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Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sein Hengst langsamer ging, kühlte sich sein Blut ab, kehrte die Besonnenheit zurück, rascher als vielleicht vor einigen Jahren noch. Aber es bringen allgemach die Jahre dem Menschen, der nicht ganz hirnlos ist, die Besonnenheit, welche die Kräfte wiegt und den Erfolg ermißt. Es war ja möglich, daß Hinterhalt gelegt, die Hütte gesucht, gefunden, umstellt wurde, und war das Alles nicht, was sollte er allein unter den Andern, allein, wo Alles gegen ihn, Niemand für ihn sein würde? Denn wenn schon das Gesindel, welches sich sicherlich auch einfand, ihm am besten wollte, weil es den größten Nutzen von ihm zog, so würde es doch in diesem Falle es mit der Mehrzahl gehalten haben, wie üblich damals und jetzt. Müde und wundenmatt, nahm er sich vor, heimzukehren und einen andern Tag zur Rache zu erwarten.

So ritt Kurt langsam über das Feld, auf welchem jetzt Utzenstorf so unendlich lang sich ausstreckt, ritt dem Walde zu, hinter welchem sein Schlößlein lag. Je langsamer er ritt, vor Verfolgung sicher und um das Roß zu schonen, desto schneller wirbelten ihm die Gedanken, welche ihm sonst so langsam kamen und gingen, durch den Kopf. Die Rache brütete Pläne, der Stolz des Geschlechtes stieg in ihm auf, die Scham, daß er nichts Anderes geworden als ein Räuber, dazu die Stichscheibe der Andern, regte sich; die Frage: und jetzt, was willst du? stand wie ein schwarzes Gespenst vor ihm in dem dicken, schaurigen Nebel. In

sein Hengst langsamer ging, kühlte sich sein Blut ab, kehrte die Besonnenheit zurück, rascher als vielleicht vor einigen Jahren noch. Aber es bringen allgemach die Jahre dem Menschen, der nicht ganz hirnlos ist, die Besonnenheit, welche die Kräfte wiegt und den Erfolg ermißt. Es war ja möglich, daß Hinterhalt gelegt, die Hütte gesucht, gefunden, umstellt wurde, und war das Alles nicht, was sollte er allein unter den Andern, allein, wo Alles gegen ihn, Niemand für ihn sein würde? Denn wenn schon das Gesindel, welches sich sicherlich auch einfand, ihm am besten wollte, weil es den größten Nutzen von ihm zog, so würde es doch in diesem Falle es mit der Mehrzahl gehalten haben, wie üblich damals und jetzt. Müde und wundenmatt, nahm er sich vor, heimzukehren und einen andern Tag zur Rache zu erwarten.

So ritt Kurt langsam über das Feld, auf welchem jetzt Utzenstorf so unendlich lang sich ausstreckt, ritt dem Walde zu, hinter welchem sein Schlößlein lag. Je langsamer er ritt, vor Verfolgung sicher und um das Roß zu schonen, desto schneller wirbelten ihm die Gedanken, welche ihm sonst so langsam kamen und gingen, durch den Kopf. Die Rache brütete Pläne, der Stolz des Geschlechtes stieg in ihm auf, die Scham, daß er nichts Anderes geworden als ein Räuber, dazu die Stichscheibe der Andern, regte sich; die Frage: und jetzt, was willst du? stand wie ein schwarzes Gespenst vor ihm in dem dicken, schaurigen Nebel. In

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[0167] sein Hengst langsamer ging, kühlte sich sein Blut ab, kehrte die Besonnenheit zurück, rascher als vielleicht vor einigen Jahren noch. Aber es bringen allgemach die Jahre dem Menschen, der nicht ganz hirnlos ist, die Besonnenheit, welche die Kräfte wiegt und den Erfolg ermißt. Es war ja möglich, daß Hinterhalt gelegt, die Hütte gesucht, gefunden, umstellt wurde, und war das Alles nicht, was sollte er allein unter den Andern, allein, wo Alles gegen ihn, Niemand für ihn sein würde? Denn wenn schon das Gesindel, welches sich sicherlich auch einfand, ihm am besten wollte, weil es den größten Nutzen von ihm zog, so würde es doch in diesem Falle es mit der Mehrzahl gehalten haben, wie üblich damals und jetzt. Müde und wundenmatt, nahm er sich vor, heimzukehren und einen andern Tag zur Rache zu erwarten. So ritt Kurt langsam über das Feld, auf welchem jetzt Utzenstorf so unendlich lang sich ausstreckt, ritt dem Walde zu, hinter welchem sein Schlößlein lag. Je langsamer er ritt, vor Verfolgung sicher und um das Roß zu schonen, desto schneller wirbelten ihm die Gedanken, welche ihm sonst so langsam kamen und gingen, durch den Kopf. Die Rache brütete Pläne, der Stolz des Geschlechtes stieg in ihm auf, die Scham, daß er nichts Anderes geworden als ein Räuber, dazu die Stichscheibe der Andern, regte sich; die Frage: und jetzt, was willst du? stand wie ein schwarzes Gespenst vor ihm in dem dicken, schaurigen Nebel. In

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T09:57:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T09:57:28Z)

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/167>, abgerufen am 21.11.2024.