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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

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gebracht. Dieser Glaube stieg auch bei den andern auf,
und der Jammer der jungen Weiber ging ihnen zu
Herzen, aber sie scheuten sich, dem Priester ihre Pacht
mit dem Satan zu bekennen, und Niemand war seit¬
her zur Beichte gegangen, und Niemand hatte ihm
Rede gestanden. Er war ein gar frommer Mann,
selbst die Ritter des Schlosses trieben keinen Kurzweil
mit ihm, denn er sagte ihnen die Wahrheit. Wenn
einmal die Sache gethan sei, so könne er sie nicht mehr
hindern, hatten die Bauern gedacht; aber jetzt war doch
Niemand gern der Erste, der es ihm berichtete, das
Gewissen sagte ihnen wohl warum?

"Endlich drang einem Weibe der Jammer zu Her¬
zen; es lief hin und offenbarte dem Priester den Han¬
del und des armen Weibes Wunsch. Gewaltig ent¬
setzte sich der fromme Mann, aber mit leeren Worten
verlor er die Zeit nicht; kühn trat er für eine arme
Seele in den Kampf mit dem gewaltigen Widersacher.
Er war einer von denen, die den härtesten Kampf nicht
scheuen, weil sie gekrönt werden wollen mit der Krone
des ewigen Lebens und weil sie wohl wissen, es werde
Keiner gekrönt, er kämpfe dann recht.

"Ums Haus, in welchem das Weib ihrer Stunde
harrte, zog er den heiligen Bann mit geweihtem Wasser,
den böse Geister nicht überschreiten dürfen, segnete die
Schwelle ein, die ganze Stube und ruhig gebar das
Weib, und ungestört taufte der Priester das Kind.
Ruhig blieb es auch draußen, am klaren Himmel flim¬
merten die hellen Sterne, leise Lüfte spielten in den
Bäumen. Ein wihernd Gelächter wollten die Einen
gehört haben von ferne her; die Andern aber meinten,
es seien nur die Käuzlein gewesen an des Waldes
Saum.

gebracht. Dieſer Glaube ſtieg auch bei den andern auf,
und der Jammer der jungen Weiber ging ihnen zu
Herzen, aber ſie ſcheuten ſich, dem Prieſter ihre Pacht
mit dem Satan zu bekennen, und Niemand war ſeit¬
her zur Beichte gegangen, und Niemand hatte ihm
Rede geſtanden. Er war ein gar frommer Mann,
ſelbſt die Ritter des Schloſſes trieben keinen Kurzweil
mit ihm, denn er ſagte ihnen die Wahrheit. Wenn
einmal die Sache gethan ſei, ſo könne er ſie nicht mehr
hindern, hatten die Bauern gedacht; aber jetzt war doch
Niemand gern der Erſte, der es ihm berichtete, das
Gewiſſen ſagte ihnen wohl warum?

„Endlich drang einem Weibe der Jammer zu Her¬
zen; es lief hin und offenbarte dem Prieſter den Han¬
del und des armen Weibes Wunſch. Gewaltig ent¬
ſetzte ſich der fromme Mann, aber mit leeren Worten
verlor er die Zeit nicht; kühn trat er für eine arme
Seele in den Kampf mit dem gewaltigen Widerſacher.
Er war einer von denen, die den härteſten Kampf nicht
ſcheuen, weil ſie gekrönt werden wollen mit der Krone
des ewigen Lebens und weil ſie wohl wiſſen, es werde
Keiner gekrönt, er kämpfe dann recht.

„Ums Haus, in welchem das Weib ihrer Stunde
harrte, zog er den heiligen Bann mit geweihtem Waſſer,
den böſe Geiſter nicht überſchreiten dürfen, ſegnete die
Schwelle ein, die ganze Stube und ruhig gebar das
Weib, und ungeſtört taufte der Prieſter das Kind.
Ruhig blieb es auch draußen, am klaren Himmel flim¬
merten die hellen Sterne, leiſe Lüfte ſpielten in den
Bäumen. Ein wihernd Gelächter wollten die Einen
gehört haben von ferne her; die Andern aber meinten,
es ſeien nur die Käuzlein geweſen an des Waldes
Saum.

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[53/0063] gebracht. Dieſer Glaube ſtieg auch bei den andern auf, und der Jammer der jungen Weiber ging ihnen zu Herzen, aber ſie ſcheuten ſich, dem Prieſter ihre Pacht mit dem Satan zu bekennen, und Niemand war ſeit¬ her zur Beichte gegangen, und Niemand hatte ihm Rede geſtanden. Er war ein gar frommer Mann, ſelbſt die Ritter des Schloſſes trieben keinen Kurzweil mit ihm, denn er ſagte ihnen die Wahrheit. Wenn einmal die Sache gethan ſei, ſo könne er ſie nicht mehr hindern, hatten die Bauern gedacht; aber jetzt war doch Niemand gern der Erſte, der es ihm berichtete, das Gewiſſen ſagte ihnen wohl warum? „Endlich drang einem Weibe der Jammer zu Her¬ zen; es lief hin und offenbarte dem Prieſter den Han¬ del und des armen Weibes Wunſch. Gewaltig ent¬ ſetzte ſich der fromme Mann, aber mit leeren Worten verlor er die Zeit nicht; kühn trat er für eine arme Seele in den Kampf mit dem gewaltigen Widerſacher. Er war einer von denen, die den härteſten Kampf nicht ſcheuen, weil ſie gekrönt werden wollen mit der Krone des ewigen Lebens und weil ſie wohl wiſſen, es werde Keiner gekrönt, er kämpfe dann recht. „Ums Haus, in welchem das Weib ihrer Stunde harrte, zog er den heiligen Bann mit geweihtem Waſſer, den böſe Geiſter nicht überſchreiten dürfen, ſegnete die Schwelle ein, die ganze Stube und ruhig gebar das Weib, und ungeſtört taufte der Prieſter das Kind. Ruhig blieb es auch draußen, am klaren Himmel flim¬ merten die hellen Sterne, leiſe Lüfte ſpielten in den Bäumen. Ein wihernd Gelächter wollten die Einen gehört haben von ferne her; die Andern aber meinten, es ſeien nur die Käuzlein geweſen an des Waldes Saum.

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/63>, abgerufen am 22.11.2024.