Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.renne her, es euch anzusagen zu rechter Zeit, klopfe, pfeife draußen, Niemand hört mich, drinnen ist höllischer Lärm und Geschrei. Da krieche ich aufs Dach, will runter sehen und rufen, aber wie ich oben bin, bricht es ein; glücklicher Weise bin ich nicht in den Kessel gefallen zum andern Fleisch; geschunden bin ich wohl, doch lieber geschunden als gesotten. Aber jetzt thut Eile Noth, wenn ihr was wagen wollt. Wie die Katze vor dem Mauseloch, hatten die Bewohner der Hütte die Ohren gespitzt bei diesem Bericht. Zorn und Rausch waren verflogen, wie abgejagten Hunden die Müdigkeit, wenn eine frische Fährte ihnen unerwartet vor die Nase kommt. Verwandelt wie durch ein Zauberwort war auf einmal das Leben in der Hütte. Die Weibsbilder mußten in den sogenannten Stall, der eigentlich mehr ein Loch war als ein Stall; keinem vernünftigen Menschen wäre eingefallen, dort Pferde zu suchen, aber eben das wollte man, als man ihn einrichtete. Die Männer aber setzten sich ums Feuer, suchten neue Stärkung im Kessel und hielten Rath in aller Besonnenheit. Man sah, es war nicht die erste derartige Berathung, sie war rasch und kurz; alsbald war der Nagel auf den Kopf getroffen; zu Deputirten in erster oder zweiter Kammer, oder gar zu schweizerischen Tagsatzungsgesandten hätten sie durchaus nicht getaugt. Es wäre, beiläufig gesagt, sehr wünschenswerth, man würde, um den Werth einer Rede zu bestimmen, vom bisherigen Längenmaße ab- renne her, es euch anzusagen zu rechter Zeit, klopfe, pfeife draußen, Niemand hört mich, drinnen ist höllischer Lärm und Geschrei. Da krieche ich aufs Dach, will runter sehen und rufen, aber wie ich oben bin, bricht es ein; glücklicher Weise bin ich nicht in den Kessel gefallen zum andern Fleisch; geschunden bin ich wohl, doch lieber geschunden als gesotten. Aber jetzt thut Eile Noth, wenn ihr was wagen wollt. Wie die Katze vor dem Mauseloch, hatten die Bewohner der Hütte die Ohren gespitzt bei diesem Bericht. Zorn und Rausch waren verflogen, wie abgejagten Hunden die Müdigkeit, wenn eine frische Fährte ihnen unerwartet vor die Nase kommt. Verwandelt wie durch ein Zauberwort war auf einmal das Leben in der Hütte. Die Weibsbilder mußten in den sogenannten Stall, der eigentlich mehr ein Loch war als ein Stall; keinem vernünftigen Menschen wäre eingefallen, dort Pferde zu suchen, aber eben das wollte man, als man ihn einrichtete. Die Männer aber setzten sich ums Feuer, suchten neue Stärkung im Kessel und hielten Rath in aller Besonnenheit. Man sah, es war nicht die erste derartige Berathung, sie war rasch und kurz; alsbald war der Nagel auf den Kopf getroffen; zu Deputirten in erster oder zweiter Kammer, oder gar zu schweizerischen Tagsatzungsgesandten hätten sie durchaus nicht getaugt. Es wäre, beiläufig gesagt, sehr wünschenswerth, man würde, um den Werth einer Rede zu bestimmen, vom bisherigen Längenmaße ab- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0155"/> renne her, es euch anzusagen zu rechter Zeit, klopfe, pfeife draußen, Niemand hört mich, drinnen ist höllischer Lärm und Geschrei. Da krieche ich aufs Dach, will runter sehen und rufen, aber wie ich oben bin, bricht es ein; glücklicher Weise bin ich nicht in den Kessel gefallen zum andern Fleisch; geschunden bin ich wohl, doch lieber geschunden als gesotten. Aber jetzt thut Eile Noth, wenn ihr was wagen wollt.</p><lb/> <p>Wie die Katze vor dem Mauseloch, hatten die Bewohner der Hütte die Ohren gespitzt bei diesem Bericht. Zorn und Rausch waren verflogen, wie abgejagten Hunden die Müdigkeit, wenn eine frische Fährte ihnen unerwartet vor die Nase kommt. Verwandelt wie durch ein Zauberwort war auf einmal das Leben in der Hütte. Die Weibsbilder mußten in den sogenannten Stall, der eigentlich mehr ein Loch war als ein Stall; keinem vernünftigen Menschen wäre eingefallen, dort Pferde zu suchen, aber eben das wollte man, als man ihn einrichtete. Die Männer aber setzten sich ums Feuer, suchten neue Stärkung im Kessel und hielten Rath in aller Besonnenheit. Man sah, es war nicht die erste derartige Berathung, sie war rasch und kurz; alsbald war der Nagel auf den Kopf getroffen; zu Deputirten in erster oder zweiter Kammer, oder gar zu schweizerischen Tagsatzungsgesandten hätten sie durchaus nicht getaugt. Es wäre, beiläufig gesagt, sehr wünschenswerth, man würde, um den Werth einer Rede zu bestimmen, vom bisherigen Längenmaße ab-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0155]
renne her, es euch anzusagen zu rechter Zeit, klopfe, pfeife draußen, Niemand hört mich, drinnen ist höllischer Lärm und Geschrei. Da krieche ich aufs Dach, will runter sehen und rufen, aber wie ich oben bin, bricht es ein; glücklicher Weise bin ich nicht in den Kessel gefallen zum andern Fleisch; geschunden bin ich wohl, doch lieber geschunden als gesotten. Aber jetzt thut Eile Noth, wenn ihr was wagen wollt.
Wie die Katze vor dem Mauseloch, hatten die Bewohner der Hütte die Ohren gespitzt bei diesem Bericht. Zorn und Rausch waren verflogen, wie abgejagten Hunden die Müdigkeit, wenn eine frische Fährte ihnen unerwartet vor die Nase kommt. Verwandelt wie durch ein Zauberwort war auf einmal das Leben in der Hütte. Die Weibsbilder mußten in den sogenannten Stall, der eigentlich mehr ein Loch war als ein Stall; keinem vernünftigen Menschen wäre eingefallen, dort Pferde zu suchen, aber eben das wollte man, als man ihn einrichtete. Die Männer aber setzten sich ums Feuer, suchten neue Stärkung im Kessel und hielten Rath in aller Besonnenheit. Man sah, es war nicht die erste derartige Berathung, sie war rasch und kurz; alsbald war der Nagel auf den Kopf getroffen; zu Deputirten in erster oder zweiter Kammer, oder gar zu schweizerischen Tagsatzungsgesandten hätten sie durchaus nicht getaugt. Es wäre, beiläufig gesagt, sehr wünschenswerth, man würde, um den Werth einer Rede zu bestimmen, vom bisherigen Längenmaße ab-
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Zitationshilfe: | Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/155>, abgerufen am 16.02.2025. |