Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.Das VII. Capitel Nehmt an die courtoisie und die devotion, Die euch ein Chevalier ma donna thut erzeigen, Ein handvoll von Favor petirt er nur zu Lohn. Und bleibet euer Knecht und Serviteur gantz eigen. Wie seltsam nun dieses klinget, fährt er fort, so ist nichts desto Seiner Regel sind alle gute Poeten unsers Vaterlandes Es war ein neu Gespräch allmählich aufgekommen, Und hatte mit der Zeit gantz überhand genommen, Daß eine Zunge nur, ein Deutscher Mann allein, Aus nüchterm Munde sprach, Frantzösisch, Welsch, Latein. Und daß der späten Welt die Art nicht mag gebrechen, So hört doch, wie ich selbst hab einen hören sprechen. Ein braver Capitain, ein alter Freyersmann, Hub seinen Mängelmuß mit diesen Worten an. Ca Maitre! machet mir en facon der Frantzosen, Für gut contentement ein paar geraumer Hosen. Jch
Das VII. Capitel Nehmt an die courtoiſie und die devotion, Die euch ein Chevalier ma donna thut erzeigen, Ein handvoll von Favor petirt er nur zu Lohn. Und bleibet euer Knecht und Serviteur gantz eigen. Wie ſeltſam nun dieſes klinget, faͤhrt er fort, ſo iſt nichts deſto Seiner Regel ſind alle gute Poeten unſers Vaterlandes Es war ein neu Geſpraͤch allmaͤhlich aufgekommen, Und hatte mit der Zeit gantz uͤberhand genommen, Daß eine Zunge nur, ein Deutſcher Mann allein, Aus nuͤchterm Munde ſprach, Frantzoͤſiſch, Welſch, Latein. Und daß der ſpaͤten Welt die Art nicht mag gebrechen, So hoͤrt doch, wie ich ſelbſt hab einen hoͤren ſprechen. Ein braver Capitain, ein alter Freyersmann, Hub ſeinen Maͤngelmuß mit dieſen Worten an. Ca Maitre! machet mir en façon der Frantzoſen, Fuͤr gut contentement ein paar geraumer Hoſen. Jch
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Das VII. Capitel
Nehmt an die courtoiſie und die devotion,
Die euch ein Chevalier ma donna thut erzeigen,
Ein handvoll von Favor petirt er nur zu Lohn.
Und bleibet euer Knecht und Serviteur gantz eigen.
Wie ſeltſam nun dieſes klinget, faͤhrt er fort, ſo iſt nichts deſto
weniger die Thorheit innerhalb kurtzen Jahren ſo eingeriſſen,
daß ein jeder, der nur drey oder vier auslaͤndiſche Woͤrter,
die er zum offtern nicht verſtehet, erwiſcht hat, bey aller Gele-
genheit ſich bemuͤhet, dieſelbigen herauszuwerfen. Er er-
weiſet ſeinen Satz durch das Exempel der Lateiner, welche
faſt kein einzig griechiſch Wort in ihre Verße gemiſcht: aus-
genommen wo Juvenalis theils einmahl uͤber das roͤmiſche
Frauenzimmer geſpottet, die aus Galanterie ihren Buhlern
auf griechiſch liebkoſeten; theils einmahl ein gewiſſes Laſter,
welches er aus Schamhafftigkeit nicht lateiniſch nennen wol-
len, griechiſch ausgedruͤcket.
Seiner Regel ſind alle gute Poeten unſers Vaterlandes
gefolget, ja viele haben auch nach ihm ihren Eifer wieder die
Sprachenmengerey durch die ſchaͤrfſten Stellen erwieſen.
Andreas Gryphius hat in ſeinem Horribilicribifax ſo wohl
dieſen Großſprecher, als ſeinen Gegner Daradiridatumta-
rides, das Welſche, Spaniſche, Franzoͤſiſche; den Schul-
fuchs Sempronius hergegen, das Griechiſche und Lateiniſche
auf eine laͤcherliche Art ins Deutſche miſchen laſſen, um an-
dern einen Abſcheu davor zu erwecken. Rachelius hat ſich
gleichfalls bemuͤht eine ſo uͤble Gewohnheit abzuſchaffen, und
in ſeiner offterwehnten Satire, der Poet, folgender Geſtalt
geſchrieben:
Es war ein neu Geſpraͤch allmaͤhlich aufgekommen,
Und hatte mit der Zeit gantz uͤberhand genommen,
Daß eine Zunge nur, ein Deutſcher Mann allein,
Aus nuͤchterm Munde ſprach, Frantzoͤſiſch, Welſch, Latein.
Und daß der ſpaͤten Welt die Art nicht mag gebrechen,
So hoͤrt doch, wie ich ſelbſt hab einen hoͤren ſprechen.
Ein braver Capitain, ein alter Freyersmann,
Hub ſeinen Maͤngelmuß mit dieſen Worten an.
Ca Maitre! machet mir en façon der Frantzoſen,
Fuͤr gut contentement ein paar geraumer Hoſen.
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