Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.

Bild:
<< vorherige Seite

Des II Theils III Capitel

Die Hochzeit selber war denselben Tag geschehn,
Und weil hier Corylas die Galathee gesehn,
War seine Schäferin vor Eifersucht entglommen,
Aus Furcht, daß ihm die Braut vielleicht das Hertz genommen.

Ja, sprach sie; freylich wohl, bin ich so artig nicht,
Als man von Galathee, der Meißner-Nymphe spricht.
Sie geht weit zierlicher als unsers Schultzen Käthe,
Und lebt und spricht galant, nach Art der großen Städte.
Was meynst du wohl damit? versetzte Corylas,
Das klingt mir rätzelhafft? Sprich, wie verstehst du das?
Ach du verstehst mich wohl, gab mit gebrochnem Blicke,
Die Schäferin darauf, doch halb beschämt zurücke.
Wer solche Schönen sieht, die durch ein seidnes Kleid,
Durch einen Puder-Putz und manche Kostbarkeit,
Die nicht auf Dörfern wächst, den zarten Cörper schmücken,
Den muß ja solch ein Bild weit hefftiger entzücken,
Als was ein schlechtes Dorf erzeuget und erzieht,
Daran man keinen Schmuck als Flachs und Wolle sieht,
Dafern die Blumen nicht mit ihrer Farben Schimmer
Ein glattes Haar - - doch kurtz, ich bin kein Frauenzimmer,
Du weist schon was ich will. Ach liebste Schäferin,
Versetzte Corylas, was hast du doch im Sinn?
Dich quält die Eifersucht. Jch weiß schon was geschehen,
Du zürnst, weil ich vorhin die Galathee gesehen.
Allein du zürnst umsonst. Zwar ich gesteh es gern,
Jch sah sie, doch ich stund ein wenig allzufern.
Man hat bald hie bald da in letzt verwichnen Wochen,
Von ihrer Trefflichkeit so viel zu mir gesprochen,
Daß ich begierig war die Wahrheit selbst zu sehn,
Allein was ist nun mehr? dadurch ist nichts geschehn,
Das dir zuwieder sey. Du kanst es leicht erachten,
Jch konnte sie so sehr von weitem nicht betrachten,
Als du vielleicht geglaubt. Die Leute drängten sich,
Jch drängte mich zwar auch, doch dacht ich gleich an dich,
An dich, mein andres Hertz, und sprach mit Wiederwillen;
Viel lieber geh ich ja zu meiner Amarillen.
Drauf kam ich auch zu dir. Jndessen bleibts dabey,
Daß unser Galatin im freyen glücklich sey.
Und er verdient es auch. Du kennst sein kluges Wesen,
Und hier hat er gewiß was schönes auserlesen.
Jch finde nichts an ihr das tadelswürdig ist:
Und wenn du nur nicht noch so voller Argwohn bist;
So will ich dir gewiß gantz offenbar bekennen,
Sie sey in Wahrheit schön und liebenswerth zu nennen.
So

Des II Theils III Capitel

Die Hochzeit ſelber war denſelben Tag geſchehn,
Und weil hier Corylas die Galathee geſehn,
War ſeine Schaͤferin vor Eiferſucht entglommen,
Aus Furcht, daß ihm die Braut vielleicht das Hertz genommen.

Ja, ſprach ſie; freylich wohl, bin ich ſo artig nicht,
Als man von Galathee, der Meißner-Nymphe ſpricht.
Sie geht weit zierlicher als unſers Schultzen Kaͤthe,
Und lebt und ſpricht galant, nach Art der großen Staͤdte.
Was meynſt du wohl damit? verſetzte Corylas,
Das klingt mir raͤtzelhafft? Sprich, wie verſtehſt du das?
Ach du verſtehſt mich wohl, gab mit gebrochnem Blicke,
Die Schaͤferin darauf, doch halb beſchaͤmt zuruͤcke.
Wer ſolche Schoͤnen ſieht, die durch ein ſeidnes Kleid,
Durch einen Puder-Putz und manche Koſtbarkeit,
Die nicht auf Doͤrfern waͤchſt, den zarten Coͤrper ſchmuͤcken,
Den muß ja ſolch ein Bild weit hefftiger entzuͤcken,
Als was ein ſchlechtes Dorf erzeuget und erzieht,
Daran man keinen Schmuck als Flachs und Wolle ſieht,
Dafern die Blumen nicht mit ihrer Farben Schimmer
Ein glattes Haar ‒ ‒ doch kurtz, ich bin kein Frauenzimmer,
Du weiſt ſchon was ich will. Ach liebſte Schaͤferin,
Verſetzte Corylas, was haſt du doch im Sinn?
Dich quaͤlt die Eiferſucht. Jch weiß ſchon was geſchehen,
Du zuͤrnſt, weil ich vorhin die Galathee geſehen.
Allein du zuͤrnſt umſonſt. Zwar ich geſteh es gern,
Jch ſah ſie, doch ich ſtund ein wenig allzufern.
Man hat bald hie bald da in letzt verwichnen Wochen,
Von ihrer Trefflichkeit ſo viel zu mir geſprochen,
Daß ich begierig war die Wahrheit ſelbſt zu ſehn,
Allein was iſt nun mehr? dadurch iſt nichts geſchehn,
Das dir zuwieder ſey. Du kanſt es leicht erachten,
Jch konnte ſie ſo ſehr von weitem nicht betrachten,
Als du vielleicht geglaubt. Die Leute draͤngten ſich,
Jch draͤngte mich zwar auch, doch dacht ich gleich an dich,
An dich, mein andres Hertz, und ſprach mit Wiederwillen;
Viel lieber geh ich ja zu meiner Amarillen.
Drauf kam ich auch zu dir. Jndeſſen bleibts dabey,
Daß unſer Galatin im freyen gluͤcklich ſey.
Und er verdient es auch. Du kennſt ſein kluges Weſen,
Und hier hat er gewiß was ſchoͤnes auserleſen.
Jch finde nichts an ihr das tadelswuͤrdig iſt:
Und wenn du nur nicht noch ſo voller Argwohn biſt;
So will ich dir gewiß gantz offenbar bekennen,
Sie ſey in Wahrheit ſchoͤn und liebenswerth zu nennen.
So
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <lg n="23">
                <l>
                  <pb facs="#f0430" n="402"/>
                  <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Des <hi rendition="#aq">II</hi> Theils <hi rendition="#aq">III</hi> Capitel</hi> </fw>
                </l><lb/>
                <l>Die Hochzeit &#x017F;elber war den&#x017F;elben Tag ge&#x017F;chehn,</l><lb/>
                <l>Und weil hier Corylas die Galathee ge&#x017F;ehn,</l><lb/>
                <l>War &#x017F;eine Scha&#x0364;ferin vor Eifer&#x017F;ucht entglommen,</l><lb/>
                <l>Aus Furcht, daß ihm die Braut vielleicht das Hertz genommen.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="24">
                <l>Ja, &#x017F;prach &#x017F;ie; freylich wohl, bin ich &#x017F;o artig nicht,</l><lb/>
                <l>Als man von Galathee, der Meißner-Nymphe &#x017F;pricht.</l><lb/>
                <l>Sie geht weit zierlicher als un&#x017F;ers Schultzen Ka&#x0364;the,</l><lb/>
                <l>Und lebt und &#x017F;pricht galant, nach Art der großen Sta&#x0364;dte.</l><lb/>
                <l>Was meyn&#x017F;t du wohl damit? ver&#x017F;etzte Corylas,</l><lb/>
                <l>Das klingt mir ra&#x0364;tzelhafft? Sprich, wie ver&#x017F;teh&#x017F;t du das?</l><lb/>
                <l>Ach du ver&#x017F;teh&#x017F;t mich wohl, gab mit gebrochnem Blicke,</l><lb/>
                <l>Die Scha&#x0364;ferin darauf, doch halb be&#x017F;cha&#x0364;mt zuru&#x0364;cke.</l><lb/>
                <l>Wer &#x017F;olche Scho&#x0364;nen &#x017F;ieht, die durch ein &#x017F;eidnes Kleid,</l><lb/>
                <l>Durch einen Puder-Putz und manche Ko&#x017F;tbarkeit,</l><lb/>
                <l>Die nicht auf Do&#x0364;rfern wa&#x0364;ch&#x017F;t, den zarten Co&#x0364;rper &#x017F;chmu&#x0364;cken,</l><lb/>
                <l>Den muß ja &#x017F;olch ein Bild weit hefftiger entzu&#x0364;cken,</l><lb/>
                <l>Als was ein &#x017F;chlechtes Dorf erzeuget und erzieht,</l><lb/>
                <l>Daran man keinen Schmuck als Flachs und Wolle &#x017F;ieht,</l><lb/>
                <l>Dafern die Blumen nicht mit ihrer Farben Schimmer</l><lb/>
                <l>Ein glattes Haar &#x2012; &#x2012; doch kurtz, ich bin kein Frauenzimmer,</l><lb/>
                <l>Du wei&#x017F;t &#x017F;chon was ich will. Ach lieb&#x017F;te Scha&#x0364;ferin,</l><lb/>
                <l>Ver&#x017F;etzte Corylas, was ha&#x017F;t du doch im Sinn?</l><lb/>
                <l>Dich qua&#x0364;lt die Eifer&#x017F;ucht. Jch weiß &#x017F;chon was ge&#x017F;chehen,</l><lb/>
                <l>Du zu&#x0364;rn&#x017F;t, weil ich vorhin die Galathee ge&#x017F;ehen.</l><lb/>
                <l>Allein du zu&#x0364;rn&#x017F;t um&#x017F;on&#x017F;t. Zwar ich ge&#x017F;teh es gern,</l><lb/>
                <l>Jch &#x017F;ah &#x017F;ie, doch ich &#x017F;tund ein wenig allzufern.</l><lb/>
                <l>Man hat bald hie bald da in letzt verwichnen Wochen,</l><lb/>
                <l>Von ihrer Trefflichkeit &#x017F;o viel zu mir ge&#x017F;prochen,</l><lb/>
                <l>Daß ich begierig war die Wahrheit &#x017F;elb&#x017F;t zu &#x017F;ehn,</l><lb/>
                <l>Allein was i&#x017F;t nun mehr? dadurch i&#x017F;t nichts ge&#x017F;chehn,</l><lb/>
                <l>Das dir zuwieder &#x017F;ey. Du kan&#x017F;t es leicht erachten,</l><lb/>
                <l>Jch konnte &#x017F;ie &#x017F;o &#x017F;ehr von weitem nicht betrachten,</l><lb/>
                <l>Als du vielleicht geglaubt. Die Leute dra&#x0364;ngten &#x017F;ich,</l><lb/>
                <l>Jch dra&#x0364;ngte mich zwar auch, doch dacht ich gleich an dich,</l><lb/>
                <l>An dich, mein andres Hertz, und &#x017F;prach mit Wiederwillen;</l><lb/>
                <l>Viel lieber geh ich ja zu meiner Amarillen.</l><lb/>
                <l>Drauf kam ich auch zu dir. Jnde&#x017F;&#x017F;en bleibts dabey,</l><lb/>
                <l>Daß un&#x017F;er Galatin im freyen glu&#x0364;cklich &#x017F;ey.</l><lb/>
                <l>Und er verdient es auch. Du kenn&#x017F;t &#x017F;ein kluges We&#x017F;en,</l><lb/>
                <l>Und hier hat er gewiß was &#x017F;cho&#x0364;nes auserle&#x017F;en.</l><lb/>
                <l>Jch finde nichts an ihr das tadelswu&#x0364;rdig i&#x017F;t:</l><lb/>
                <l>Und wenn du nur nicht noch &#x017F;o voller Argwohn bi&#x017F;t;</l><lb/>
                <l>So will ich dir gewiß gantz offenbar bekennen,</l><lb/>
                <l>Sie &#x017F;ey in Wahrheit &#x017F;cho&#x0364;n und liebenswerth zu nennen.</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">So</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[402/0430] Des II Theils III Capitel Die Hochzeit ſelber war denſelben Tag geſchehn, Und weil hier Corylas die Galathee geſehn, War ſeine Schaͤferin vor Eiferſucht entglommen, Aus Furcht, daß ihm die Braut vielleicht das Hertz genommen. Ja, ſprach ſie; freylich wohl, bin ich ſo artig nicht, Als man von Galathee, der Meißner-Nymphe ſpricht. Sie geht weit zierlicher als unſers Schultzen Kaͤthe, Und lebt und ſpricht galant, nach Art der großen Staͤdte. Was meynſt du wohl damit? verſetzte Corylas, Das klingt mir raͤtzelhafft? Sprich, wie verſtehſt du das? Ach du verſtehſt mich wohl, gab mit gebrochnem Blicke, Die Schaͤferin darauf, doch halb beſchaͤmt zuruͤcke. Wer ſolche Schoͤnen ſieht, die durch ein ſeidnes Kleid, Durch einen Puder-Putz und manche Koſtbarkeit, Die nicht auf Doͤrfern waͤchſt, den zarten Coͤrper ſchmuͤcken, Den muß ja ſolch ein Bild weit hefftiger entzuͤcken, Als was ein ſchlechtes Dorf erzeuget und erzieht, Daran man keinen Schmuck als Flachs und Wolle ſieht, Dafern die Blumen nicht mit ihrer Farben Schimmer Ein glattes Haar ‒ ‒ doch kurtz, ich bin kein Frauenzimmer, Du weiſt ſchon was ich will. Ach liebſte Schaͤferin, Verſetzte Corylas, was haſt du doch im Sinn? Dich quaͤlt die Eiferſucht. Jch weiß ſchon was geſchehen, Du zuͤrnſt, weil ich vorhin die Galathee geſehen. Allein du zuͤrnſt umſonſt. Zwar ich geſteh es gern, Jch ſah ſie, doch ich ſtund ein wenig allzufern. Man hat bald hie bald da in letzt verwichnen Wochen, Von ihrer Trefflichkeit ſo viel zu mir geſprochen, Daß ich begierig war die Wahrheit ſelbſt zu ſehn, Allein was iſt nun mehr? dadurch iſt nichts geſchehn, Das dir zuwieder ſey. Du kanſt es leicht erachten, Jch konnte ſie ſo ſehr von weitem nicht betrachten, Als du vielleicht geglaubt. Die Leute draͤngten ſich, Jch draͤngte mich zwar auch, doch dacht ich gleich an dich, An dich, mein andres Hertz, und ſprach mit Wiederwillen; Viel lieber geh ich ja zu meiner Amarillen. Drauf kam ich auch zu dir. Jndeſſen bleibts dabey, Daß unſer Galatin im freyen gluͤcklich ſey. Und er verdient es auch. Du kennſt ſein kluges Weſen, Und hier hat er gewiß was ſchoͤnes auserleſen. Jch finde nichts an ihr das tadelswuͤrdig iſt: Und wenn du nur nicht noch ſo voller Argwohn biſt; So will ich dir gewiß gantz offenbar bekennen, Sie ſey in Wahrheit ſchoͤn und liebenswerth zu nennen. So

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/430
Zitationshilfe: Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/430>, abgerufen am 24.11.2024.