihm ver-<lb/> ſprochen.“</p> </sp><lb/> <sp who="#STE"> <speaker> <hi rendition="#fr">Sternberg</hi> </speaker> <stage>(hält ihre auf ſeinem Arm ruhende<lb/> Hand aͤngſtlich feſt.)</stage> <p>Thereſe! Und was antworte-<lb/> ten Sie?</p> </sp><lb/> <sp who="#THE"> <speaker> <hi rendition="#fr">Thereſe.</hi> </speaker> <p>Nichts. Ich bedeckte mein Geſicht<lb/> mit beiden Haͤnden — meine Knie zitterten —<lb/> ich ſank auf einen Stuhl. Die Mama ging mit<lb/> ſtarken Schritten auf und ab. „Thereſe!“ don-<lb/> nerte ſie endlich. „Die Nachricht hat dich uͤber-<lb/> „raſcht. Sey kein Kind! Herr Gerhard wartet.“</p> </sp><lb/> <sp who="#STE"> <speaker> <hi rendition="#fr">Sternberg</hi> </speaker> <stage>(faßt ſie bey beiden Händen.)</stage> <p>Und Sie<lb/> gingen? Und Sie warfen ſich ihr nicht zu Füſſen,<lb/> um —</p> </sp><lb/> <sp who="#THE"> <speaker> <hi rendition="#fr">Thereſe</hi> </speaker> <stage>(lächelnd.)</stage> <p>Um die <hi rendition="#g">Schwere</hi> der<lb/> Hand zu fuͤhlen, die mich den Augenblick zuvor<lb/> geſtreichelt hatte?</p> </sp><lb/> <sp who="#STE"> <speaker> <hi rendition="#fr">Sternberg</hi> </speaker> <stage>(läßt die Arme ſinken, fährt zurück.)</stage><lb/> <p>Was ſagen Sie?</p> </sp><lb/> <sp who="#THE "> <speaker> <hi rendition="#fr">Th<supplied>e</supplied>reſe</hi> </speaker> <stage>(zuckt die Achſeln.)</stage> <p>Meine Mutter iſt<lb/> eine Soldatenfrau. Sie haͤlt Mannszucht. Ich<lb/> bin der Ruthe noch nicht entwachſen.</p> </sp><lb/> <sp who="#STE"> <speaker> <hi rendition="#fr">Sternberg</hi> </speaker> <stage>(nachdem er einmal auf- und abgegan-<lb/> gen, kalt.)</stage> <p>Alſo wollen Sie meinen Vetter heira-<lb/> then?</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [52/0058]
Die Erbſchleicher.
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um dich angehalten, und ich habe dich ihm ver-
ſprochen.“
Sternberg (hält ihre auf ſeinem Arm ruhende
Hand aͤngſtlich feſt.) Thereſe! Und was antworte-
ten Sie?
Thereſe. Nichts. Ich bedeckte mein Geſicht
mit beiden Haͤnden — meine Knie zitterten —
ich ſank auf einen Stuhl. Die Mama ging mit
ſtarken Schritten auf und ab. „Thereſe!“ don-
nerte ſie endlich. „Die Nachricht hat dich uͤber-
„raſcht. Sey kein Kind! Herr Gerhard wartet.“
Sternberg (faßt ſie bey beiden Händen.) Und Sie
gingen? Und Sie warfen ſich ihr nicht zu Füſſen,
um —
Thereſe (lächelnd.) Um die Schwere der
Hand zu fuͤhlen, die mich den Augenblick zuvor
geſtreichelt hatte?
Sternberg (läßt die Arme ſinken, fährt zurück.)
Was ſagen Sie?
Thereſe (zuckt die Achſeln.) Meine Mutter iſt
eine Soldatenfrau. Sie haͤlt Mannszucht. Ich
bin der Ruthe noch nicht entwachſen.
Sternberg (nachdem er einmal auf- und abgegan-
gen, kalt.) Alſo wollen Sie meinen Vetter heira-
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