Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_244.001 b. Die Makamen. pgo_244.002 Als der Kadhi das angehört, pgo_244.012 pgo_244.016Ward er ganz verstört, pgo_244.013 Und als wie bethört, pgo_244.014 Warf er ihnen hin einen Denar, pgo_244.015 Den schnappte der Alte wie ein Aar. Rückert. pgo_244.017 _ _ _ _ | _ - - _ || _ _ _ _ | _ _ _ _ pgo_244.024 _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ pgo_244.030 [Abbildung] pgo_244.001 b. Die Makâmen. pgo_244.002 Als der Kadhi das angehört, pgo_244.012 pgo_244.016Ward er ganz verstört, pgo_244.013 Und als wie bethört, pgo_244.014 Warf er ihnen hin einen Denar, pgo_244.015 Den schnappte der Alte wie ein Aar. Rückert. pgo_244.017 _̆ _̆ _̆ _̆ | ‿ ─́ ─́ ‿ ‖ _̆ _̆ _̆ _̆ | ‿ _ ‿ _ pgo_244.024 ‿ _ _ ‿ _ _ ‿ _ _ ‿ _ pgo_244.030 [Abbildung] <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0266" n="244"/> <div n="6"> <lb n="pgo_244.001"/> <head> <hi rendition="#c">b. <hi rendition="#g">Die Makâmen.</hi></hi> </head> <p><lb n="pgo_244.002"/> Die Form der arabischen <hi rendition="#g">Makâme</hi> (Unterhaltungsaal, Salon, <lb n="pgo_244.003"/> Gespräch) ist noch kindlicher. Diese „gereimten Gespräche,“ die Rückert <lb n="pgo_244.004"/> dem Hariri zuerst nachgedichtet, machen von den Licenzen des gesprächlichen <lb n="pgo_244.005"/> Tones einen ausgedehnten Gebrauch, bei welchem alles Kunstmäßige <lb n="pgo_244.006"/> des Rhythmus verloren geht. Die Zeilen sind bald kurz, bald <lb n="pgo_244.007"/> zu großer Länge ausgedehnt; Jamben, Trochäen, Anapäste wechseln; die <lb n="pgo_244.008"/> Reime klappen oft zwei- und dreifach auf einander und lösen sich mit <lb n="pgo_244.009"/> Alliterationen ab. Gaselen wechseln mit den Makâmen ab, wie Arien <lb n="pgo_244.010"/> mit Recitativen:</p> <lb n="pgo_244.011"/> <lg> <l>Als der Kadhi das angehört,</l> <lb n="pgo_244.012"/> <l>Ward er ganz verstört,</l> <lb n="pgo_244.013"/> <l>Und als wie bethört,</l> <lb n="pgo_244.014"/> <l>Warf er ihnen hin einen Denar,</l> <lb n="pgo_244.015"/> <l>Den schnappte der Alte wie ein Aar.</l> </lg> <lb n="pgo_244.016"/> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Rückert</hi>.</hi> </p> <p><lb n="pgo_244.017"/> Diese Verse werden nicht wie hier gesondert, sondern wie die Jean <lb n="pgo_244.018"/> Paul'schen Streckverse hinter einander fortgeschrieben, so daß der Eindruck <lb n="pgo_244.019"/> eines rhythmischen Urbreies, aus dem der Reim irrlichterartig aufzuckt, ein <lb n="pgo_244.020"/> vollkommener wird. Die Einführung der orientalischen Knittelverse ist <lb n="pgo_244.021"/> für die deutsche Poesie nur ein geringer Gewinn. Wir könnten hier noch <lb n="pgo_244.022"/> die gaselenartigen Vierzeilen, das Metrum der indischen „<hi rendition="#g">Slokas</hi>“</p> <lb n="pgo_244.023"/> <p> <hi rendition="#right">_̆ _̆ _̆ _̆ | ‿ ─́ ─́ ‿ ‖ _̆ _̆ _̆ _̆ | ‿ _ ‿ _</hi> </p> <p><lb n="pgo_244.024"/> des Heldenverses, in welchem die erste Dipodie jeder Hälfte beliebig <lb n="pgo_244.025"/> zwischen langen und kurzen Sylben wählen kann, während die zweite <lb n="pgo_244.026"/> Dipodie feststeht, so daß der Vers zugleich Wechsel und Halt gewinnt und <lb n="pgo_244.027"/> im jambischen Doppelfuß ruhiger austönt; wir könnten das schwunghafte <lb n="pgo_244.028"/> Metrum des <hi rendition="#g">Firdusi:</hi></p> <lb n="pgo_244.029"/> <p> <hi rendition="#right">‿ _ _ ‿ _ _ ‿ _ _ ‿ _</hi> </p> <p><lb n="pgo_244.030"/> in welchem das große persische Schahnameh gedichtet ist, hier noch ausführlicher <lb n="pgo_244.031"/> besprechen; aber diese Versarten haben bis jetzt in Deutschland <lb n="pgo_244.032"/> wenig Anklang gefunden und werden auch ihrem ganzen Charakter nach, <lb n="pgo_244.033"/> der mit dem Genius unserer Sprache nicht harmonirt, kaum eine größere <lb n="pgo_244.034"/> Geltung gewinnen können.</p> <lb n="pgo_244.035"/> <p> <hi rendition="#c"> <figure/> </hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [244/0266]
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b. Die Makâmen. pgo_244.002
Die Form der arabischen Makâme (Unterhaltungsaal, Salon, pgo_244.003
Gespräch) ist noch kindlicher. Diese „gereimten Gespräche,“ die Rückert pgo_244.004
dem Hariri zuerst nachgedichtet, machen von den Licenzen des gesprächlichen pgo_244.005
Tones einen ausgedehnten Gebrauch, bei welchem alles Kunstmäßige pgo_244.006
des Rhythmus verloren geht. Die Zeilen sind bald kurz, bald pgo_244.007
zu großer Länge ausgedehnt; Jamben, Trochäen, Anapäste wechseln; die pgo_244.008
Reime klappen oft zwei- und dreifach auf einander und lösen sich mit pgo_244.009
Alliterationen ab. Gaselen wechseln mit den Makâmen ab, wie Arien pgo_244.010
mit Recitativen:
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Als der Kadhi das angehört, pgo_244.012
Ward er ganz verstört, pgo_244.013
Und als wie bethört, pgo_244.014
Warf er ihnen hin einen Denar, pgo_244.015
Den schnappte der Alte wie ein Aar.
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Rückert.
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Diese Verse werden nicht wie hier gesondert, sondern wie die Jean pgo_244.018
Paul'schen Streckverse hinter einander fortgeschrieben, so daß der Eindruck pgo_244.019
eines rhythmischen Urbreies, aus dem der Reim irrlichterartig aufzuckt, ein pgo_244.020
vollkommener wird. Die Einführung der orientalischen Knittelverse ist pgo_244.021
für die deutsche Poesie nur ein geringer Gewinn. Wir könnten hier noch pgo_244.022
die gaselenartigen Vierzeilen, das Metrum der indischen „Slokas“
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des Heldenverses, in welchem die erste Dipodie jeder Hälfte beliebig pgo_244.025
zwischen langen und kurzen Sylben wählen kann, während die zweite pgo_244.026
Dipodie feststeht, so daß der Vers zugleich Wechsel und Halt gewinnt und pgo_244.027
im jambischen Doppelfuß ruhiger austönt; wir könnten das schwunghafte pgo_244.028
Metrum des Firdusi:
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in welchem das große persische Schahnameh gedichtet ist, hier noch ausführlicher pgo_244.031
besprechen; aber diese Versarten haben bis jetzt in Deutschland pgo_244.032
wenig Anklang gefunden und werden auch ihrem ganzen Charakter nach, pgo_244.033
der mit dem Genius unserer Sprache nicht harmonirt, kaum eine größere pgo_244.034
Geltung gewinnen können.
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