Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_277.001 Es fällt ein Stern herunter pgo_277.016 Aus seiner funkelnden Höh'! pgo_277.017 Das ist der Stern der Liebe, pgo_277.018 Den ich dort fallen seh'. pgo_277.019 Es fallen vom Apfelbaume pgo_277.020 Der Blüthen und Blätter viel! pgo_277.021 Es kommen die neckenden Lüfte pgo_277.022 Und treiben damit ihr Spiel. pgo_277.023 Es singt der Schwan im Weiher pgo_277.024 Und rudert auf und ab, pgo_277.025 Und immer leiser singend pgo_277.026 Taucht er in's Fluthengrab. pgo_277.027 Es ist so still und dunkel! pgo_277.028 Verweht ist Blatt und Blüth', pgo_277.029 Der Stern ist knisternd zerstoben, pgo_277.030 Verklungen das Schwanenlied. pgo_277.031 pgo_277.033 pgo_277.001 Es fällt ein Stern herunter pgo_277.016 Aus seiner funkelnden Höh'! pgo_277.017 Das ist der Stern der Liebe, pgo_277.018 Den ich dort fallen seh'. pgo_277.019 Es fallen vom Apfelbaume pgo_277.020 Der Blüthen und Blätter viel! pgo_277.021 Es kommen die neckenden Lüfte pgo_277.022 Und treiben damit ihr Spiel. pgo_277.023 Es singt der Schwan im Weiher pgo_277.024 Und rudert auf und ab, pgo_277.025 Und immer leiser singend pgo_277.026 Taucht er in's Fluthengrab. pgo_277.027 Es ist so still und dunkel! pgo_277.028 Verweht ist Blatt und Blüth', pgo_277.029 Der Stern ist knisternd zerstoben, pgo_277.030 Verklungen das Schwanenlied. pgo_277.031 pgo_277.033 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0299" n="277"/><lb n="pgo_277.001"/> verallgemeinert ihn. Die Magie der Tonwelt, die Einsamkeit eines <lb n="pgo_277.002"/> ganzen Lebens, das unergründliche Menschenweh breiten die Stimmung <lb n="pgo_277.003"/> des Augenblickes aus und vertiefen sie. Zugleich fehlt in allen dreien die <lb n="pgo_277.004"/> <hi rendition="#g">lyrische Pointe</hi> nicht, welche sich im ersten und dritten Liedchen als <lb n="pgo_277.005"/> Antithese, im zweiten als Hyperbel zeigt. Die drei Glieder der Komposition <lb n="pgo_277.006"/> sind aber auf's Jnnigste verschmolzen und dabei mit der größten <lb n="pgo_277.007"/> Prägnanz der Anschauung und Empfindung ausgeführt. Aehnlich wird <lb n="pgo_277.008"/> die Anordnung und Zusammenstellung in größeren Liedern sein, nur daß <lb n="pgo_277.009"/> hier jedes einzelne Glied weiter ausgeführt wird. Der Gang der Komposition <lb n="pgo_277.010"/> verträgt sogar Wiederholungen. Drei oder vier anregende <lb n="pgo_277.011"/> Bilder wirken gleichzeitig auf das Gemüth. So z. B. in folgendem <lb n="pgo_277.012"/> Gedichte Heine's, dessen Magie hauptsächlich darin besteht, daß die Empfindung <lb n="pgo_277.013"/> des Dichters nicht unmittelbar ausgesprochen, sondern in die <lb n="pgo_277.014"/> Bilder selbst verwebt ist:</p> <lb n="pgo_277.015"/> <lg> <l>Es fällt ein Stern herunter</l> <lb n="pgo_277.016"/> <l>Aus seiner funkelnden Höh'!</l> <lb n="pgo_277.017"/> <l>Das ist der Stern der Liebe,</l> <lb n="pgo_277.018"/> <l>Den ich dort fallen seh'. </l> </lg> <lg> <lb n="pgo_277.019"/> <l>Es fallen vom Apfelbaume</l> <lb n="pgo_277.020"/> <l>Der Blüthen und Blätter viel!</l> <lb n="pgo_277.021"/> <l>Es kommen die neckenden Lüfte</l> <lb n="pgo_277.022"/> <l>Und treiben damit ihr Spiel. </l> </lg> <lg> <lb n="pgo_277.023"/> <l>Es singt der Schwan im Weiher</l> <lb n="pgo_277.024"/> <l>Und rudert auf und ab,</l> <lb n="pgo_277.025"/> <l>Und immer leiser singend</l> <lb n="pgo_277.026"/> <l>Taucht er in's Fluthengrab. </l> </lg> <lg> <lb n="pgo_277.027"/> <l>Es ist so still und dunkel!</l> <lb n="pgo_277.028"/> <l>Verweht ist Blatt und Blüth',</l> <lb n="pgo_277.029"/> <l>Der Stern ist knisternd zerstoben,</l> <lb n="pgo_277.030"/> <l>Verklungen das Schwanenlied.</l> </lg> <p><lb n="pgo_277.031"/> Diese im Bilde selbst latente Empfindung macht im Liede einen wirksamen <lb n="pgo_277.032"/> Eindruck.</p> <p><lb n="pgo_277.033"/> Die Ausdrucksweise muß im <hi rendition="#g">Liede</hi> von größter Unmittelbarkeit und <lb n="pgo_277.034"/> Einfachheit sein. Die Phantasie ist hier an die Empfindung des Augenblicks <lb n="pgo_277.035"/> <hi rendition="#g">gebunden</hi> und darf nicht frei umherschweifen. Sie muß alles <lb n="pgo_277.036"/> vom geraden Wege des Gefühls Abgelegene vermeiden. Schildert sie ein </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [277/0299]
pgo_277.001
verallgemeinert ihn. Die Magie der Tonwelt, die Einsamkeit eines pgo_277.002
ganzen Lebens, das unergründliche Menschenweh breiten die Stimmung pgo_277.003
des Augenblickes aus und vertiefen sie. Zugleich fehlt in allen dreien die pgo_277.004
lyrische Pointe nicht, welche sich im ersten und dritten Liedchen als pgo_277.005
Antithese, im zweiten als Hyperbel zeigt. Die drei Glieder der Komposition pgo_277.006
sind aber auf's Jnnigste verschmolzen und dabei mit der größten pgo_277.007
Prägnanz der Anschauung und Empfindung ausgeführt. Aehnlich wird pgo_277.008
die Anordnung und Zusammenstellung in größeren Liedern sein, nur daß pgo_277.009
hier jedes einzelne Glied weiter ausgeführt wird. Der Gang der Komposition pgo_277.010
verträgt sogar Wiederholungen. Drei oder vier anregende pgo_277.011
Bilder wirken gleichzeitig auf das Gemüth. So z. B. in folgendem pgo_277.012
Gedichte Heine's, dessen Magie hauptsächlich darin besteht, daß die Empfindung pgo_277.013
des Dichters nicht unmittelbar ausgesprochen, sondern in die pgo_277.014
Bilder selbst verwebt ist:
pgo_277.015
Es fällt ein Stern herunter pgo_277.016
Aus seiner funkelnden Höh'! pgo_277.017
Das ist der Stern der Liebe, pgo_277.018
Den ich dort fallen seh'.
pgo_277.019
Es fallen vom Apfelbaume pgo_277.020
Der Blüthen und Blätter viel! pgo_277.021
Es kommen die neckenden Lüfte pgo_277.022
Und treiben damit ihr Spiel.
pgo_277.023
Es singt der Schwan im Weiher pgo_277.024
Und rudert auf und ab, pgo_277.025
Und immer leiser singend pgo_277.026
Taucht er in's Fluthengrab.
pgo_277.027
Es ist so still und dunkel! pgo_277.028
Verweht ist Blatt und Blüth', pgo_277.029
Der Stern ist knisternd zerstoben, pgo_277.030
Verklungen das Schwanenlied.
pgo_277.031
Diese im Bilde selbst latente Empfindung macht im Liede einen wirksamen pgo_277.032
Eindruck.
pgo_277.033
Die Ausdrucksweise muß im Liede von größter Unmittelbarkeit und pgo_277.034
Einfachheit sein. Die Phantasie ist hier an die Empfindung des Augenblicks pgo_277.035
gebunden und darf nicht frei umherschweifen. Sie muß alles pgo_277.036
vom geraden Wege des Gefühls Abgelegene vermeiden. Schildert sie ein
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |