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Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sie käme aus dem Grabe und drehte ihm den Hals um! Brigge, sagte der Alte, thue nicht so, daß Kurt dich nicht mag, bin ich nicht schuld. Weißt du einen Andern, der dich mag, so bring' mir ihn, ihr sollt meinen Segen haben, lieber heute schon als morgen. -- Aber jetzt war's, als ob die Brigitte selbst ein Pulverthurm sei, in welchen der Blitz geschlagen, sie fuhr auf, zur Thüre hinaus, schrie und drohte, sie wolle auch zur Welt hinaus, wolle nicht mehr in der Welt sein, wo solche Väter lebten, wie sie einen hätte. Indessen, ob das Wasser zu naß war, die Bäume zu hoch, der Thurm zu schwindlicht, oder ihre Füße ihr den Dienst versagten, ist unbekannt geblieben, aber kurz, Brigitte lief nicht zur Welt hinaus, lief bloß dem Kurt nach, wollte sehen, wie weit oder nahe Agnes bei ihm saß. Der alte Herr lief ihr nicht nach, blieb gemüthlich sitzen und dachte über das Ding des Weiteren. Es schien überhaupt eine Zeit gewesen zu sein, welche dem Denken günstig war, so wie es wiederum Zeiten giebt, wo Niemand, selbst die nicht, welche sich am weisesten dünken, zu denken scheinen der Nase lang. Selbst Kurt dachte damals. Da war er nun wieder, nach mehr als zweijährigem Herumtreiben, nicht ganz zwei Stunden weit von seinem verfallenen Neste und ohne Ruhm und ohne Beute; der alte Hengst war in St. Urban, den jungen hatte der Kukuk zu Langenthal geholt; der Helm war zerschlagen, der Kopf beinahe mit; sollte er barhaupt und zu Fuß, einem

sie käme aus dem Grabe und drehte ihm den Hals um! Brigge, sagte der Alte, thue nicht so, daß Kurt dich nicht mag, bin ich nicht schuld. Weißt du einen Andern, der dich mag, so bring' mir ihn, ihr sollt meinen Segen haben, lieber heute schon als morgen. — Aber jetzt war's, als ob die Brigitte selbst ein Pulverthurm sei, in welchen der Blitz geschlagen, sie fuhr auf, zur Thüre hinaus, schrie und drohte, sie wolle auch zur Welt hinaus, wolle nicht mehr in der Welt sein, wo solche Väter lebten, wie sie einen hätte. Indessen, ob das Wasser zu naß war, die Bäume zu hoch, der Thurm zu schwindlicht, oder ihre Füße ihr den Dienst versagten, ist unbekannt geblieben, aber kurz, Brigitte lief nicht zur Welt hinaus, lief bloß dem Kurt nach, wollte sehen, wie weit oder nahe Agnes bei ihm saß. Der alte Herr lief ihr nicht nach, blieb gemüthlich sitzen und dachte über das Ding des Weiteren. Es schien überhaupt eine Zeit gewesen zu sein, welche dem Denken günstig war, so wie es wiederum Zeiten giebt, wo Niemand, selbst die nicht, welche sich am weisesten dünken, zu denken scheinen der Nase lang. Selbst Kurt dachte damals. Da war er nun wieder, nach mehr als zweijährigem Herumtreiben, nicht ganz zwei Stunden weit von seinem verfallenen Neste und ohne Ruhm und ohne Beute; der alte Hengst war in St. Urban, den jungen hatte der Kukuk zu Langenthal geholt; der Helm war zerschlagen, der Kopf beinahe mit; sollte er barhaupt und zu Fuß, einem

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[0088] sie käme aus dem Grabe und drehte ihm den Hals um! Brigge, sagte der Alte, thue nicht so, daß Kurt dich nicht mag, bin ich nicht schuld. Weißt du einen Andern, der dich mag, so bring' mir ihn, ihr sollt meinen Segen haben, lieber heute schon als morgen. — Aber jetzt war's, als ob die Brigitte selbst ein Pulverthurm sei, in welchen der Blitz geschlagen, sie fuhr auf, zur Thüre hinaus, schrie und drohte, sie wolle auch zur Welt hinaus, wolle nicht mehr in der Welt sein, wo solche Väter lebten, wie sie einen hätte. Indessen, ob das Wasser zu naß war, die Bäume zu hoch, der Thurm zu schwindlicht, oder ihre Füße ihr den Dienst versagten, ist unbekannt geblieben, aber kurz, Brigitte lief nicht zur Welt hinaus, lief bloß dem Kurt nach, wollte sehen, wie weit oder nahe Agnes bei ihm saß. Der alte Herr lief ihr nicht nach, blieb gemüthlich sitzen und dachte über das Ding des Weiteren. Es schien überhaupt eine Zeit gewesen zu sein, welche dem Denken günstig war, so wie es wiederum Zeiten giebt, wo Niemand, selbst die nicht, welche sich am weisesten dünken, zu denken scheinen der Nase lang. Selbst Kurt dachte damals. Da war er nun wieder, nach mehr als zweijährigem Herumtreiben, nicht ganz zwei Stunden weit von seinem verfallenen Neste und ohne Ruhm und ohne Beute; der alte Hengst war in St. Urban, den jungen hatte der Kukuk zu Langenthal geholt; der Helm war zerschlagen, der Kopf beinahe mit; sollte er barhaupt und zu Fuß, einem

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T09:57:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T09:57:28Z)

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/88>, abgerufen am 15.05.2024.