Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.reichen Mann kriegen könne, so nehme sie einen armen denn einer sei jedenfalls besser als gar keiner. Als sie diesen Grundsatz ins Werk setzte, war sie zu sehr vernünftigen Jahren gekommen. Der wilde Koppiger auf seinem magern Rosse, der sich an ihr Haus zu klammern suchte, wie ein in den Strom Gefallener an einen Weidenzweig, fand erst Gnade in ihren Augen, als alle Hoffnung auf was Besseres durchaus verschwunden war. Von je böser als schön, hatte sie jetzt borstige, gerade herausstehende Haare um den Mund wie sie bei den Katzen üblich sind. Sie war lang und hager, hatte schwarze, stechende Augen, eine krumme Nase, hatte eine Stimme, welche tönte wie Peitschenhiebe, und wenn sie ging, machte sie Schritte, als wolle sie über den Schloßgraben springen. Sie besaß von ihrer alten Herrlichkeit nichts mehr als den Hochmuth, desto greller trug sie ihn zur Schau; ihren Zorn, deß sie nichts Anderes hatte, ließ sie an Allem aus, was in den Bereich ihrer langen Arme kam; sie war fürchterlich unbarmherzig. Zu ihrem Schlößlein gehörte ein kleines Gebiet, auf welchem eigene Leute wohnten, aber spärlich, wie auf magerem Ackerlein dünn die Halme stehen. Es hat eine eigenthümliche Bewandtniß mit Land und Leuten; beide wollen weich gepflegt, freigebig genährt sein, dann gedeihen sie üppig, dann ist ihr Ertrag ein reicher; unter einer harten Hand verkümmern sie, je mehr man von ihnen begehrt, desto weniger geben sie: der ausgesogene Acker giebt keine Ernte, reichen Mann kriegen könne, so nehme sie einen armen denn einer sei jedenfalls besser als gar keiner. Als sie diesen Grundsatz ins Werk setzte, war sie zu sehr vernünftigen Jahren gekommen. Der wilde Koppiger auf seinem magern Rosse, der sich an ihr Haus zu klammern suchte, wie ein in den Strom Gefallener an einen Weidenzweig, fand erst Gnade in ihren Augen, als alle Hoffnung auf was Besseres durchaus verschwunden war. Von je böser als schön, hatte sie jetzt borstige, gerade herausstehende Haare um den Mund wie sie bei den Katzen üblich sind. Sie war lang und hager, hatte schwarze, stechende Augen, eine krumme Nase, hatte eine Stimme, welche tönte wie Peitschenhiebe, und wenn sie ging, machte sie Schritte, als wolle sie über den Schloßgraben springen. Sie besaß von ihrer alten Herrlichkeit nichts mehr als den Hochmuth, desto greller trug sie ihn zur Schau; ihren Zorn, deß sie nichts Anderes hatte, ließ sie an Allem aus, was in den Bereich ihrer langen Arme kam; sie war fürchterlich unbarmherzig. Zu ihrem Schlößlein gehörte ein kleines Gebiet, auf welchem eigene Leute wohnten, aber spärlich, wie auf magerem Ackerlein dünn die Halme stehen. Es hat eine eigenthümliche Bewandtniß mit Land und Leuten; beide wollen weich gepflegt, freigebig genährt sein, dann gedeihen sie üppig, dann ist ihr Ertrag ein reicher; unter einer harten Hand verkümmern sie, je mehr man von ihnen begehrt, desto weniger geben sie: der ausgesogene Acker giebt keine Ernte, <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0013"/> reichen Mann kriegen könne, so nehme sie einen armen denn einer sei jedenfalls besser als gar keiner. Als sie diesen Grundsatz ins Werk setzte, war sie zu sehr vernünftigen Jahren gekommen. Der wilde Koppiger auf seinem magern Rosse, der sich an ihr Haus zu klammern suchte, wie ein in den Strom Gefallener an einen Weidenzweig, fand erst Gnade in ihren Augen, als alle Hoffnung auf was Besseres durchaus verschwunden war. Von je böser als schön, hatte sie jetzt borstige, gerade herausstehende Haare um den Mund wie sie bei den Katzen üblich sind. Sie war lang und hager, hatte schwarze, stechende Augen, eine krumme Nase, hatte eine Stimme, welche tönte wie Peitschenhiebe, und wenn sie ging, machte sie Schritte, als wolle sie über den Schloßgraben springen. Sie besaß von ihrer alten Herrlichkeit nichts mehr als den Hochmuth, desto greller trug sie ihn zur Schau; ihren Zorn, deß sie nichts Anderes hatte, ließ sie an Allem aus, was in den Bereich ihrer langen Arme kam; sie war fürchterlich unbarmherzig. Zu ihrem Schlößlein gehörte ein kleines Gebiet, auf welchem eigene Leute wohnten, aber spärlich, wie auf magerem Ackerlein dünn die Halme stehen. Es hat eine eigenthümliche Bewandtniß mit Land und Leuten; beide wollen weich gepflegt, freigebig genährt sein, dann gedeihen sie üppig, dann ist ihr Ertrag ein reicher; unter einer harten Hand verkümmern sie, je mehr man von ihnen begehrt, desto weniger geben sie: der ausgesogene Acker giebt keine Ernte,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0013]
reichen Mann kriegen könne, so nehme sie einen armen denn einer sei jedenfalls besser als gar keiner. Als sie diesen Grundsatz ins Werk setzte, war sie zu sehr vernünftigen Jahren gekommen. Der wilde Koppiger auf seinem magern Rosse, der sich an ihr Haus zu klammern suchte, wie ein in den Strom Gefallener an einen Weidenzweig, fand erst Gnade in ihren Augen, als alle Hoffnung auf was Besseres durchaus verschwunden war. Von je böser als schön, hatte sie jetzt borstige, gerade herausstehende Haare um den Mund wie sie bei den Katzen üblich sind. Sie war lang und hager, hatte schwarze, stechende Augen, eine krumme Nase, hatte eine Stimme, welche tönte wie Peitschenhiebe, und wenn sie ging, machte sie Schritte, als wolle sie über den Schloßgraben springen. Sie besaß von ihrer alten Herrlichkeit nichts mehr als den Hochmuth, desto greller trug sie ihn zur Schau; ihren Zorn, deß sie nichts Anderes hatte, ließ sie an Allem aus, was in den Bereich ihrer langen Arme kam; sie war fürchterlich unbarmherzig. Zu ihrem Schlößlein gehörte ein kleines Gebiet, auf welchem eigene Leute wohnten, aber spärlich, wie auf magerem Ackerlein dünn die Halme stehen. Es hat eine eigenthümliche Bewandtniß mit Land und Leuten; beide wollen weich gepflegt, freigebig genährt sein, dann gedeihen sie üppig, dann ist ihr Ertrag ein reicher; unter einer harten Hand verkümmern sie, je mehr man von ihnen begehrt, desto weniger geben sie: der ausgesogene Acker giebt keine Ernte,
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