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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

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wenn sie ihre Arbeit muthwillig verdoppeln konnten, so
sparten sie es nicht, und hatten dann große Freude an
ihrer Angst, an ihrem Schweiß.

"Endlich war das Schloß fertig, fünf Ellen dick die
Mauren, Niemand wußte, warum es da oben stand,
aber die Bauren waren froh, daß es einmal stand, wenn
es doch stehen mußte, der letzte Nagel geschlagen, der
letzte Ziegel oben war.

"Sie wischten sich den Schweiß von den Stirnen,
sahen mit betrübtem Herzen sich um in ihrem Besitz¬
thum, sahen seufzend wie weit der unselige Bau sie zu¬
rückgebracht. Aber war doch ein langer Sommer vor
ihnen und Gott über ihnen, darum faßten sie Muth
und kräftig den Pflug, und trösteten Weib und Kind,
die schweren Hunger gelitten, und denen Arbeit eine
neue Pein schien.

"Aber kaum hatten sie den Pflug ins Feld geführt,
so kam Botschaft, daß alle Hofbauren eines Abends zur
bestimmten Stunde im Schlosse zu Sumiswald sich ein¬
finden sollten. Sie bangten und hofften. Freilich hatten
sie von den gegenwärtigen Bewohnern des Schlosses noch
nichts Gutes genossen, sondern lauter Muthwillen und
Härte, aber es dünkte sie billig, daß die Herren ihnen
etwas thäten für den unerhörten Frohndienst, und weil
es sie so dünkte, so meinten viele, es dünke die Herren
auch so, und sie werden an selbem Abend ihnen ein
Geschenk machen oder einen Nachlaß verkünden wollen.

"Sie fanden sich am bestimmten Abend zeitig und
mit klopfendem Herzen ein, mußten aber lange warten
im Schloßhofe, den Knechten zum Gespött. Die Knechte
waren auch im Heidenlande gewesen. Zudem wird es
gewesen sein wie jetzt, wo jedes halbbatzige Herren¬

wenn ſie ihre Arbeit muthwillig verdoppeln konnten, ſo
ſparten ſie es nicht, und hatten dann große Freude an
ihrer Angſt, an ihrem Schweiß.

„Endlich war das Schloß fertig, fünf Ellen dick die
Mauren, Niemand wußte, warum es da oben ſtand,
aber die Bauren waren froh, daß es einmal ſtand, wenn
es doch ſtehen mußte, der letzte Nagel geſchlagen, der
letzte Ziegel oben war.

„Sie wiſchten ſich den Schweiß von den Stirnen,
ſahen mit betrübtem Herzen ſich um in ihrem Beſitz¬
thum, ſahen ſeufzend wie weit der unſelige Bau ſie zu¬
rückgebracht. Aber war doch ein langer Sommer vor
ihnen und Gott über ihnen, darum faßten ſie Muth
und kräftig den Pflug, und tröſteten Weib und Kind,
die ſchweren Hunger gelitten, und denen Arbeit eine
neue Pein ſchien.

„Aber kaum hatten ſie den Pflug ins Feld geführt,
ſo kam Botſchaft, daß alle Hofbauren eines Abends zur
beſtimmten Stunde im Schloſſe zu Sumiswald ſich ein¬
finden ſollten. Sie bangten und hofften. Freilich hatten
ſie von den gegenwärtigen Bewohnern des Schloſſes noch
nichts Gutes genoſſen, ſondern lauter Muthwillen und
Härte, aber es dünkte ſie billig, daß die Herren ihnen
etwas thäten für den unerhörten Frohndienſt, und weil
es ſie ſo dünkte, ſo meinten viele, es dünke die Herren
auch ſo, und ſie werden an ſelbem Abend ihnen ein
Geſchenk machen oder einen Nachlaß verkünden wollen.

„Sie fanden ſich am beſtimmten Abend zeitig und
mit klopfendem Herzen ein, mußten aber lange warten
im Schloßhofe, den Knechten zum Geſpött. Die Knechte
waren auch im Heidenlande geweſen. Zudem wird es
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[28/0038] wenn ſie ihre Arbeit muthwillig verdoppeln konnten, ſo ſparten ſie es nicht, und hatten dann große Freude an ihrer Angſt, an ihrem Schweiß. „Endlich war das Schloß fertig, fünf Ellen dick die Mauren, Niemand wußte, warum es da oben ſtand, aber die Bauren waren froh, daß es einmal ſtand, wenn es doch ſtehen mußte, der letzte Nagel geſchlagen, der letzte Ziegel oben war. „Sie wiſchten ſich den Schweiß von den Stirnen, ſahen mit betrübtem Herzen ſich um in ihrem Beſitz¬ thum, ſahen ſeufzend wie weit der unſelige Bau ſie zu¬ rückgebracht. Aber war doch ein langer Sommer vor ihnen und Gott über ihnen, darum faßten ſie Muth und kräftig den Pflug, und tröſteten Weib und Kind, die ſchweren Hunger gelitten, und denen Arbeit eine neue Pein ſchien. „Aber kaum hatten ſie den Pflug ins Feld geführt, ſo kam Botſchaft, daß alle Hofbauren eines Abends zur beſtimmten Stunde im Schloſſe zu Sumiswald ſich ein¬ finden ſollten. Sie bangten und hofften. Freilich hatten ſie von den gegenwärtigen Bewohnern des Schloſſes noch nichts Gutes genoſſen, ſondern lauter Muthwillen und Härte, aber es dünkte ſie billig, daß die Herren ihnen etwas thäten für den unerhörten Frohndienſt, und weil es ſie ſo dünkte, ſo meinten viele, es dünke die Herren auch ſo, und ſie werden an ſelbem Abend ihnen ein Geſchenk machen oder einen Nachlaß verkünden wollen. „Sie fanden ſich am beſtimmten Abend zeitig und mit klopfendem Herzen ein, mußten aber lange warten im Schloßhofe, den Knechten zum Geſpött. Die Knechte waren auch im Heidenlande geweſen. Zudem wird es geweſen ſein wie jetzt, wo jedes halbbatzige Herren¬

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/38>, abgerufen am 21.11.2024.