Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

konnte, eine zu träumen, eine Kunst, welche wirklich im Stande wäre, manchem Rednertalent beträchtlich auf die Beine zu helfen. Er träumte wirklich, aber leider keine Rede, er hatte aber auch keine nöthig; er träumte von einem großen schwarzen Eber, er sah ihn durch die Büsche brechen, er streckte ihm den Speer entgegen, der Speer glitt ab, Kurt glitt aus, mit seinen Hauern hieb der Eber Kurt in die Seite; er fuhr auf und vor ihm hielt auf hohem Rosse ein stolzer Ritter, der ihn mit der Lanze etwas unsanft geweckt hatte. Kurt verstand sonst nicht Spaß und hätte ein solch Wecken sich gern verbeten, aber er war zu verblüfft dazu und gab knurrigen Bescheid auf die gestellten Fragen. Als der Ritter vernommen, wer der große Bursche sei, und was er da wolle, was Kurt auch ohne Rückhalt sagte, lud der Ritter ihn ein, mit ihm zu reiten, wo er ein besseres Leben und reichere Beute fände, denn er sei der Freiherr von Regensperg. Gerade der war Zürich's mächtigster und kühnster Feind.

Solchen Reichthum und prächtigen Haushalt hatte Kurt nie gesehen, wie er ihn in Regensperg fand. Da war des Herrn von Denz Wohnsitz Bettlerwerk dagegen, ein solch bewegtes Leben hatte er sich kaum geträumt: Jagden, Fehden, Besuche wechselten jeden Tag, und wenn irgendwie eine ruhige Beschäftigung vorgenommen wurde, so war es eine in der Halle hinter dem Humpen, wobei es oft laut genug herging. Soe

konnte, eine zu träumen, eine Kunst, welche wirklich im Stande wäre, manchem Rednertalent beträchtlich auf die Beine zu helfen. Er träumte wirklich, aber leider keine Rede, er hatte aber auch keine nöthig; er träumte von einem großen schwarzen Eber, er sah ihn durch die Büsche brechen, er streckte ihm den Speer entgegen, der Speer glitt ab, Kurt glitt aus, mit seinen Hauern hieb der Eber Kurt in die Seite; er fuhr auf und vor ihm hielt auf hohem Rosse ein stolzer Ritter, der ihn mit der Lanze etwas unsanft geweckt hatte. Kurt verstand sonst nicht Spaß und hätte ein solch Wecken sich gern verbeten, aber er war zu verblüfft dazu und gab knurrigen Bescheid auf die gestellten Fragen. Als der Ritter vernommen, wer der große Bursche sei, und was er da wolle, was Kurt auch ohne Rückhalt sagte, lud der Ritter ihn ein, mit ihm zu reiten, wo er ein besseres Leben und reichere Beute fände, denn er sei der Freiherr von Regensperg. Gerade der war Zürich's mächtigster und kühnster Feind.

Solchen Reichthum und prächtigen Haushalt hatte Kurt nie gesehen, wie er ihn in Regensperg fand. Da war des Herrn von Denz Wohnsitz Bettlerwerk dagegen, ein solch bewegtes Leben hatte er sich kaum geträumt: Jagden, Fehden, Besuche wechselten jeden Tag, und wenn irgendwie eine ruhige Beschäftigung vorgenommen wurde, so war es eine in der Halle hinter dem Humpen, wobei es oft laut genug herging. Soe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="0">
        <p><pb facs="#f0046"/>
konnte, eine zu träumen, eine                     Kunst, welche wirklich im Stande wäre, manchem Rednertalent beträchtlich auf die                     Beine zu helfen. Er träumte wirklich, aber leider keine Rede, er hatte aber auch                     keine nöthig; er träumte von einem großen schwarzen Eber, er sah ihn durch die                     Büsche brechen, er streckte ihm den Speer entgegen, der Speer glitt ab, Kurt                     glitt aus, mit seinen Hauern hieb der Eber Kurt in die Seite; er fuhr auf und                     vor ihm hielt auf hohem Rosse ein stolzer Ritter, der ihn mit der Lanze etwas                     unsanft geweckt hatte. Kurt verstand sonst nicht Spaß und hätte ein solch Wecken                     sich gern verbeten, aber er war zu verblüfft dazu und gab knurrigen Bescheid auf                     die gestellten Fragen. Als der Ritter vernommen, wer der große Bursche sei, und                     was er da wolle, was Kurt auch ohne Rückhalt sagte, lud der Ritter ihn ein, mit                     ihm zu reiten, wo er ein besseres Leben und reichere Beute fände, denn er sei                     der Freiherr von Regensperg. Gerade der war Zürich's mächtigster und kühnster                     Feind.</p><lb/>
        <p>Solchen Reichthum und prächtigen Haushalt hatte Kurt nie gesehen, wie er ihn in                     Regensperg fand. Da war des Herrn von Denz Wohnsitz Bettlerwerk dagegen, ein                     solch bewegtes Leben hatte er sich kaum geträumt: Jagden, Fehden, Besuche                     wechselten jeden Tag, und wenn irgendwie eine ruhige Beschäftigung vorgenommen                     wurde, so war es eine in der Halle hinter dem Humpen, wobei es oft laut genug                     herging. Soe<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0046] konnte, eine zu träumen, eine Kunst, welche wirklich im Stande wäre, manchem Rednertalent beträchtlich auf die Beine zu helfen. Er träumte wirklich, aber leider keine Rede, er hatte aber auch keine nöthig; er träumte von einem großen schwarzen Eber, er sah ihn durch die Büsche brechen, er streckte ihm den Speer entgegen, der Speer glitt ab, Kurt glitt aus, mit seinen Hauern hieb der Eber Kurt in die Seite; er fuhr auf und vor ihm hielt auf hohem Rosse ein stolzer Ritter, der ihn mit der Lanze etwas unsanft geweckt hatte. Kurt verstand sonst nicht Spaß und hätte ein solch Wecken sich gern verbeten, aber er war zu verblüfft dazu und gab knurrigen Bescheid auf die gestellten Fragen. Als der Ritter vernommen, wer der große Bursche sei, und was er da wolle, was Kurt auch ohne Rückhalt sagte, lud der Ritter ihn ein, mit ihm zu reiten, wo er ein besseres Leben und reichere Beute fände, denn er sei der Freiherr von Regensperg. Gerade der war Zürich's mächtigster und kühnster Feind. Solchen Reichthum und prächtigen Haushalt hatte Kurt nie gesehen, wie er ihn in Regensperg fand. Da war des Herrn von Denz Wohnsitz Bettlerwerk dagegen, ein solch bewegtes Leben hatte er sich kaum geträumt: Jagden, Fehden, Besuche wechselten jeden Tag, und wenn irgendwie eine ruhige Beschäftigung vorgenommen wurde, so war es eine in der Halle hinter dem Humpen, wobei es oft laut genug herging. Soe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T09:57:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T09:57:28Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/46
Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/46>, abgerufen am 21.11.2024.