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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

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und sprachlichen Einkleidung, der kühnsten metrischen Maaße. pgo_294.002
Der Bau der Strophe, Gegenstrophe und Schlußstrophe, wie ihn Pindar pgo_294.003
gefugt, ist aus jenen Marmorquadern der plastischen Sprache pgo_294.004
Griechenlands aufgebaut, deren Gewicht in unumstößlicher Weise bestimmt pgo_294.005
war. Die regelrechteren Strophen der melischen Lyrik, des Alkäus pgo_294.006
und Sappho, eignete Horaz dem lateinischen Jdiom an, und Klopstock, pgo_294.007
Voß, Platen
machten sie in Deutschland heimisch.

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Die Ode ist eine so prächtige, lyrische Form, so geeignet für große pgo_294.009
Bilder und Gedanken, für einen Genius, der das Ewige aus dem fliehenden pgo_294.010
Strom der Zeit herauszuheben sucht, daß man bedauern muß, sie, pgo_294.011
trotz des lyrischen Aufschwunges der neuesten Zeit, fast in Vergessenheit pgo_294.012
gerathen zu sehn. Frägt man nach den Gründen ihrer täglich wachsenden pgo_294.013
Verschollenheit: so tritt uns zunächst die absichtlich gelehrte und pgo_294.014
unvolksthümliche Haltung entgegen, welche von Klopstock ab bis auf pgo_294.015
Platen und Minckwitz von den Odendichtern angenommen wird.

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Odi profanum vulgus et arceo!

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Und diese Unvolksthümlichkeit wird nicht durch die Stoffe der neuen pgo_294.018
Ode, sondern durch ihre Behandlungsweise hervorgerufen. Eine kunstvoll pgo_294.019
verwickelte Metrik hemmte sowohl den Schwung der Dichter selbst und pgo_294.020
zwang sie zu Künsteleien, als sie auch mit ihrem studirten Wohllaut nicht pgo_294.021
auf die Empfänglichkeit des deutschen Volkes rechnen durfte.

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Jch habe in meinen "Neuen Gedichten" eine volksthümliche Wiedergeburt pgo_294.023
der Ode durch den Reim anzubahnen versucht, nach welchem pgo_294.024
einmal der sehnsüchtige und unüberwindliche Zug unserer Lyrik geht. Daß pgo_294.025
dieser Reim unseren antiken Strophen nicht widerspricht, hab' ich schon pgo_294.026
oben dargethan. Sie erhalten erst durch ihn volle rhythmische Klarheit pgo_294.027
und ansprechenden Zauber. Allen Mitstrebenden aber, denen die herrliche pgo_294.028
"Ode," welche für jeden großen Jnhalt des Jahrhunderts eine willig pgo_294.029
tragende Form ist, am Herzen liegt, schlag' ich folgende Formen zu ihrer pgo_294.030
Wiederbelebung vor:

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1) Die gereimten Horazischen Strophen, die alcäischen, sapphischen pgo_294.032
und asklepiadäischen und gereimte rhythmische Neubildungen auf ihrer pgo_294.033
Grundlage.

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2) Gereimte, freie, wechselnde Verse in der Art, wie sie reimlos von

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und sprachlichen Einkleidung, der kühnsten metrischen Maaße. pgo_294.002
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Platen und Minckwitz von den Odendichtern angenommen wird.

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Odi profanum vulgus et arceo!

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Und diese Unvolksthümlichkeit wird nicht durch die Stoffe der neuen pgo_294.018
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1) Die gereimten Horazischen Strophen, die alcäischen, sapphischen pgo_294.032
und asklepiadäischen und gereimte rhythmische Neubildungen auf ihrer pgo_294.033
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Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/316>, abgerufen am 24.11.2024.