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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.

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Von Jdyllen, Eclogen oder Schäfer-Gedichten.
müssen. Weit besser ist ihm das auf den vermeynten Tod
dieser Sylvia gerathen, welches p. 69. desselben Theils zu
finden ist. Auf dem 75sten Blatte aber steht eines andern
unbenannten Poeten Gespräche zweyer Verliebten, welches
auch seiner Absicht nach ein Schäfer-Gedichte bedeuten soll.
Dieses ist so abgeschmackt und garstig, daß es nichts weniger
als diesen Nahmen führen kan. Hergegen finde ich im IVten
Theile dieser Gedichte p. 78 und 85 von C. H. noch ein Paar,
die mir sehr gut gefallen, weil eine gewisse Einfalt und Un-
schuld darinn herrschet, die mit keiner Grobheit vermenget ist.
Z. E. p. 79 steht ein kleiner Umstand sehr natürlich beschrieben.

Jch glaub es hatte mirs der Pan so eingegeben,
Der Pan, der Hirten Gott, der vor der Schäfer Leben
Als wie vor seines sorgt, damit ich, Saladin,
Dir möchte diesen Dorn aus deinem Fuße ziehn.
Da stund ein Eichenbaum mit sehr gekrümmten Zweigen,
(Jch dächt, ich wollt ihn dir noch diese Stunde zeigen,
Es war ein junger Baum, sonst gleich und ziemlich breit,
Und auf der Rinde noch mit Mooße nicht bestreut,)
Da sah ich etc.

Jmgleichen kommt p. 82 eine sehr artige Stelle, die wohl
werth ist daß ich sie anmercke.

Zudem gefallen mir auch hier die Schäfer-Hütten,
Der Hirten Lebensart, der Schäferinnen Sitten
Fast im geringsten nicht, und wärst du nicht bey mir,
Jch glaub ich wäre schon vorlängsten nicht mehr hier.
Es giebt gar kahle Trifft am Ufer dieser Elbe,
Die Schäferinnen sind auch mehrentheils sehr gelbe
Und etwas Baurenstoltz: sie bilden sich was ein,
Und meynen Wunder! was sie vor Gesichter seyn.
Zudem so giebt es hier auch nasenweise Hirten,
Die soll nun unser Eins bey Tag und Nacht bewirthen,
Die tadeln offtermahls auch unsrer Flöte Klang,
Doch klinget ihr Geschrey, so wie ein Frosch-Gesang.
Nächst ließ ein solcher Mann ein Lied bey mir bestellen,
Jch macht es; da wollt er ein kluges Urtheil fällen,
Und sprach: Das Lied gefällt mir im geringsten nicht,
Es ist nicht hoch genug, nicht prächtig eingericht.
Darüber must ich nun wohl recht von Hertzen lachen,
Daß sich der Corydon so maußig wollte machen.
Der
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Von Jdyllen, Eclogen oder Schaͤfer-Gedichten.
muͤſſen. Weit beſſer iſt ihm das auf den vermeynten Tod
dieſer Sylvia gerathen, welches p. 69. deſſelben Theils zu
finden iſt. Auf dem 75ſten Blatte aber ſteht eines andern
unbenannten Poeten Geſpraͤche zweyer Verliebten, welches
auch ſeiner Abſicht nach ein Schaͤfer-Gedichte bedeuten ſoll.
Dieſes iſt ſo abgeſchmackt und garſtig, daß es nichts weniger
als dieſen Nahmen fuͤhren kan. Hergegen finde ich im IVten
Theile dieſer Gedichte p. 78 und 85 von C. H. noch ein Paar,
die mir ſehr gut gefallen, weil eine gewiſſe Einfalt und Un-
ſchuld darinn herrſchet, die mit keiner Grobheit vermenget iſt.
Z. E. p. 79 ſteht ein kleiner Umſtand ſehr natuͤrlich beſchrieben.

Jch glaub es hatte mirs der Pan ſo eingegeben,
Der Pan, der Hirten Gott, der vor der Schaͤfer Leben
Als wie vor ſeines ſorgt, damit ich, Saladin,
Dir moͤchte dieſen Dorn aus deinem Fuße ziehn.
Da ſtund ein Eichenbaum mit ſehr gekruͤmmten Zweigen,
(Jch daͤcht, ich wollt ihn dir noch dieſe Stunde zeigen,
Es war ein junger Baum, ſonſt gleich und ziemlich breit,
Und auf der Rinde noch mit Mooße nicht beſtreut,)
Da ſah ich ꝛc.

Jmgleichen kommt p. 82 eine ſehr artige Stelle, die wohl
werth iſt daß ich ſie anmercke.

Zudem gefallen mir auch hier die Schaͤfer-Huͤtten,
Der Hirten Lebensart, der Schaͤferinnen Sitten
Faſt im geringſten nicht, und waͤrſt du nicht bey mir,
Jch glaub ich waͤre ſchon vorlaͤngſten nicht mehr hier.
Es giebt gar kahle Trifft am Ufer dieſer Elbe,
Die Schaͤferinnen ſind auch mehrentheils ſehr gelbe
Und etwas Baurenſtoltz: ſie bilden ſich was ein,
Und meynen Wunder! was ſie vor Geſichter ſeyn.
Zudem ſo giebt es hier auch naſenweiſe Hirten,
Die ſoll nun unſer Eins bey Tag und Nacht bewirthen,
Die tadeln offtermahls auch unſrer Floͤte Klang,
Doch klinget ihr Geſchrey, ſo wie ein Froſch-Geſang.
Naͤchſt ließ ein ſolcher Mann ein Lied bey mir beſtellen,
Jch macht es; da wollt er ein kluges Urtheil faͤllen,
Und ſprach: Das Lied gefaͤllt mir im geringſten nicht,
Es iſt nicht hoch genug, nicht praͤchtig eingericht.
Daruͤber muſt ich nun wohl recht von Hertzen lachen,
Daß ſich der Corydon ſo maußig wollte machen.
Der
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[391/0419] Von Jdyllen, Eclogen oder Schaͤfer-Gedichten. muͤſſen. Weit beſſer iſt ihm das auf den vermeynten Tod dieſer Sylvia gerathen, welches p. 69. deſſelben Theils zu finden iſt. Auf dem 75ſten Blatte aber ſteht eines andern unbenannten Poeten Geſpraͤche zweyer Verliebten, welches auch ſeiner Abſicht nach ein Schaͤfer-Gedichte bedeuten ſoll. Dieſes iſt ſo abgeſchmackt und garſtig, daß es nichts weniger als dieſen Nahmen fuͤhren kan. Hergegen finde ich im IVten Theile dieſer Gedichte p. 78 und 85 von C. H. noch ein Paar, die mir ſehr gut gefallen, weil eine gewiſſe Einfalt und Un- ſchuld darinn herrſchet, die mit keiner Grobheit vermenget iſt. Z. E. p. 79 ſteht ein kleiner Umſtand ſehr natuͤrlich beſchrieben. Jch glaub es hatte mirs der Pan ſo eingegeben, Der Pan, der Hirten Gott, der vor der Schaͤfer Leben Als wie vor ſeines ſorgt, damit ich, Saladin, Dir moͤchte dieſen Dorn aus deinem Fuße ziehn. Da ſtund ein Eichenbaum mit ſehr gekruͤmmten Zweigen, (Jch daͤcht, ich wollt ihn dir noch dieſe Stunde zeigen, Es war ein junger Baum, ſonſt gleich und ziemlich breit, Und auf der Rinde noch mit Mooße nicht beſtreut,) Da ſah ich ꝛc. Jmgleichen kommt p. 82 eine ſehr artige Stelle, die wohl werth iſt daß ich ſie anmercke. Zudem gefallen mir auch hier die Schaͤfer-Huͤtten, Der Hirten Lebensart, der Schaͤferinnen Sitten Faſt im geringſten nicht, und waͤrſt du nicht bey mir, Jch glaub ich waͤre ſchon vorlaͤngſten nicht mehr hier. Es giebt gar kahle Trifft am Ufer dieſer Elbe, Die Schaͤferinnen ſind auch mehrentheils ſehr gelbe Und etwas Baurenſtoltz: ſie bilden ſich was ein, Und meynen Wunder! was ſie vor Geſichter ſeyn. Zudem ſo giebt es hier auch naſenweiſe Hirten, Die ſoll nun unſer Eins bey Tag und Nacht bewirthen, Die tadeln offtermahls auch unſrer Floͤte Klang, Doch klinget ihr Geſchrey, ſo wie ein Froſch-Geſang. Naͤchſt ließ ein ſolcher Mann ein Lied bey mir beſtellen, Jch macht es; da wollt er ein kluges Urtheil faͤllen, Und ſprach: Das Lied gefaͤllt mir im geringſten nicht, Es iſt nicht hoch genug, nicht praͤchtig eingericht. Daruͤber muſt ich nun wohl recht von Hertzen lachen, Daß ſich der Corydon ſo maußig wollte machen. Der B b 4

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Zitationshilfe: Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/419>, abgerufen am 24.11.2024.