Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_188.001 pgo_188.003 pgo_188.005 pgo_188.008 pgo_188.010 pgo_188.012 pgo_188.019 Gleich dem ewigen Frieden schimmert pgo_188.026 pgo_188.027Ruhig, klar und grün das Meer. Anastasius Grün. pgo_188.028Wie ein großer Gedanke sich losreißt pgo_188.029 pgo_188.032Aus dem Haupte eines Genius, pgo_188.030 Also springt aus des Kasbek steinernem Haus pgo_188.031 Der brausende Terekfluß. Bodenstedt. pgo_188.033 pgo_188.001 pgo_188.003 pgo_188.005 pgo_188.008 pgo_188.010 pgo_188.012 pgo_188.019 Gleich dem ewigen Frieden schimmert pgo_188.026 pgo_188.027Ruhig, klar und grün das Meer. Anastasius Grün. pgo_188.028Wie ein großer Gedanke sich losreißt pgo_188.029 pgo_188.032Aus dem Haupte eines Genius, pgo_188.030 Also springt aus des Kasbek steinernem Haus pgo_188.031 Der brausende Terekfluß. Bodenstedt. pgo_188.033 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0210" n="188"/> <p><lb n="pgo_188.001"/> a. Die <hi rendition="#g">Unrichtigkeit,</hi> ein Verstoß gegen die natürliche Wahrheit <lb n="pgo_188.002"/> der Dinge.</p> <p><lb n="pgo_188.003"/> Den <hi rendition="#g">Honig</hi> irdischer Weisheit sammeln wir nicht aus <hi rendition="#g">Blumen</hi> ein, sondern <lb n="pgo_188.004"/> aus <hi rendition="#g">Dornen.<hi rendition="#right">Bulwer</hi>.</hi></p> <p><lb n="pgo_188.005"/> b. Die <hi rendition="#g">Unangemessenheit,</hi> wenn das Bild zu groß oder zu klein <lb n="pgo_188.006"/> ist für den verglichenen Gegenstand. Solche Bilder finden sich häufig bei <lb n="pgo_188.007"/> Jean Paul, z. B.:</p> <p><lb n="pgo_188.008"/><hi rendition="#g">Natur,</hi> du ruhest vor dem nassen Auge, <hi rendition="#g">wie ein grünendes, abendrothes <lb n="pgo_188.009"/> Gebirge.<hi rendition="#right">Titan</hi>.</hi></p> <p><lb n="pgo_188.010"/> Die <hi rendition="#g">Natur,</hi> die gestern ein flammender <hi rendition="#g">Sonnenball</hi> gewesen, war heute ein <lb n="pgo_188.011"/> <hi rendition="#g">Abendstern</hi> voll Dämmerlicht.<hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Titan</hi>.</hi></p> <p><lb n="pgo_188.012"/> c. Die <hi rendition="#g">Mattigkeit,</hi> wenn der Vergleichungspunkt nicht schlagend <lb n="pgo_188.013"/> genug hervortritt. Dies ist der größte Fehler des bildlichen Ausdruckes, <lb n="pgo_188.014"/> indem er nicht nur dem Styl einen frostigen Charakter giebt, sondern <lb n="pgo_188.015"/> überhaupt das Bild als einen überflüssigen Luxus erscheinen läßt. Die <lb n="pgo_188.016"/> <hi rendition="#g">Metapher</hi> besonders muß den Ausdruck <hi rendition="#g">abkürzen,</hi> nicht <hi rendition="#g">schleppend</hi> <lb n="pgo_188.017"/> machen; sie muß aus dem Gedanken organisch herauswachsen, nicht beiläufig <lb n="pgo_188.018"/> neben ihm herleuchten.</p> <p><lb n="pgo_188.019"/> Die <hi rendition="#g">Metapher</hi> darf zwar ebenso das Sinnliche vergeistigen, wie <lb n="pgo_188.020"/> das Geistige versinnlichen. <hi rendition="#g">Lenau</hi> ist ein Meister in der Kunst dieser <lb n="pgo_188.021"/> träumerischen Naturbeseelung. Solche Metaphern aber werden leicht <lb n="pgo_188.022"/> frostig und matt, wenn der Vergleichungspunkt nicht schlagend genug das <lb n="pgo_188.023"/> Gemüth erfaßt. Noch mehr gilt dies von ausgeführten Vergleichungen, in <lb n="pgo_188.024"/> denen das geistige Bild zu abstrakt angedeutet oder ausgeführt wird, z. B.</p> <lb n="pgo_188.025"/> <lg> <l><hi rendition="#g">Gleich dem ewigen Frieden</hi> schimmert</l> <lb n="pgo_188.026"/> <l>Ruhig, klar und grün das Meer.</l> </lg> <lb n="pgo_188.027"/> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Anastasius Grün</hi>.</hi> </p> <lb n="pgo_188.028"/> <lg> <l> <hi rendition="#g">Wie ein großer Gedanke sich losreißt</hi> </l> <lb n="pgo_188.029"/> <l> <hi rendition="#g">Aus dem Haupte eines Genius,</hi> </l> <lb n="pgo_188.030"/> <l>Also springt aus des Kasbek steinernem Haus</l> <lb n="pgo_188.031"/> <l>Der brausende Terekfluß.</l> </lg> <lb n="pgo_188.032"/> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Bodenstedt</hi>.</hi> </p> <p><lb n="pgo_188.033"/><hi rendition="#g">Matt</hi> wird auch die schlagende <hi rendition="#g">Metapher,</hi> wenn sie weiter ausgesponnen <lb n="pgo_188.034"/> wird, als der Fonds ihrer Aehnlichkeit verstattet, der für eine <lb n="pgo_188.035"/> Metapher, aber nicht für eine Allegorie ausreicht, z. B.</p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [188/0210]
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a. Die Unrichtigkeit, ein Verstoß gegen die natürliche Wahrheit pgo_188.002
der Dinge.
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Den Honig irdischer Weisheit sammeln wir nicht aus Blumen ein, sondern pgo_188.004
aus Dornen.Bulwer.
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b. Die Unangemessenheit, wenn das Bild zu groß oder zu klein pgo_188.006
ist für den verglichenen Gegenstand. Solche Bilder finden sich häufig bei pgo_188.007
Jean Paul, z. B.:
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Natur, du ruhest vor dem nassen Auge, wie ein grünendes, abendrothes pgo_188.009
Gebirge.Titan.
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Die Natur, die gestern ein flammender Sonnenball gewesen, war heute ein pgo_188.011
Abendstern voll Dämmerlicht.Titan.
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c. Die Mattigkeit, wenn der Vergleichungspunkt nicht schlagend pgo_188.013
genug hervortritt. Dies ist der größte Fehler des bildlichen Ausdruckes, pgo_188.014
indem er nicht nur dem Styl einen frostigen Charakter giebt, sondern pgo_188.015
überhaupt das Bild als einen überflüssigen Luxus erscheinen läßt. Die pgo_188.016
Metapher besonders muß den Ausdruck abkürzen, nicht schleppend pgo_188.017
machen; sie muß aus dem Gedanken organisch herauswachsen, nicht beiläufig pgo_188.018
neben ihm herleuchten.
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Die Metapher darf zwar ebenso das Sinnliche vergeistigen, wie pgo_188.020
das Geistige versinnlichen. Lenau ist ein Meister in der Kunst dieser pgo_188.021
träumerischen Naturbeseelung. Solche Metaphern aber werden leicht pgo_188.022
frostig und matt, wenn der Vergleichungspunkt nicht schlagend genug das pgo_188.023
Gemüth erfaßt. Noch mehr gilt dies von ausgeführten Vergleichungen, in pgo_188.024
denen das geistige Bild zu abstrakt angedeutet oder ausgeführt wird, z. B.
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Gleich dem ewigen Frieden schimmert pgo_188.026
Ruhig, klar und grün das Meer.
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Anastasius Grün.
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Wie ein großer Gedanke sich losreißt pgo_188.029
Aus dem Haupte eines Genius, pgo_188.030
Also springt aus des Kasbek steinernem Haus pgo_188.031
Der brausende Terekfluß.
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Bodenstedt.
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Matt wird auch die schlagende Metapher, wenn sie weiter ausgesponnen pgo_188.034
wird, als der Fonds ihrer Aehnlichkeit verstattet, der für eine pgo_188.035
Metapher, aber nicht für eine Allegorie ausreicht, z. B.
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