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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.

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Des II Theils II Capitel.
Die Natur.
Verwirff die blöde Phantasey,
Und mache dein Gemüthe frey,
Das sich durch irrende Gedancken,
Jn den vermeynten Tugend-Schrancken,
Mit steter Blödigkeit umschantzt.
Wie ist es? hörst du mich?
Mich dünckt, du änderst dich,
Jch kan es an deinem Gesichte schon lesen.
Ersticke nicht länger das wallende Wesen,
Das meine Hand dir eingepflantzt.
Die Schamhafftigkeit.
Gefährlicher Entschluß!
Den ich anitzo fassen muß.
Wohlan, Natur! ich folge deinen Trieben;
Doch sage mir, was soll ich lieben?
Die Natur.
Ach sorge nicht, der Himmel sorget schon,
Der hat, eh du daran gedacht,
Den ewig-festen Schluß gemacht,
Durch wen er dich vergnügen wollen,
Und wen dein reines Hertz am ersten lieben sollen.
Selbst der Höchste schliesset Ehen,
Die ihm wohlgefällig sind.
Wenn die Menschen nicht verstehen,
Welchen Pfad ihr Fuß soll gehen,
Da versorgt er und verbindt
Manches tugendhaffte Kind.
Selbst der Himmel schliesset Ehen,
Die ihm wohlgefällig sind.
Die Schamhafftigkeit.
So wird es auch vielleicht geschehen,
Daß seine Vater-Huld bald auf mein Wohl wird sehen.
Das Verhängnis.
Sieh da, du tugendhafftes Hertz,
Nimm hin das Kleinod meiner Liebe.
Verwandle deine Furcht in Schertz,
Und laß hinfort die reinen Triebe
Nur ihm allein,
Wie seine Brust nur dir, gewidmet seyn.
Die Wohlfahrt soll auf allen Seiten,
Dich, neu-verknüpfftes Paar, begleiten!
Chor
Des II Theils II Capitel.
Die Natur.
Verwirff die bloͤde Phantaſey,
Und mache dein Gemuͤthe frey,
Das ſich durch irrende Gedancken,
Jn den vermeynten Tugend-Schrancken,
Mit ſteter Bloͤdigkeit umſchantzt.
Wie iſt es? hoͤrſt du mich?
Mich duͤnckt, du aͤnderſt dich,
Jch kan es an deinem Geſichte ſchon leſen.
Erſticke nicht laͤnger das wallende Weſen,
Das meine Hand dir eingepflantzt.
Die Schamhafftigkeit.
Gefaͤhrlicher Entſchluß!
Den ich anitzo faſſen muß.
Wohlan, Natur! ich folge deinen Trieben;
Doch ſage mir, was ſoll ich lieben?
Die Natur.
Ach ſorge nicht, der Himmel ſorget ſchon,
Der hat, eh du daran gedacht,
Den ewig-feſten Schluß gemacht,
Durch wen er dich vergnuͤgen wollen,
Und wen dein reines Hertz am erſten lieben ſollen.
Selbſt der Hoͤchſte ſchlieſſet Ehen,
Die ihm wohlgefaͤllig ſind.
Wenn die Menſchen nicht verſtehen,
Welchen Pfad ihr Fuß ſoll gehen,
Da verſorgt er und verbindt
Manches tugendhaffte Kind.
Selbſt der Himmel ſchlieſſet Ehen,
Die ihm wohlgefaͤllig ſind.
Die Schamhafftigkeit.
So wird es auch vielleicht geſchehen,
Daß ſeine Vater-Huld bald auf mein Wohl wird ſehen.
Das Verhaͤngnis.
Sieh da, du tugendhafftes Hertz,
Nimm hin das Kleinod meiner Liebe.
Verwandle deine Furcht in Schertz,
Und laß hinfort die reinen Triebe
Nur ihm allein,
Wie ſeine Bruſt nur dir, gewidmet ſeyn.
Die Wohlfahrt ſoll auf allen Seiten,
Dich, neu-verknuͤpfftes Paar, begleiten!
Chor
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[374/0402] Des II Theils II Capitel. Die Natur. Verwirff die bloͤde Phantaſey, Und mache dein Gemuͤthe frey, Das ſich durch irrende Gedancken, Jn den vermeynten Tugend-Schrancken, Mit ſteter Bloͤdigkeit umſchantzt. Wie iſt es? hoͤrſt du mich? Mich duͤnckt, du aͤnderſt dich, Jch kan es an deinem Geſichte ſchon leſen. Erſticke nicht laͤnger das wallende Weſen, Das meine Hand dir eingepflantzt. Die Schamhafftigkeit. Gefaͤhrlicher Entſchluß! Den ich anitzo faſſen muß. Wohlan, Natur! ich folge deinen Trieben; Doch ſage mir, was ſoll ich lieben? Die Natur. Ach ſorge nicht, der Himmel ſorget ſchon, Der hat, eh du daran gedacht, Den ewig-feſten Schluß gemacht, Durch wen er dich vergnuͤgen wollen, Und wen dein reines Hertz am erſten lieben ſollen. Selbſt der Hoͤchſte ſchlieſſet Ehen, Die ihm wohlgefaͤllig ſind. Wenn die Menſchen nicht verſtehen, Welchen Pfad ihr Fuß ſoll gehen, Da verſorgt er und verbindt Manches tugendhaffte Kind. Selbſt der Himmel ſchlieſſet Ehen, Die ihm wohlgefaͤllig ſind. Die Schamhafftigkeit. So wird es auch vielleicht geſchehen, Daß ſeine Vater-Huld bald auf mein Wohl wird ſehen. Das Verhaͤngnis. Sieh da, du tugendhafftes Hertz, Nimm hin das Kleinod meiner Liebe. Verwandle deine Furcht in Schertz, Und laß hinfort die reinen Triebe Nur ihm allein, Wie ſeine Bruſt nur dir, gewidmet ſeyn. Die Wohlfahrt ſoll auf allen Seiten, Dich, neu-verknuͤpfftes Paar, begleiten! Chor

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Zitationshilfe: Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/402>, abgerufen am 22.11.2024.