Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.denken. Weit und groß war die Küche, welche zugleich das Salon- oder Gesellschaftszimmer vorstellte; in der Mitte derselben, wie noch jetzt in uralten Häusern, war der Herd, auf welchem das Feuer selten erlosch, und eben so selten war es, daß über demselben an eisernem Haken nicht ein Kessel hing, in welchem in saftiger, kräftiger Brühe Fleisch weichgekocht ward. Die Brühe war um so kräftiger und saftiger, da der Kessel nie ganz geleert wurde. Drohte das Fleisch zu weich zu werden, so zog man entweder das Holz unter dem Kessel weg und ließ bloß die Kohlen liegen, oder man drehte ihn durch eine Vorrichtung bei Seite; durch diese Vorrichtung waren die Bewohner der Hütte vor der Ungeduld ihrer Gäste geschützt, die groß und grob war. Wer kam, hatte nicht auf das Essen zu warten, nahm etwas Langes und Spitziges zur Hand, gabelte damit ein währschaft Stück auf und steckte es an. Mit Geschmack und Geruch nahm man es begreiflich so genau nicht, wenn es nur gegen den Hunger gut war und das Herz vor dem Hinunterfallen schützte. Die Räuber waren eben keine Diplomaten, die nehmen es genauer, die warten gerne sieben Stunden, leiden gerne höllischen Hunger, wenn sie dann nur etwas Feines und Gutes kriegen, von wegen Diplomaten haben Geduld, haben sie aber auch nöthig. Für vorräthigen Wein mußte ebenfalls gesorgt sein; diesen tranken sie gerne so gut als möglich, hatten aber auch Kehlen, daß, wenn nicht besserer zu haben war, sie solchen denken. Weit und groß war die Küche, welche zugleich das Salon- oder Gesellschaftszimmer vorstellte; in der Mitte derselben, wie noch jetzt in uralten Häusern, war der Herd, auf welchem das Feuer selten erlosch, und eben so selten war es, daß über demselben an eisernem Haken nicht ein Kessel hing, in welchem in saftiger, kräftiger Brühe Fleisch weichgekocht ward. Die Brühe war um so kräftiger und saftiger, da der Kessel nie ganz geleert wurde. Drohte das Fleisch zu weich zu werden, so zog man entweder das Holz unter dem Kessel weg und ließ bloß die Kohlen liegen, oder man drehte ihn durch eine Vorrichtung bei Seite; durch diese Vorrichtung waren die Bewohner der Hütte vor der Ungeduld ihrer Gäste geschützt, die groß und grob war. Wer kam, hatte nicht auf das Essen zu warten, nahm etwas Langes und Spitziges zur Hand, gabelte damit ein währschaft Stück auf und steckte es an. Mit Geschmack und Geruch nahm man es begreiflich so genau nicht, wenn es nur gegen den Hunger gut war und das Herz vor dem Hinunterfallen schützte. Die Räuber waren eben keine Diplomaten, die nehmen es genauer, die warten gerne sieben Stunden, leiden gerne höllischen Hunger, wenn sie dann nur etwas Feines und Gutes kriegen, von wegen Diplomaten haben Geduld, haben sie aber auch nöthig. Für vorräthigen Wein mußte ebenfalls gesorgt sein; diesen tranken sie gerne so gut als möglich, hatten aber auch Kehlen, daß, wenn nicht besserer zu haben war, sie solchen <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0140"/> denken. Weit und groß war die Küche, welche zugleich das Salon- oder Gesellschaftszimmer vorstellte; in der Mitte derselben, wie noch jetzt in uralten Häusern, war der Herd, auf welchem das Feuer selten erlosch, und eben so selten war es, daß über demselben an eisernem Haken nicht ein Kessel hing, in welchem in saftiger, kräftiger Brühe Fleisch weichgekocht ward. Die Brühe war um so kräftiger und saftiger, da der Kessel nie ganz geleert wurde. Drohte das Fleisch zu weich zu werden, so zog man entweder das Holz unter dem Kessel weg und ließ bloß die Kohlen liegen, oder man drehte ihn durch eine Vorrichtung bei Seite; durch diese Vorrichtung waren die Bewohner der Hütte vor der Ungeduld ihrer Gäste geschützt, die groß und grob war. Wer kam, hatte nicht auf das Essen zu warten, nahm etwas Langes und Spitziges zur Hand, gabelte damit ein währschaft Stück auf und steckte es an. Mit Geschmack und Geruch nahm man es begreiflich so genau nicht, wenn es nur gegen den Hunger gut war und das Herz vor dem Hinunterfallen schützte. Die Räuber waren eben keine Diplomaten, die nehmen es genauer, die warten gerne sieben Stunden, leiden gerne höllischen Hunger, wenn sie dann nur etwas Feines und Gutes kriegen, von wegen Diplomaten haben Geduld, haben sie aber auch nöthig. Für vorräthigen Wein mußte ebenfalls gesorgt sein; diesen tranken sie gerne so gut als möglich, hatten aber auch Kehlen, daß, wenn nicht besserer zu haben war, sie solchen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0140]
denken. Weit und groß war die Küche, welche zugleich das Salon- oder Gesellschaftszimmer vorstellte; in der Mitte derselben, wie noch jetzt in uralten Häusern, war der Herd, auf welchem das Feuer selten erlosch, und eben so selten war es, daß über demselben an eisernem Haken nicht ein Kessel hing, in welchem in saftiger, kräftiger Brühe Fleisch weichgekocht ward. Die Brühe war um so kräftiger und saftiger, da der Kessel nie ganz geleert wurde. Drohte das Fleisch zu weich zu werden, so zog man entweder das Holz unter dem Kessel weg und ließ bloß die Kohlen liegen, oder man drehte ihn durch eine Vorrichtung bei Seite; durch diese Vorrichtung waren die Bewohner der Hütte vor der Ungeduld ihrer Gäste geschützt, die groß und grob war. Wer kam, hatte nicht auf das Essen zu warten, nahm etwas Langes und Spitziges zur Hand, gabelte damit ein währschaft Stück auf und steckte es an. Mit Geschmack und Geruch nahm man es begreiflich so genau nicht, wenn es nur gegen den Hunger gut war und das Herz vor dem Hinunterfallen schützte. Die Räuber waren eben keine Diplomaten, die nehmen es genauer, die warten gerne sieben Stunden, leiden gerne höllischen Hunger, wenn sie dann nur etwas Feines und Gutes kriegen, von wegen Diplomaten haben Geduld, haben sie aber auch nöthig. Für vorräthigen Wein mußte ebenfalls gesorgt sein; diesen tranken sie gerne so gut als möglich, hatten aber auch Kehlen, daß, wenn nicht besserer zu haben war, sie solchen
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Zitationshilfe: | Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/140>, abgerufen am 16.02.2025. |