Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

aus angestammter Gewohnheit Grimhilde für die alte Rittersfrau hielt, ihr Achtung und Gehorsam zeigte. Das junge Geschlecht kannte sie bloß als die alte grimmige, aber arme Frau, hatte sich daher Agnes angeschlossen, welche nicht böse war und wenn sie schon nicht viel helfen konnte, doch den Willen zeigte, zu helfen, wenn sie es hätte, und dieser Wille wird oft wie die Hülfe selbst geschätzt. Starb Jürg, war Grimhilde verlassen, stand allein; es war also sich nicht zu verwundern, daß sie dem alten Jürg sein Sterben so übel nahm. Jürg entschuldigte sich bestmöglichst, sagte, er wollte wohl selbst gerne länger leben, aber daran machen könne er nichts, müsse sich fügen, wenn der Tod komme. Er sei ein Tropf, sagte Frau Grimhilde, braute ihm Tränke, welche so herrlich rochen, daß Tage lang weder Krähe noch Spatz sich auf dem Dache sehen ließen, brachte sie Jürg, und trinken sollte sie der, und wenn er's thue, werde er sehen, was der Tod zu befehlen hätte. Der Alte gehorchte, wollte trinken, aber schon die Nase brachte er kaum zum Topf, es schüttelte ihn, als wenn er das kalte Fieber hätte; als er endlich den Mund daran hinzwängte, die Lippen an den Tops hing, fuhr er zurück, es drehte ihn um und um, es war, als ob man einen Handschuh umkehre. Da sehe er, sagte dann Frau Grimhilde, wie ihr Zeug angreife; in drei Tagen wäre er gesund, wenn er ihr zu Gefallen einmal einen Topf voll austrinken wollte. Wenn dann Jürg be-

aus angestammter Gewohnheit Grimhilde für die alte Rittersfrau hielt, ihr Achtung und Gehorsam zeigte. Das junge Geschlecht kannte sie bloß als die alte grimmige, aber arme Frau, hatte sich daher Agnes angeschlossen, welche nicht böse war und wenn sie schon nicht viel helfen konnte, doch den Willen zeigte, zu helfen, wenn sie es hätte, und dieser Wille wird oft wie die Hülfe selbst geschätzt. Starb Jürg, war Grimhilde verlassen, stand allein; es war also sich nicht zu verwundern, daß sie dem alten Jürg sein Sterben so übel nahm. Jürg entschuldigte sich bestmöglichst, sagte, er wollte wohl selbst gerne länger leben, aber daran machen könne er nichts, müsse sich fügen, wenn der Tod komme. Er sei ein Tropf, sagte Frau Grimhilde, braute ihm Tränke, welche so herrlich rochen, daß Tage lang weder Krähe noch Spatz sich auf dem Dache sehen ließen, brachte sie Jürg, und trinken sollte sie der, und wenn er's thue, werde er sehen, was der Tod zu befehlen hätte. Der Alte gehorchte, wollte trinken, aber schon die Nase brachte er kaum zum Topf, es schüttelte ihn, als wenn er das kalte Fieber hätte; als er endlich den Mund daran hinzwängte, die Lippen an den Tops hing, fuhr er zurück, es drehte ihn um und um, es war, als ob man einen Handschuh umkehre. Da sehe er, sagte dann Frau Grimhilde, wie ihr Zeug angreife; in drei Tagen wäre er gesund, wenn er ihr zu Gefallen einmal einen Topf voll austrinken wollte. Wenn dann Jürg be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="0">
        <p><pb facs="#f0129"/>
aus angestammter Gewohnheit                     Grimhilde für die alte Rittersfrau hielt, ihr Achtung und Gehorsam zeigte. Das                     junge Geschlecht kannte sie bloß als die alte grimmige, aber arme Frau, hatte                     sich daher Agnes angeschlossen, welche nicht böse war und wenn sie schon nicht                     viel helfen konnte, doch den Willen zeigte, zu helfen, wenn sie es hätte, und                     dieser Wille wird oft wie die Hülfe selbst geschätzt. Starb Jürg, war Grimhilde                     verlassen, stand allein; es war also sich nicht zu verwundern, daß sie dem alten                     Jürg sein Sterben so übel nahm. Jürg entschuldigte sich bestmöglichst, sagte, er                     wollte wohl selbst gerne länger leben, aber daran machen könne er nichts, müsse                     sich fügen, wenn der Tod komme. Er sei ein Tropf, sagte Frau Grimhilde, braute                     ihm Tränke, welche so herrlich rochen, daß Tage lang weder Krähe noch Spatz sich                     auf dem Dache sehen ließen, brachte sie Jürg, und trinken sollte sie der, und                     wenn er's thue, werde er sehen, was der Tod zu befehlen hätte. Der Alte                     gehorchte, wollte trinken, aber schon die Nase brachte er kaum zum Topf, es                     schüttelte ihn, als wenn er das kalte Fieber hätte; als er endlich den Mund                     daran hinzwängte, die Lippen an den Tops hing, fuhr er zurück, es drehte ihn um                     und um, es war, als ob man einen Handschuh umkehre. Da sehe er, sagte dann Frau                     Grimhilde, wie ihr Zeug angreife; in drei Tagen wäre er gesund, wenn er ihr zu                     Gefallen einmal einen Topf voll austrinken wollte. Wenn dann Jürg be-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0129] aus angestammter Gewohnheit Grimhilde für die alte Rittersfrau hielt, ihr Achtung und Gehorsam zeigte. Das junge Geschlecht kannte sie bloß als die alte grimmige, aber arme Frau, hatte sich daher Agnes angeschlossen, welche nicht böse war und wenn sie schon nicht viel helfen konnte, doch den Willen zeigte, zu helfen, wenn sie es hätte, und dieser Wille wird oft wie die Hülfe selbst geschätzt. Starb Jürg, war Grimhilde verlassen, stand allein; es war also sich nicht zu verwundern, daß sie dem alten Jürg sein Sterben so übel nahm. Jürg entschuldigte sich bestmöglichst, sagte, er wollte wohl selbst gerne länger leben, aber daran machen könne er nichts, müsse sich fügen, wenn der Tod komme. Er sei ein Tropf, sagte Frau Grimhilde, braute ihm Tränke, welche so herrlich rochen, daß Tage lang weder Krähe noch Spatz sich auf dem Dache sehen ließen, brachte sie Jürg, und trinken sollte sie der, und wenn er's thue, werde er sehen, was der Tod zu befehlen hätte. Der Alte gehorchte, wollte trinken, aber schon die Nase brachte er kaum zum Topf, es schüttelte ihn, als wenn er das kalte Fieber hätte; als er endlich den Mund daran hinzwängte, die Lippen an den Tops hing, fuhr er zurück, es drehte ihn um und um, es war, als ob man einen Handschuh umkehre. Da sehe er, sagte dann Frau Grimhilde, wie ihr Zeug angreife; in drei Tagen wäre er gesund, wenn er ihr zu Gefallen einmal einen Topf voll austrinken wollte. Wenn dann Jürg be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T09:57:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T09:57:28Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/129
Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/129>, abgerufen am 15.05.2024.