Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

so viel Geld galt, so verkauften es die Leute lieber als
daß sie es verschenkten. Sonst hatten gute Leute dem
Vater immer ein dürres Tannli gegeben oder erlaubt,
einige Bäume aufzuschneiden, jetzt aber wollte ihm
Niemand etwas erlauben, alle Leute hatten alles selber
zu brauchen, wie sie sagten. Aber was sollen die
armen Leute anfangen, wenn man ihnen, je theurer
das Holz wird, desto weniger schenkt, wenn kein Ver¬
dienst mehr beim Spinnen ist, und die alten Oefen
in den kleinen Häuschen immer schlechter werden, sagte
die Großmutter. Was die armen Leute im schlechten
Häuschen anfangen wollten, wußten sie selbst nicht.
Es war so kalt bei ihnen, Biecht an allen Wänden,
und wenn sie heizten, so ward es so feucht und naß
und bald wieder um so kälter, und ihre Betten waren
so schlecht und dünn, daß sie fast Tag und Nacht schlot¬
terten, die armen Leute.

"Wenn der Vater den ganzen Tag in der Kälte
gearbeitet hatte in seinen dünnen Kleidern, so fand er
daheim keinen warmen Ofen, kein gutes Bett, wo er
recht erwarmen konnte; kalt mußte er am Morgen wie¬
der in die Kälte hinaus. Aber eines Morgens konnte
der Vater nicht mehr fort, ein schreckliches Fieber kam
ihn an, bald war ihm, als ob er im Feuer läge, bald
als ob er zu einem Eiszapfen werden sollte, und als
ob man ihn mit Spießen gusle; bald schüttelte es ihn,
daß fast das Häuschen zitterte, bald kam er in Angst,
daß es ihm zu eng ward im Häuschen. Da ward es
seiner Frau und den Kindern gar Angst um den Aetti,
sie stunden um das Bett herum und fragten alle Augen¬
blick: o Aetti, Aetti besserts no nüt? Die Mutter hatte
in einem Säckli noch ein Hämpfeli Bocksbart, und von
dem machte sie geschwind Thee und gab ihm ein davon;

ſo viel Geld galt, ſo verkauften es die Leute lieber als
daß ſie es verſchenkten. Sonſt hatten gute Leute dem
Vater immer ein dürres Tannli gegeben oder erlaubt,
einige Bäume aufzuſchneiden, jetzt aber wollte ihm
Niemand etwas erlauben, alle Leute hatten alles ſelber
zu brauchen, wie ſie ſagten. Aber was ſollen die
armen Leute anfangen, wenn man ihnen, je theurer
das Holz wird, deſto weniger ſchenkt, wenn kein Ver¬
dienſt mehr beim Spinnen iſt, und die alten Oefen
in den kleinen Häuschen immer ſchlechter werden, ſagte
die Großmutter. Was die armen Leute im ſchlechten
Häuschen anfangen wollten, wußten ſie ſelbſt nicht.
Es war ſo kalt bei ihnen, Biecht an allen Wänden,
und wenn ſie heizten, ſo ward es ſo feucht und naß
und bald wieder um ſo kälter, und ihre Betten waren
ſo ſchlecht und dünn, daß ſie faſt Tag und Nacht ſchlot¬
terten, die armen Leute.

„Wenn der Vater den ganzen Tag in der Kälte
gearbeitet hatte in ſeinen dünnen Kleidern, ſo fand er
daheim keinen warmen Ofen, kein gutes Bett, wo er
recht erwarmen konnte; kalt mußte er am Morgen wie¬
der in die Kälte hinaus. Aber eines Morgens konnte
der Vater nicht mehr fort, ein ſchreckliches Fieber kam
ihn an, bald war ihm, als ob er im Feuer läge, bald
als ob er zu einem Eiszapfen werden ſollte, und als
ob man ihn mit Spießen gusle; bald ſchüttelte es ihn,
daß faſt das Häuschen zitterte, bald kam er in Angſt,
daß es ihm zu eng ward im Häuschen. Da ward es
ſeiner Frau und den Kindern gar Angſt um den Aetti,
ſie ſtunden um das Bett herum und fragten alle Augen¬
blick: o Aetti, Aetti beſſerts no nüt? Die Mutter hatte
in einem Säckli noch ein Hämpfeli Bocksbart, und von
dem machte ſie geſchwind Thee und gab ihm ein davon;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0151" n="141"/>
&#x017F;o viel Geld galt, &#x017F;o verkauften es die Leute lieber als<lb/>
daß &#x017F;ie es ver&#x017F;chenkten. Son&#x017F;t hatten gute Leute dem<lb/>
Vater immer ein dürres Tannli gegeben oder erlaubt,<lb/>
einige Bäume aufzu&#x017F;chneiden, jetzt aber wollte ihm<lb/>
Niemand etwas erlauben, alle Leute hatten alles &#x017F;elber<lb/>
zu brauchen, wie &#x017F;ie &#x017F;agten. Aber was &#x017F;ollen die<lb/>
armen Leute anfangen, wenn man ihnen, je theurer<lb/>
das Holz wird, de&#x017F;to weniger &#x017F;chenkt, wenn kein Ver¬<lb/>
dien&#x017F;t mehr beim Spinnen i&#x017F;t, und die alten Oefen<lb/>
in den kleinen Häuschen immer &#x017F;chlechter werden, &#x017F;agte<lb/>
die Großmutter. Was die armen Leute im &#x017F;chlechten<lb/>
Häuschen anfangen wollten, wußten &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t nicht.<lb/>
Es war &#x017F;o kalt bei ihnen, Biecht an allen Wänden,<lb/>
und wenn &#x017F;ie heizten, &#x017F;o ward es &#x017F;o feucht und naß<lb/>
und bald wieder um &#x017F;o kälter, und ihre Betten waren<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chlecht und dünn, daß &#x017F;ie fa&#x017F;t Tag und Nacht &#x017F;chlot¬<lb/>
terten, die armen Leute.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wenn der Vater den ganzen Tag in der Kälte<lb/>
gearbeitet hatte in &#x017F;einen dünnen Kleidern, &#x017F;o fand er<lb/>
daheim keinen warmen Ofen, kein gutes Bett, wo er<lb/>
recht erwarmen konnte; kalt mußte er am Morgen wie¬<lb/>
der in die Kälte hinaus. Aber eines Morgens konnte<lb/>
der Vater nicht mehr fort, ein &#x017F;chreckliches Fieber kam<lb/>
ihn an, bald war ihm, als ob er im Feuer läge, bald<lb/>
als ob er zu einem Eiszapfen werden &#x017F;ollte, und als<lb/>
ob man ihn mit Spießen gusle; bald &#x017F;chüttelte es ihn,<lb/>
daß fa&#x017F;t das Häuschen zitterte, bald kam er in Ang&#x017F;t,<lb/>
daß es ihm zu eng ward im Häuschen. Da ward es<lb/>
&#x017F;einer Frau und den Kindern gar Ang&#x017F;t um den Aetti,<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;tunden um das Bett herum und fragten alle Augen¬<lb/>
blick: o Aetti, Aetti be&#x017F;&#x017F;erts no nüt? Die Mutter hatte<lb/>
in einem Säckli noch ein Hämpfeli Bocksbart, und von<lb/>
dem machte &#x017F;ie ge&#x017F;chwind Thee und gab ihm ein davon;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0151] ſo viel Geld galt, ſo verkauften es die Leute lieber als daß ſie es verſchenkten. Sonſt hatten gute Leute dem Vater immer ein dürres Tannli gegeben oder erlaubt, einige Bäume aufzuſchneiden, jetzt aber wollte ihm Niemand etwas erlauben, alle Leute hatten alles ſelber zu brauchen, wie ſie ſagten. Aber was ſollen die armen Leute anfangen, wenn man ihnen, je theurer das Holz wird, deſto weniger ſchenkt, wenn kein Ver¬ dienſt mehr beim Spinnen iſt, und die alten Oefen in den kleinen Häuschen immer ſchlechter werden, ſagte die Großmutter. Was die armen Leute im ſchlechten Häuschen anfangen wollten, wußten ſie ſelbſt nicht. Es war ſo kalt bei ihnen, Biecht an allen Wänden, und wenn ſie heizten, ſo ward es ſo feucht und naß und bald wieder um ſo kälter, und ihre Betten waren ſo ſchlecht und dünn, daß ſie faſt Tag und Nacht ſchlot¬ terten, die armen Leute. „Wenn der Vater den ganzen Tag in der Kälte gearbeitet hatte in ſeinen dünnen Kleidern, ſo fand er daheim keinen warmen Ofen, kein gutes Bett, wo er recht erwarmen konnte; kalt mußte er am Morgen wie¬ der in die Kälte hinaus. Aber eines Morgens konnte der Vater nicht mehr fort, ein ſchreckliches Fieber kam ihn an, bald war ihm, als ob er im Feuer läge, bald als ob er zu einem Eiszapfen werden ſollte, und als ob man ihn mit Spießen gusle; bald ſchüttelte es ihn, daß faſt das Häuschen zitterte, bald kam er in Angſt, daß es ihm zu eng ward im Häuschen. Da ward es ſeiner Frau und den Kindern gar Angſt um den Aetti, ſie ſtunden um das Bett herum und fragten alle Augen¬ blick: o Aetti, Aetti beſſerts no nüt? Die Mutter hatte in einem Säckli noch ein Hämpfeli Bocksbart, und von dem machte ſie geſchwind Thee und gab ihm ein davon;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/151
Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/151>, abgerufen am 21.11.2024.