Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gottschalck, Friedrich: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Halle, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

durch die Seele wie ein Blitzstrahl, und sie machte sich auf und floh noch zur selben Stunde aus ihres Vaters Burg, und wollt' hinüber über die Waldhöhe nach der Kapelle zu St. Michael flüchten, zu dem alten weißhaarigen Greise, der dort einsiedelte. Bei dem wollte sie sich Raths erholen, was sie thun solle, und wie sie sich des verhaßten Ehebundes mit dem Heidenfürsten entschlagen könne.

Aber kaum war sie an die Waldhöhe gekommen mit ihrem Diener, so sprang's schnell hinter ihnen her, und als sie sich umsahen, siehe! da erkannte Notburga den weißen Hirsch, den Otto gefangen und gezähmt hatte. Und er hielt still bei der Jungfrau, und blickte sie mit Augen an, die, wie bei den Menschen, vor Freude glänzten. Und Notburga küßte das fromme Thier, als ob's ihr Otto selber wäre, und lachte und weinte

durch die Seele wie ein Blitzstrahl, und sie machte sich auf und floh noch zur selben Stunde aus ihres Vaters Burg, und wollt’ hinüber über die Waldhöhe nach der Kapelle zu St. Michael flüchten, zu dem alten weißhaarigen Greise, der dort einsiedelte. Bei dem wollte sie sich Raths erholen, was sie thun solle, und wie sie sich des verhaßten Ehebundes mit dem Heidenfürsten entschlagen könne.

Aber kaum war sie an die Waldhöhe gekommen mit ihrem Diener, so sprang’s schnell hinter ihnen her, und als sie sich umsahen, siehe! da erkannte Notburga den weißen Hirsch, den Otto gefangen und gezähmt hatte. Und er hielt still bei der Jungfrau, und blickte sie mit Augen an, die, wie bei den Menschen, vor Freude glänzten. Und Notburga küßte das fromme Thier, als ob’s ihr Otto selber wäre, und lachte und weinte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0205" n="166"/>
durch die Seele wie ein Blitzstrahl, und sie machte sich auf und floh noch zur selben Stunde aus ihres Vaters Burg, und wollt&#x2019; hinüber über die Waldhöhe nach der Kapelle zu St. Michael flüchten, zu dem alten weißhaarigen Greise, der dort einsiedelte. Bei dem wollte sie sich Raths erholen, was sie thun solle, und wie sie sich des verhaßten Ehebundes mit dem Heidenfürsten entschlagen könne.</p>
        <p>Aber kaum war sie an die Waldhöhe gekommen mit ihrem Diener, so sprang&#x2019;s schnell hinter ihnen her, und als sie sich umsahen, siehe! da erkannte Notburga den weißen Hirsch, den Otto gefangen und gezähmt hatte. Und er hielt still bei der Jungfrau, und blickte sie mit Augen an, die, wie bei den Menschen, vor Freude glänzten. Und Notburga küßte das fromme Thier, als ob&#x2019;s ihr Otto selber wäre, und lachte und weinte
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[166/0205] durch die Seele wie ein Blitzstrahl, und sie machte sich auf und floh noch zur selben Stunde aus ihres Vaters Burg, und wollt’ hinüber über die Waldhöhe nach der Kapelle zu St. Michael flüchten, zu dem alten weißhaarigen Greise, der dort einsiedelte. Bei dem wollte sie sich Raths erholen, was sie thun solle, und wie sie sich des verhaßten Ehebundes mit dem Heidenfürsten entschlagen könne. Aber kaum war sie an die Waldhöhe gekommen mit ihrem Diener, so sprang’s schnell hinter ihnen her, und als sie sich umsahen, siehe! da erkannte Notburga den weißen Hirsch, den Otto gefangen und gezähmt hatte. Und er hielt still bei der Jungfrau, und blickte sie mit Augen an, die, wie bei den Menschen, vor Freude glänzten. Und Notburga küßte das fromme Thier, als ob’s ihr Otto selber wäre, und lachte und weinte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gottschalck_sagen_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gottschalck_sagen_1814/205
Zitationshilfe: Gottschalck, Friedrich: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Halle, 1814, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschalck_sagen_1814/205>, abgerufen am 22.11.2024.