Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736.im Fischbein-Rocke. tes Hertz; sie sind Gottsfürchtig; deswegen war essehr leicht, daß sie durch die Scheinheiligkeit dieser Leute konnten verführet werden. GOtt gebe nur, daß sie dieses Exempel behutsamer macht, und sie von dieser gottlosen Secte abzieht. Frau Glaubeleichtin. Ach! Herr Bruder! es ist keine Secte. Es sind gewiß gute ehrliche Leute. Herr Wackermann. Es mag drum seyn. Vielleicht sind die meisten un- ter ihnen eben so wohl verführet worden, als sie: Ei- nige durch eine verstellte Gelehrsamkeit; andere durch einen falschen Schein der Tugend; andere durch eine falsche Liebe zu den abgeschmackten Schrifften. Doch denen, die sich durch ihre Redlichkeit oder Unwissen- heit betrogen sehen, vergebe ichs; aber ihre Leichtgläu- bigkeit und Blindheit verzeihe ich ihnen nicht. Frau Glaubeleichtin. Warum nicht Herr Bruder? Herr Wackermann. Mein GOtt! der Betrug, die Gleißnerey, die Lust zur Sectirerey, die Bosheit, die Wiederspenstig- keit gegen das geistliche und weltliche Regiment, ist bey den Leuten so sichtbar, daß man mit Fleiß muß blind seyn wollen; wenn man es nicht siehet. Wie viel elende Schmieralien, wie viel Heuchler, wie viel verborgene Bösewichter, wie viel liederliche Kerl, die weder Sit- ten
im Fiſchbein-Rocke. tes Hertz; ſie ſind Gottsfuͤrchtig; deswegen war esſehr leicht, daß ſie durch die Scheinheiligkeit dieſer Leute konnten verfuͤhret werden. GOtt gebe nur, daß ſie dieſes Exempel behutſamer macht, und ſie von dieſer gottloſen Secte abzieht. Frau Glaubeleichtin. Ach! Herr Bruder! es iſt keine Secte. Es ſind gewiß gute ehrliche Leute. Herr Wackermann. Es mag drum ſeyn. Vielleicht ſind die meiſten un- ter ihnen eben ſo wohl verfuͤhret worden, als ſie: Ei- nige durch eine verſtellte Gelehrſamkeit; andere durch einen falſchen Schein der Tugend; andere durch eine falſche Liebe zu den abgeſchmackten Schrifften. Doch denen, die ſich durch ihre Redlichkeit oder Unwiſſen- heit betrogen ſehen, vergebe ichs; aber ihre Leichtglaͤu- bigkeit und Blindheit verzeihe ich ihnen nicht. Frau Glaubeleichtin. Warum nicht Herr Bruder? Herr Wackermann. Mein GOtt! der Betrug, die Gleißnerey, die Luſt zur Sectirerey, die Bosheit, die Wiederſpenſtig- keit gegen das geiſtliche und weltliche Regiment, iſt bey den Leuten ſo ſichtbar, daß man mit Fleiß muß blind ſeyn wollen; wenn man es nicht ſiehet. Wie viel elende Schmieralien, wie viel Heuchler, wie viel verborgene Boͤſewichter, wie viel liederliche Kerl, die weder Sit- ten
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im Fiſchbein-Rocke.
tes Hertz; ſie ſind Gottsfuͤrchtig; deswegen war es
ſehr leicht, daß ſie durch die Scheinheiligkeit dieſer
Leute konnten verfuͤhret werden. GOtt gebe nur,
daß ſie dieſes Exempel behutſamer macht, und ſie
von dieſer gottloſen Secte abzieht.
Frau Glaubeleichtin.
Ach! Herr Bruder! es iſt keine Secte. Es
ſind gewiß gute ehrliche Leute.
Herr Wackermann.
Es mag drum ſeyn. Vielleicht ſind die meiſten un-
ter ihnen eben ſo wohl verfuͤhret worden, als ſie: Ei-
nige durch eine verſtellte Gelehrſamkeit; andere durch
einen falſchen Schein der Tugend; andere durch eine
falſche Liebe zu den abgeſchmackten Schrifften. Doch
denen, die ſich durch ihre Redlichkeit oder Unwiſſen-
heit betrogen ſehen, vergebe ichs; aber ihre Leichtglaͤu-
bigkeit und Blindheit verzeihe ich ihnen nicht.
Frau Glaubeleichtin.
Warum nicht Herr Bruder?
Herr Wackermann.
Mein GOtt! der Betrug, die Gleißnerey, die
Luſt zur Sectirerey, die Bosheit, die Wiederſpenſtig-
keit gegen das geiſtliche und weltliche Regiment, iſt bey
den Leuten ſo ſichtbar, daß man mit Fleiß muß blind
ſeyn wollen; wenn man es nicht ſiehet. Wie viel elende
Schmieralien, wie viel Heuchler, wie viel verborgene
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