Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.
I. Ecloge Auf die Homann- und Menckische Hochzeit 1725. in Leipzig. Damon und Silvander. DA wo die Elster ihre Fluthen,Mit Rauschen, in die Pleiße lenckt, Und, durch den sanften Strom, die krummgewachsnen Ruthen, Um Philurenens Gärten, tränckt: Da ist an den beliebten Linden, Zwar mancher schöne Platz zu finden; Doch fand sich jüngst ein sehr vertrautes Paar Von Schäsern, derer Hertz gantz gleich gesinnet war, Bey einer starcken Buchen ein. Sie liessen ihre Heerden weiden, Umarmten sich mit Freuden, Und weil der warme Sonnenschein Durch die halb-kahl, halb-gelben Zweige blickte, Und sie bey kühler Lufft durch ihren Strahl erquickte, So setzten beyde sich ins welcke Graß darnieder. Sie schwatzten anfangs dies und das, Und wusten öffters selbst nicht was. Darauf geriethen sie auf ihre Hirten-Lieder. Silvander bließ und Damon sang, Von seinem ungemeinen Leiden, Als er gezwungen ward von Dorilis zu scheiden, Dabey die Zärtlichkeit ihn offt zum seufzen zwang. Bald wechselten sie wieder, Silvander sang und Damon bließ, Von einer Schäferin, die Dorimene hieß, Die ihm die schönsten Blicke giebet; Wiewohl er sie nicht wieder liebet. Zuletzt
I. Ecloge Auf die Homann- und Menckiſche Hochzeit 1725. in Leipzig. Damon und Silvander. DA wo die Elſter ihre Fluthen,Mit Rauſchen, in die Pleiße lenckt, Und, durch den ſanften Strom, die krummgewachſnen Ruthen, Um Philurenens Gaͤrten, traͤnckt: Da iſt an den beliebten Linden, Zwar mancher ſchoͤne Platz zu finden; Doch fand ſich juͤngſt ein ſehr vertrautes Paar Von Schaͤſern, derer Hertz gantz gleich geſinnet war, Bey einer ſtarcken Buchen ein. Sie lieſſen ihre Heerden weiden, Umarmten ſich mit Freuden, Und weil der warme Sonnenſchein Durch die halb-kahl, halb-gelben Zweige blickte, Und ſie bey kuͤhler Lufft durch ihren Strahl erquickte, So ſetzten beyde ſich ins welcke Graß darnieder. Sie ſchwatzten anfangs dies und das, Und wuſten oͤffters ſelbſt nicht was. Darauf geriethen ſie auf ihre Hirten-Lieder. Silvander bließ und Damon ſang, Von ſeinem ungemeinen Leiden, Als er gezwungen ward von Dorilis zu ſcheiden, Dabey die Zaͤrtlichkeit ihn offt zum ſeufzen zwang. Bald wechſelten ſie wieder, Silvander ſang und Damon bließ, Von einer Schaͤferin, die Dorimene hieß, Die ihm die ſchoͤnſten Blicke giebet; Wiewohl er ſie nicht wieder liebet. Zuletzt
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Von Jdyllen, Eclogen oder Schaͤfer-Gedichten.
Et les Nymphes d’effroi, ſe cachent ſous les Eaux.
Au contraire cet autre, abjet dans ſon langage,
Fait parler ſes Bergers comme on parle au Village,
Ses vers plats & groſſiers, depouillez d’agrement,
Toujours baiſent la Terre & rampent triſtement.
On diroit que Ronſard ſur ſes Pipeaux Ruſtiques,
Vient encor fredonner ſes Idylles Gothiques,
Et changer, ſans reſpect de l’oreille & du ſon,
Lycidas en Pierrot, & Phyllis en Toinon &c.
Entre ces deux exces la Route eſt difficile
Suivez pour la trouver, Theocrite & Virgile &c.
I. Ecloge
Auf die Homann- und Menckiſche Hochzeit 1725.
in Leipzig.
Damon und Silvander.
DA wo die Elſter ihre Fluthen,
Mit Rauſchen, in die Pleiße lenckt,
Und, durch den ſanften Strom, die krummgewachſnen Ruthen,
Um Philurenens Gaͤrten, traͤnckt:
Da iſt an den beliebten Linden,
Zwar mancher ſchoͤne Platz zu finden;
Doch fand ſich juͤngſt ein ſehr vertrautes Paar
Von Schaͤſern, derer Hertz gantz gleich geſinnet war,
Bey einer ſtarcken Buchen ein.
Sie lieſſen ihre Heerden weiden,
Umarmten ſich mit Freuden,
Und weil der warme Sonnenſchein
Durch die halb-kahl, halb-gelben Zweige blickte,
Und ſie bey kuͤhler Lufft durch ihren Strahl erquickte,
So ſetzten beyde ſich ins welcke Graß darnieder.
Sie ſchwatzten anfangs dies und das,
Und wuſten oͤffters ſelbſt nicht was.
Darauf geriethen ſie auf ihre Hirten-Lieder.
Silvander bließ und Damon ſang,
Von ſeinem ungemeinen Leiden,
Als er gezwungen ward von Dorilis zu ſcheiden,
Dabey die Zaͤrtlichkeit ihn offt zum ſeufzen zwang.
Bald wechſelten ſie wieder,
Silvander ſang und Damon bließ,
Von einer Schaͤferin, die Dorimene hieß,
Die ihm die ſchoͤnſten Blicke giebet;
Wiewohl er ſie nicht wieder liebet.
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