pgo_X.001 bei weitem zu überschreiten; aber ebensowenig ist eine durchgreifende pgo_X.002 Darstellung der einzelnen Dichtgattungen möglich ohne eine Charakteristik pgo_X.003 der hervorragenden Dichter, die sich in ihnen ausgezeichnet! Erst pgo_X.004 das lebensvoll erläuterte Dichtwerk selbst macht den Begriff der Gattung pgo_X.005 klar; den historischen Entwickelungsgang nachzuweisen, ist oft wesentlicher, pgo_X.006 als in der Luft schwebende Begriffsbestimmungen festzuhalten. Auch pgo_X.007 würde die Kenntniß der Poesie und ihrer Gattungen eine mangelhafte pgo_X.008 bleiben, wenn die Namen ihrer Hauptvertreter auf jedem Gebiete nicht pgo_X.009 genannt würden. So kam es vorzüglich auf ein richtiges Maaßhalten pgo_X.010 an und darauf, alles literarhistorische Detail abzuweisen und nur den pgo_X.011 Grundcharakter der Dichter und Dichtungen zu entwickeln. Daß ich pgo_X.012 dabei vorzugsweise die Neuzeit berücksichtigt, liegt im Plan meines Werkes; pgo_X.013 und in der That, was könnte eine Poetik nützen, welche die Dichter, pgo_X.014 die der Nation am nächsten stehn und sich in Aller Händen befinden, pgo_X.015 nicht erläutert, sondern ignorirt, sodaß die bekanntesten Werke nicht einmal pgo_X.016 in die alten Rubriken passen wollen? Jn Bezug auf den zweiten pgo_X.017 Punkt war ich fest entschlossen, meine Poetik nicht nach Gottsched's pgo_X.018 Beispiel in eine Anthologie zu verwandeln. An Blumenlesen fehlt es in pgo_X.019 neuer Zeit nicht -- und über das Lyrische kann überhaupt keine Beispielsammlung pgo_X.020 hinausgehn. Proben aus epischen und dramatischen Dichtungen pgo_X.021 können nie das Wesen des Epos und Drama erläutern. Auch pgo_X.022 war es nicht meine Absicht, in dieser bequemen Weise um die Gunst des pgo_X.023 Publikums zu buhlen. Solche mit sparsamem kritischem Text durchschossene pgo_X.024 Anthologieen können auf den Namen einer Poetik keinen Anspruch pgo_X.025 machen. Und wie beschränkt ist bei diesen ausgedehnten Mittheilungen pgo_X.026 doch der Dichterkreis, den sie vertreten! Wie wenig wird durch solche pgo_X.027 äußerliche Zusammenstellung, wo oben die dürftige Regel und drunter pgo_X.028 ohne weitere Vermittelung die in aller Ausführlichkeit abgedruckten Beispiele pgo_X.029 stehn, das kritische Verständniß der Dichter gefordert! Das Beispiel, pgo_X.030 das die Regel erläutern soll, muß nicht in behaglicher Breite neben sie
pgo_X.001 bei weitem zu überschreiten; aber ebensowenig ist eine durchgreifende pgo_X.002 Darstellung der einzelnen Dichtgattungen möglich ohne eine Charakteristik pgo_X.003 der hervorragenden Dichter, die sich in ihnen ausgezeichnet! Erst pgo_X.004 das lebensvoll erläuterte Dichtwerk selbst macht den Begriff der Gattung pgo_X.005 klar; den historischen Entwickelungsgang nachzuweisen, ist oft wesentlicher, pgo_X.006 als in der Luft schwebende Begriffsbestimmungen festzuhalten. Auch pgo_X.007 würde die Kenntniß der Poesie und ihrer Gattungen eine mangelhafte pgo_X.008 bleiben, wenn die Namen ihrer Hauptvertreter auf jedem Gebiete nicht pgo_X.009 genannt würden. So kam es vorzüglich auf ein richtiges Maaßhalten pgo_X.010 an und darauf, alles literarhistorische Detail abzuweisen und nur den pgo_X.011 Grundcharakter der Dichter und Dichtungen zu entwickeln. Daß ich pgo_X.012 dabei vorzugsweise die Neuzeit berücksichtigt, liegt im Plan meines Werkes; pgo_X.013 und in der That, was könnte eine Poetik nützen, welche die Dichter, pgo_X.014 die der Nation am nächsten stehn und sich in Aller Händen befinden, pgo_X.015 nicht erläutert, sondern ignorirt, sodaß die bekanntesten Werke nicht einmal pgo_X.016 in die alten Rubriken passen wollen? Jn Bezug auf den zweiten pgo_X.017 Punkt war ich fest entschlossen, meine Poetik nicht nach Gottsched's pgo_X.018 Beispiel in eine Anthologie zu verwandeln. An Blumenlesen fehlt es in pgo_X.019 neuer Zeit nicht — und über das Lyrische kann überhaupt keine Beispielsammlung pgo_X.020 hinausgehn. Proben aus epischen und dramatischen Dichtungen pgo_X.021 können nie das Wesen des Epos und Drama erläutern. Auch pgo_X.022 war es nicht meine Absicht, in dieser bequemen Weise um die Gunst des pgo_X.023 Publikums zu buhlen. Solche mit sparsamem kritischem Text durchschossene pgo_X.024 Anthologieen können auf den Namen einer Poetik keinen Anspruch pgo_X.025 machen. Und wie beschränkt ist bei diesen ausgedehnten Mittheilungen pgo_X.026 doch der Dichterkreis, den sie vertreten! Wie wenig wird durch solche pgo_X.027 äußerliche Zusammenstellung, wo oben die dürftige Regel und drunter pgo_X.028 ohne weitere Vermittelung die in aller Ausführlichkeit abgedruckten Beispiele pgo_X.029 stehn, das kritische Verständniß der Dichter gefordert! Das Beispiel, pgo_X.030 das die Regel erläutern soll, muß nicht in behaglicher Breite neben sie
<TEI><text><front><divtype="preface"><p><pbfacs="#f0016"n="RX"/><lbn="pgo_X.001"/>
bei weitem zu überschreiten; aber ebensowenig ist eine durchgreifende <lbn="pgo_X.002"/>
Darstellung der einzelnen Dichtgattungen möglich ohne eine Charakteristik <lbn="pgo_X.003"/>
der hervorragenden Dichter, die sich in ihnen ausgezeichnet! Erst <lbn="pgo_X.004"/>
das lebensvoll erläuterte Dichtwerk selbst macht den Begriff der Gattung <lbn="pgo_X.005"/>
klar; den historischen Entwickelungsgang nachzuweisen, ist oft wesentlicher, <lbn="pgo_X.006"/>
als in der Luft schwebende Begriffsbestimmungen festzuhalten. Auch <lbn="pgo_X.007"/>
würde die Kenntniß der Poesie und ihrer Gattungen eine mangelhafte <lbn="pgo_X.008"/>
bleiben, wenn die Namen ihrer Hauptvertreter auf jedem Gebiete nicht <lbn="pgo_X.009"/>
genannt würden. So kam es vorzüglich auf ein richtiges Maaßhalten <lbn="pgo_X.010"/>
an und darauf, alles literarhistorische Detail abzuweisen und nur den <lbn="pgo_X.011"/>
Grundcharakter der Dichter und Dichtungen zu entwickeln. Daß ich <lbn="pgo_X.012"/>
dabei vorzugsweise die Neuzeit berücksichtigt, liegt im Plan meines Werkes; <lbn="pgo_X.013"/>
und in der That, was könnte eine Poetik nützen, welche die Dichter, <lbn="pgo_X.014"/>
die der Nation am nächsten stehn und sich in Aller Händen befinden, <lbn="pgo_X.015"/>
nicht erläutert, sondern ignorirt, sodaß die bekanntesten Werke nicht einmal <lbn="pgo_X.016"/>
in die alten Rubriken passen wollen? Jn Bezug auf den zweiten <lbn="pgo_X.017"/>
Punkt war ich fest entschlossen, meine Poetik nicht nach Gottsched's <lbn="pgo_X.018"/>
Beispiel in eine Anthologie zu verwandeln. An Blumenlesen fehlt es in <lbn="pgo_X.019"/>
neuer Zeit nicht — und über das Lyrische kann überhaupt keine Beispielsammlung <lbn="pgo_X.020"/>
hinausgehn. Proben aus epischen und dramatischen Dichtungen <lbn="pgo_X.021"/>
können nie das Wesen des Epos und Drama erläutern. Auch <lbn="pgo_X.022"/>
war es nicht meine Absicht, in dieser bequemen Weise um die Gunst des <lbn="pgo_X.023"/>
Publikums zu buhlen. Solche mit sparsamem kritischem Text durchschossene <lbn="pgo_X.024"/>
Anthologieen können auf den Namen einer Poetik keinen Anspruch <lbn="pgo_X.025"/>
machen. Und wie beschränkt ist bei diesen ausgedehnten Mittheilungen <lbn="pgo_X.026"/>
doch der Dichterkreis, den sie vertreten! Wie wenig wird durch solche <lbn="pgo_X.027"/>
äußerliche Zusammenstellung, wo oben die dürftige Regel und drunter <lbn="pgo_X.028"/>
ohne weitere Vermittelung die in aller Ausführlichkeit abgedruckten Beispiele <lbn="pgo_X.029"/>
stehn, das kritische Verständniß der Dichter gefordert! Das Beispiel, <lbn="pgo_X.030"/>
das die Regel erläutern soll, muß nicht in behaglicher Breite neben sie
</p></div></front></text></TEI>
[RX/0016]
pgo_X.001
bei weitem zu überschreiten; aber ebensowenig ist eine durchgreifende pgo_X.002
Darstellung der einzelnen Dichtgattungen möglich ohne eine Charakteristik pgo_X.003
der hervorragenden Dichter, die sich in ihnen ausgezeichnet! Erst pgo_X.004
das lebensvoll erläuterte Dichtwerk selbst macht den Begriff der Gattung pgo_X.005
klar; den historischen Entwickelungsgang nachzuweisen, ist oft wesentlicher, pgo_X.006
als in der Luft schwebende Begriffsbestimmungen festzuhalten. Auch pgo_X.007
würde die Kenntniß der Poesie und ihrer Gattungen eine mangelhafte pgo_X.008
bleiben, wenn die Namen ihrer Hauptvertreter auf jedem Gebiete nicht pgo_X.009
genannt würden. So kam es vorzüglich auf ein richtiges Maaßhalten pgo_X.010
an und darauf, alles literarhistorische Detail abzuweisen und nur den pgo_X.011
Grundcharakter der Dichter und Dichtungen zu entwickeln. Daß ich pgo_X.012
dabei vorzugsweise die Neuzeit berücksichtigt, liegt im Plan meines Werkes; pgo_X.013
und in der That, was könnte eine Poetik nützen, welche die Dichter, pgo_X.014
die der Nation am nächsten stehn und sich in Aller Händen befinden, pgo_X.015
nicht erläutert, sondern ignorirt, sodaß die bekanntesten Werke nicht einmal pgo_X.016
in die alten Rubriken passen wollen? Jn Bezug auf den zweiten pgo_X.017
Punkt war ich fest entschlossen, meine Poetik nicht nach Gottsched's pgo_X.018
Beispiel in eine Anthologie zu verwandeln. An Blumenlesen fehlt es in pgo_X.019
neuer Zeit nicht — und über das Lyrische kann überhaupt keine Beispielsammlung pgo_X.020
hinausgehn. Proben aus epischen und dramatischen Dichtungen pgo_X.021
können nie das Wesen des Epos und Drama erläutern. Auch pgo_X.022
war es nicht meine Absicht, in dieser bequemen Weise um die Gunst des pgo_X.023
Publikums zu buhlen. Solche mit sparsamem kritischem Text durchschossene pgo_X.024
Anthologieen können auf den Namen einer Poetik keinen Anspruch pgo_X.025
machen. Und wie beschränkt ist bei diesen ausgedehnten Mittheilungen pgo_X.026
doch der Dichterkreis, den sie vertreten! Wie wenig wird durch solche pgo_X.027
äußerliche Zusammenstellung, wo oben die dürftige Regel und drunter pgo_X.028
ohne weitere Vermittelung die in aller Ausführlichkeit abgedruckten Beispiele pgo_X.029
stehn, das kritische Verständniß der Dichter gefordert! Das Beispiel, pgo_X.030
das die Regel erläutern soll, muß nicht in behaglicher Breite neben sie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. RX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/16>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.