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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.

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Von poetischen Worten.

Es giebt noch eine Art der Wortspiele, darauf sich gewisse
Leute Wunder was! einbilden. Es sind die Anspielungen
auf Nahmen, wo ich so reden darf; dabey sie einen beson-
dern Witz zu bezeigen vermeynen. Flemming hat es uns
auch an solchen Exempeln nicht fehlen lassen, welche ich der
Hochachtung unbeschadet, die ich sonst vor ihn habe, zu dem
Ende anführe, damit man sehe, wie sich auch Leute, denen
es an Witz und Geist sonst nicht fehlet, in dergleichen Kleinig-
keiten verlieben können. p. 364. steht ein Lied auf eine Hoch-
zeit Johann Weinmanns mit Magd. Wasserführerin. Da
heist nun eine Strophe:

Schöne Braut, gedenckt zurücke,
Und erwegt des Himmels Gunst,
Der euch, helfe GOtt zu Glücke!
Einen Weinmann, eure Brunst,
Einen Weinmann, der euch liebet,
Vor den Wasserführer giebet.

Welch eine Wohlthat GOttes! einen Mann zu bekommen,
der vom Weine den Nahmen hat, nachdem man einen ver-
lohren, der ihn vom Wasser herleitete. Ohne Zweifel wird
die gute Frau bey dem ersten lauter Wasser, beym andern
lauter Wein getruncken haben. Die 17de Ode in seinem
III. Buche ist auf Nicl. von Höveln und Elis. Niehusens
Hochzeit gemacht, und darinne spielt er so unsauber:

Höfelt euer neues Haus
Bräutgam aus. etc.

Dieses läuft nun gar wieder die Erbarkeit, wird aber von
schmutzigen Versmachern desto lieber nachgemacht. Jn
der 19ten Ode desselben Buchs, auf Dam. Gläsers und
Mar. Reiminen Hochzeit, steht folgende letzte Strophe:

Braut, gedencket unterdessen,
Daß an euch was gläserns ist,
Bräutgam, thut auch nicht vergessen
Was ihr nun fort reimen müst.
Daß ihr mögt nach kurtzen Tagen
Neue Reim und Gläser tragen.

Wer nun in allen dergleichen Kindereyen Schönheiten zu

sehen
O
Von poetiſchen Worten.

Es giebt noch eine Art der Wortſpiele, darauf ſich gewiſſe
Leute Wunder was! einbilden. Es ſind die Anſpielungen
auf Nahmen, wo ich ſo reden darf; dabey ſie einen beſon-
dern Witz zu bezeigen vermeynen. Flemming hat es uns
auch an ſolchen Exempeln nicht fehlen laſſen, welche ich der
Hochachtung unbeſchadet, die ich ſonſt vor ihn habe, zu dem
Ende anfuͤhre, damit man ſehe, wie ſich auch Leute, denen
es an Witz und Geiſt ſonſt nicht fehlet, in dergleichen Kleinig-
keiten verlieben koͤnnen. p. 364. ſteht ein Lied auf eine Hoch-
zeit Johann Weinmanns mit Magd. Waſſerfuͤhrerin. Da
heiſt nun eine Strophe:

Schoͤne Braut, gedenckt zuruͤcke,
Und erwegt des Himmels Gunſt,
Der euch, helfe GOtt zu Gluͤcke!
Einen Weinmann, eure Brunſt,
Einen Weinmann, der euch liebet,
Vor den Waſſerfuͤhrer giebet.

Welch eine Wohlthat GOttes! einen Mann zu bekommen,
der vom Weine den Nahmen hat, nachdem man einen ver-
lohren, der ihn vom Waſſer herleitete. Ohne Zweifel wird
die gute Frau bey dem erſten lauter Waſſer, beym andern
lauter Wein getruncken haben. Die 17de Ode in ſeinem
III. Buche iſt auf Nicl. von Hoͤveln und Eliſ. Niehuſens
Hochzeit gemacht, und darinne ſpielt er ſo unſauber:

Hoͤfelt euer neues Haus
Braͤutgam aus. ꝛc.

Dieſes laͤuft nun gar wieder die Erbarkeit, wird aber von
ſchmutzigen Versmachern deſto lieber nachgemacht. Jn
der 19ten Ode deſſelben Buchs, auf Dam. Glaͤſers und
Mar. Reiminen Hochzeit, ſteht folgende letzte Strophe:

Braut, gedencket unterdeſſen,
Daß an euch was glaͤſerns iſt,
Braͤutgam, thut auch nicht vergeſſen
Was ihr nun fort reimen muͤſt.
Daß ihr moͤgt nach kurtzen Tagen
Neue Reim und Glaͤſer tragen.

Wer nun in allen dergleichen Kindereyen Schoͤnheiten zu

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O
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[209/0237] Von poetiſchen Worten. Es giebt noch eine Art der Wortſpiele, darauf ſich gewiſſe Leute Wunder was! einbilden. Es ſind die Anſpielungen auf Nahmen, wo ich ſo reden darf; dabey ſie einen beſon- dern Witz zu bezeigen vermeynen. Flemming hat es uns auch an ſolchen Exempeln nicht fehlen laſſen, welche ich der Hochachtung unbeſchadet, die ich ſonſt vor ihn habe, zu dem Ende anfuͤhre, damit man ſehe, wie ſich auch Leute, denen es an Witz und Geiſt ſonſt nicht fehlet, in dergleichen Kleinig- keiten verlieben koͤnnen. p. 364. ſteht ein Lied auf eine Hoch- zeit Johann Weinmanns mit Magd. Waſſerfuͤhrerin. Da heiſt nun eine Strophe: Schoͤne Braut, gedenckt zuruͤcke, Und erwegt des Himmels Gunſt, Der euch, helfe GOtt zu Gluͤcke! Einen Weinmann, eure Brunſt, Einen Weinmann, der euch liebet, Vor den Waſſerfuͤhrer giebet. Welch eine Wohlthat GOttes! einen Mann zu bekommen, der vom Weine den Nahmen hat, nachdem man einen ver- lohren, der ihn vom Waſſer herleitete. Ohne Zweifel wird die gute Frau bey dem erſten lauter Waſſer, beym andern lauter Wein getruncken haben. Die 17de Ode in ſeinem III. Buche iſt auf Nicl. von Hoͤveln und Eliſ. Niehuſens Hochzeit gemacht, und darinne ſpielt er ſo unſauber: Hoͤfelt euer neues Haus Braͤutgam aus. ꝛc. Dieſes laͤuft nun gar wieder die Erbarkeit, wird aber von ſchmutzigen Versmachern deſto lieber nachgemacht. Jn der 19ten Ode deſſelben Buchs, auf Dam. Glaͤſers und Mar. Reiminen Hochzeit, ſteht folgende letzte Strophe: Braut, gedencket unterdeſſen, Daß an euch was glaͤſerns iſt, Braͤutgam, thut auch nicht vergeſſen Was ihr nun fort reimen muͤſt. Daß ihr moͤgt nach kurtzen Tagen Neue Reim und Glaͤſer tragen. Wer nun in allen dergleichen Kindereyen Schoͤnheiten zu ſehen O

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Zitationshilfe: Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/237>, abgerufen am 21.11.2024.