Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.sie das Kindlein geraubet. Ihren eigenen Mann hatte "Zum Hause war sie noch nicht gekommen; ob sie "Aber nicht weniger als an andern Orten war die "Das fromme Weibchen war genesen, und es zagte "Oft war es ihnen, wenn sie wachten lange Nächte ſie das Kindlein geraubet. Ihren eigenen Mann hatte „Zum Hauſe war ſie noch nicht gekommen; ob ſie „Aber nicht weniger als an andern Orten war die „Das fromme Weibchen war geneſen, und es zagte „Oft war es ihnen, wenn ſie wachten lange Nächte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0092" n="82"/> ſie das Kindlein geraubet. Ihren eigenen Mann hatte<lb/> ſie auf einſamer Weide angefallen; dort fand man ſei¬<lb/> nen Leichnam gräßlich zugerichtet, wie keinen andern,<lb/> ſeine Züge zerriſſen in unausſprechlichem Schmerze; an<lb/> ihm hatte ſie ihren gräßlichſten Zorn ausgelaſſen, das<lb/> gräßlichſte Wiederſehen dem Ehemanne bereitet. Aber<lb/> wie es zuging, hat Niemand geſehen.</p><lb/> <p>„Zum Hauſe war ſie noch nicht gekommen; ob ſie<lb/> es bis zuletzt ſparen wollte, oder ob ſie ſich ſcheute<lb/> davor, das errieth man nicht.</p><lb/> <p>„Aber nicht weniger als an andern Orten war die<lb/> Angſt dort eingekehrt.</p><lb/> <p>„Das fromme Weibchen war geneſen, und es zagte<lb/> nicht für ſich, aber faſt ſehr um ſein treues Bübchen<lb/> und deſſen Schweſterchen, und wachte über ſie Tag und<lb/> Nacht, und die treue Großmutter theilte ihre Sorgen<lb/> und Wachen. Und gemeinſam beteten ſie zu Gott,<lb/> daß er ihnen ihre Augen offen halten möchte zur Wache,<lb/> daß er ſie erleuchten und ſtärken möchte zur Rettung<lb/> der unſchuldigen Kindlein.</p><lb/> <p>„Oft war es ihnen, wenn ſie wachten lange Nächte<lb/> durch, als ſehen ſie die Spinne glimmen und glitzern<lb/> im dunkeln Winkel, als glotze ſie zum Fenſter hinein,<lb/> dann ward ihre Angſt groß, denn ſie wußten keinen<lb/> Rath, wie vor der Spinne die Kindlein ſchützen, und<lb/> um ſo brünſtiger baten ſie Gott um ſeinen Rath und<lb/> Beiſtand. Sie hatten allerlei Waffen zur Hand gelegt,<lb/> aber wie ſie hörten, daß der Stein ſeine Schwere, das<lb/> Beil ſeine Schärfe verliere, ſie wieder bei Seite gelegt.<lb/> Da kam es der Mutter immer deutlicher vor, immer<lb/> lebendiger in den Sinn: wenn Jemand es wagen<lb/> würde, die Spinne mit der Hand zu faſſen, ſo ver¬<lb/> möchte man ſie zu überwältigen. Sie hörte auch von<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [82/0092]
ſie das Kindlein geraubet. Ihren eigenen Mann hatte
ſie auf einſamer Weide angefallen; dort fand man ſei¬
nen Leichnam gräßlich zugerichtet, wie keinen andern,
ſeine Züge zerriſſen in unausſprechlichem Schmerze; an
ihm hatte ſie ihren gräßlichſten Zorn ausgelaſſen, das
gräßlichſte Wiederſehen dem Ehemanne bereitet. Aber
wie es zuging, hat Niemand geſehen.
„Zum Hauſe war ſie noch nicht gekommen; ob ſie
es bis zuletzt ſparen wollte, oder ob ſie ſich ſcheute
davor, das errieth man nicht.
„Aber nicht weniger als an andern Orten war die
Angſt dort eingekehrt.
„Das fromme Weibchen war geneſen, und es zagte
nicht für ſich, aber faſt ſehr um ſein treues Bübchen
und deſſen Schweſterchen, und wachte über ſie Tag und
Nacht, und die treue Großmutter theilte ihre Sorgen
und Wachen. Und gemeinſam beteten ſie zu Gott,
daß er ihnen ihre Augen offen halten möchte zur Wache,
daß er ſie erleuchten und ſtärken möchte zur Rettung
der unſchuldigen Kindlein.
„Oft war es ihnen, wenn ſie wachten lange Nächte
durch, als ſehen ſie die Spinne glimmen und glitzern
im dunkeln Winkel, als glotze ſie zum Fenſter hinein,
dann ward ihre Angſt groß, denn ſie wußten keinen
Rath, wie vor der Spinne die Kindlein ſchützen, und
um ſo brünſtiger baten ſie Gott um ſeinen Rath und
Beiſtand. Sie hatten allerlei Waffen zur Hand gelegt,
aber wie ſie hörten, daß der Stein ſeine Schwere, das
Beil ſeine Schärfe verliere, ſie wieder bei Seite gelegt.
Da kam es der Mutter immer deutlicher vor, immer
lebendiger in den Sinn: wenn Jemand es wagen
würde, die Spinne mit der Hand zu faſſen, ſo ver¬
möchte man ſie zu überwältigen. Sie hörte auch von
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