Gottschalck, Friedrich: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Halle, 1814."Komm," sprach sie, "da laß uns setzen, dicht an's Ufer, daß wir der Kühlung genießen!" und Theodiska thats. Aber kaum saß sie auf dem üppigen Rasen, so berührte sie aus den Fluthen der Zauberstab der Nixe, und die Unglückliche schwindelte hinab in die Tiefe. Ihr Angstgeschrei verhallte bald, die Nacht deckte das grausende Gemälde, und gesättigt von Rache kehrte die Rabenmutter zurück. Im Innern der Wohnung der Nixe erwachte Theodiska aus ihrer Betäubung. Sie klagte, sie jammerte, und flehte um Erbarmen. Da sprach jene: "Du sollst nicht ganz von der Erde losgerissen seyn. Bis du selbst deinen neuen Aufenthalt lieb gewinnen wirst, sende ich dich jährlich ein Mal zurück auf die Oberwelt, wo du dich in den Erntetanz mischen, und dem Jünglinge dein reines, durch keinen Unfrieden getrübtes Auge zeigen kannst." „Komm,“ sprach sie, „da laß uns setzen, dicht an’s Ufer, daß wir der Kühlung genießen!“ und Theodiska thats. Aber kaum saß sie auf dem üppigen Rasen, so berührte sie aus den Fluthen der Zauberstab der Nixe, und die Unglückliche schwindelte hinab in die Tiefe. Ihr Angstgeschrei verhallte bald, die Nacht deckte das grausende Gemälde, und gesättigt von Rache kehrte die Rabenmutter zurück. Im Innern der Wohnung der Nixe erwachte Theodiska aus ihrer Betäubung. Sie klagte, sie jammerte, und flehte um Erbarmen. Da sprach jene: „Du sollst nicht ganz von der Erde losgerissen seyn. Bis du selbst deinen neuen Aufenthalt lieb gewinnen wirst, sende ich dich jährlich ein Mal zurück auf die Oberwelt, wo du dich in den Erntetanz mischen, und dem Jünglinge dein reines, durch keinen Unfrieden getrübtes Auge zeigen kannst.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0354" n="315"/> <p>„Komm,“ sprach sie, „da laß uns setzen, dicht an’s Ufer, daß wir der Kühlung genießen!“ und Theodiska thats. Aber kaum saß sie auf dem üppigen Rasen, so berührte sie aus den Fluthen der Zauberstab der Nixe, und die Unglückliche schwindelte hinab in die Tiefe. Ihr Angstgeschrei verhallte bald, die Nacht deckte das grausende Gemälde, und gesättigt von Rache kehrte die Rabenmutter zurück.</p> <p>Im Innern der Wohnung der Nixe erwachte Theodiska aus ihrer Betäubung. Sie klagte, sie jammerte, und flehte um Erbarmen. Da sprach jene:</p> <p>„Du sollst nicht ganz von der Erde losgerissen seyn. Bis du selbst deinen neuen Aufenthalt lieb gewinnen wirst, sende ich dich jährlich ein Mal zurück auf die Oberwelt, wo du dich in den Erntetanz mischen, und dem Jünglinge dein reines, durch keinen Unfrieden getrübtes Auge zeigen kannst.“</p> </div> </body> </text> </TEI> [315/0354]
„Komm,“ sprach sie, „da laß uns setzen, dicht an’s Ufer, daß wir der Kühlung genießen!“ und Theodiska thats. Aber kaum saß sie auf dem üppigen Rasen, so berührte sie aus den Fluthen der Zauberstab der Nixe, und die Unglückliche schwindelte hinab in die Tiefe. Ihr Angstgeschrei verhallte bald, die Nacht deckte das grausende Gemälde, und gesättigt von Rache kehrte die Rabenmutter zurück.
Im Innern der Wohnung der Nixe erwachte Theodiska aus ihrer Betäubung. Sie klagte, sie jammerte, und flehte um Erbarmen. Da sprach jene:
„Du sollst nicht ganz von der Erde losgerissen seyn. Bis du selbst deinen neuen Aufenthalt lieb gewinnen wirst, sende ich dich jährlich ein Mal zurück auf die Oberwelt, wo du dich in den Erntetanz mischen, und dem Jünglinge dein reines, durch keinen Unfrieden getrübtes Auge zeigen kannst.“
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