Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Finstern sitzen und hungrig, es ihnen zu kalt ist zum Weinen und zu trocken ums Gemüth zum Beten, sie so dasitzen in Schlotter und Elend, und es Poltert zur Thüre herein oder an die Thüre, ein wilder böser Vater, oder es pocht an die Thüre und vor derselben liegt auch eine Bescherung: ein bewußtloser Vater, den man hineintragen muß als Weihnachtsbescherung mitten unter die Kinder, die im Dunkeln sitzen und in Schlotter und Elend. O, wie so anders geht es zu auf der gleichen Erde und zur selben Stunde! Verschieden gehen auch die heiligen Tage über die Erde hin: einmal leuchtet am klaren Himmel die Sonne, lieblich ist's, Erdbeeren gelüstet es zu blühen, und aufs Neue lieb wird dem Menschenkinde die mütterliche Erde; ein andermal ist verhüllt der Himmel, die Stürme brausen oder harter Frost zieht das Herz zusammen, unheimlich ist's draußen, es flieht das Menschenkind und sucht eine künstliche Heimath, ein warmes Gemach, und sehnt sich nach einer besseren Heimath, wo es so rauh nicht ist, wo solcher Wechsel nicht ist, es nicht so unheimlich ist, wo ein freundliches, mildes Wohnen ist in unveränderter Klarheit. Der Weihnachtstag, von welchem wir reden wollen, trug einen dichten, trüben Schleier, Tag schien es nicht werden zu wollen, und als es Tag war, wollte es doch nicht Tag werden, bis wieder die Nacht kam. Auch in Frau Agnes' Herz schien die Weihnachtssonne nicht. Es war eine tüchtige (praktische, würde man Finstern sitzen und hungrig, es ihnen zu kalt ist zum Weinen und zu trocken ums Gemüth zum Beten, sie so dasitzen in Schlotter und Elend, und es Poltert zur Thüre herein oder an die Thüre, ein wilder böser Vater, oder es pocht an die Thüre und vor derselben liegt auch eine Bescherung: ein bewußtloser Vater, den man hineintragen muß als Weihnachtsbescherung mitten unter die Kinder, die im Dunkeln sitzen und in Schlotter und Elend. O, wie so anders geht es zu auf der gleichen Erde und zur selben Stunde! Verschieden gehen auch die heiligen Tage über die Erde hin: einmal leuchtet am klaren Himmel die Sonne, lieblich ist's, Erdbeeren gelüstet es zu blühen, und aufs Neue lieb wird dem Menschenkinde die mütterliche Erde; ein andermal ist verhüllt der Himmel, die Stürme brausen oder harter Frost zieht das Herz zusammen, unheimlich ist's draußen, es flieht das Menschenkind und sucht eine künstliche Heimath, ein warmes Gemach, und sehnt sich nach einer besseren Heimath, wo es so rauh nicht ist, wo solcher Wechsel nicht ist, es nicht so unheimlich ist, wo ein freundliches, mildes Wohnen ist in unveränderter Klarheit. Der Weihnachtstag, von welchem wir reden wollen, trug einen dichten, trüben Schleier, Tag schien es nicht werden zu wollen, und als es Tag war, wollte es doch nicht Tag werden, bis wieder die Nacht kam. Auch in Frau Agnes' Herz schien die Weihnachtssonne nicht. Es war eine tüchtige (praktische, würde man <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0178"/> Finstern sitzen und hungrig, es ihnen zu kalt ist zum Weinen und zu trocken ums Gemüth zum Beten, sie so dasitzen in Schlotter und Elend, und es Poltert zur Thüre herein oder an die Thüre, ein wilder böser Vater, oder es pocht an die Thüre und vor derselben liegt auch eine Bescherung: ein bewußtloser Vater, den man hineintragen muß als Weihnachtsbescherung mitten unter die Kinder, die im Dunkeln sitzen und in Schlotter und Elend. O, wie so anders geht es zu auf der gleichen Erde und zur selben Stunde! Verschieden gehen auch die heiligen Tage über die Erde hin: einmal leuchtet am klaren Himmel die Sonne, lieblich ist's, Erdbeeren gelüstet es zu blühen, und aufs Neue lieb wird dem Menschenkinde die mütterliche Erde; ein andermal ist verhüllt der Himmel, die Stürme brausen oder harter Frost zieht das Herz zusammen, unheimlich ist's draußen, es flieht das Menschenkind und sucht eine künstliche Heimath, ein warmes Gemach, und sehnt sich nach einer besseren Heimath, wo es so rauh nicht ist, wo solcher Wechsel nicht ist, es nicht so unheimlich ist, wo ein freundliches, mildes Wohnen ist in unveränderter Klarheit.</p><lb/> <p>Der Weihnachtstag, von welchem wir reden wollen, trug einen dichten, trüben Schleier, Tag schien es nicht werden zu wollen, und als es Tag war, wollte es doch nicht Tag werden, bis wieder die Nacht kam. Auch in Frau Agnes' Herz schien die Weihnachtssonne nicht. Es war eine tüchtige (praktische, würde man<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0178]
Finstern sitzen und hungrig, es ihnen zu kalt ist zum Weinen und zu trocken ums Gemüth zum Beten, sie so dasitzen in Schlotter und Elend, und es Poltert zur Thüre herein oder an die Thüre, ein wilder böser Vater, oder es pocht an die Thüre und vor derselben liegt auch eine Bescherung: ein bewußtloser Vater, den man hineintragen muß als Weihnachtsbescherung mitten unter die Kinder, die im Dunkeln sitzen und in Schlotter und Elend. O, wie so anders geht es zu auf der gleichen Erde und zur selben Stunde! Verschieden gehen auch die heiligen Tage über die Erde hin: einmal leuchtet am klaren Himmel die Sonne, lieblich ist's, Erdbeeren gelüstet es zu blühen, und aufs Neue lieb wird dem Menschenkinde die mütterliche Erde; ein andermal ist verhüllt der Himmel, die Stürme brausen oder harter Frost zieht das Herz zusammen, unheimlich ist's draußen, es flieht das Menschenkind und sucht eine künstliche Heimath, ein warmes Gemach, und sehnt sich nach einer besseren Heimath, wo es so rauh nicht ist, wo solcher Wechsel nicht ist, es nicht so unheimlich ist, wo ein freundliches, mildes Wohnen ist in unveränderter Klarheit.
Der Weihnachtstag, von welchem wir reden wollen, trug einen dichten, trüben Schleier, Tag schien es nicht werden zu wollen, und als es Tag war, wollte es doch nicht Tag werden, bis wieder die Nacht kam. Auch in Frau Agnes' Herz schien die Weihnachtssonne nicht. Es war eine tüchtige (praktische, würde man
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