Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.

Bild:
<< vorherige Seite
Von Jdyllen, Eclogen und Schäfer-Gedichten.
Thyrsis.
So viel Fische jener See,
Und das Ufer Graß und Klee
Dir mein Pylades wird zollen:
So viel Seegen, Heyl und Glück,
Gönne dir des Himmels Blick;
Biß wir gleichfalls folgen sollen.
Palämon.
Eh der schwangre Schooß der Erden,
Wird von Blumen trächtig werden,
Die der Frühling nährt und säugt:
Werden wir schon von Cytheren,
Die erwünschte Zeitung hören
Daß sie uns was kleines zeigt.
Thyrsis.
So vielmahl des Monden Licht,
Jährlich neuen Glantz verspricht;
So vielmahl soll es geschehen,
Daß dieß neuverliebte Paar,
Künftighin von Jahr zu Jahr,
Sein Geschlecht vermehrt wird sehen.
IV. Ecloge
Auf meines lieben Vaters sechzigsten Geburts-Tag
1728.
Damon und Prutenio.
WO Sachsens Paradies, das fette Meißner-Land,
Den Kummer aus der Brust beglückter Hirten bannt;
Wo Erd und Himmel lacht, und sich in flachen Auen
Noch mancher Uberrest der güldnen Zeit läßt schauen;
Wo Schäfer alter Art, wie dazumahl geschehn,
Die Ställe voller Vieh, die Fluren fruchtbar sehn;
Wo manch gebückter Greis vergnügt am Stabe gehet,
Und mitten in der Schaar umkräntzter Enckel stehet;
Kurtz, wo die Unschuld herrscht, wo alles lacht und liebt,
Weil kein tyrannisch Joch das freye Volck betrübt;
Da saß Prutenio, ein fremder Hirt, im Schatten,
Als seine Heerden sich ins Gras gelagert hatten.
Hier sann er gantz vertieft dem seltnen Schicksal nach,
Das ihn dahin gebracht. Er seufzte laut, und sprach:
O Himmel! der du mir viel gutes zugemessen,
Soll ich mein Vatterland denn gantz und gar vergessen?
Den
C c 4
Von Jdyllen, Eclogen und Schaͤfer-Gedichten.
Thyrſis.
So viel Fiſche jener See,
Und das Ufer Graß und Klee
Dir mein Pylades wird zollen:
So viel Seegen, Heyl und Gluͤck,
Goͤnne dir des Himmels Blick;
Biß wir gleichfalls folgen ſollen.
Palaͤmon.
Eh der ſchwangre Schooß der Erden,
Wird von Blumen traͤchtig werden,
Die der Fruͤhling naͤhrt und ſaͤugt:
Werden wir ſchon von Cytheren,
Die erwuͤnſchte Zeitung hoͤren
Daß ſie uns was kleines zeigt.
Thyrſis.
So vielmahl des Monden Licht,
Jaͤhrlich neuen Glantz verſpricht;
So vielmahl ſoll es geſchehen,
Daß dieß neuverliebte Paar,
Kuͤnftighin von Jahr zu Jahr,
Sein Geſchlecht vermehrt wird ſehen.
IV. Ecloge
Auf meines lieben Vaters ſechzigſten Geburts-Tag
1728.
Damon und Prutenio.
WO Sachſens Paradies, das fette Meißner-Land,
Den Kummer aus der Bruſt begluͤckter Hirten bannt;
Wo Erd und Himmel lacht, und ſich in flachen Auen
Noch mancher Uberreſt der guͤldnen Zeit laͤßt ſchauen;
Wo Schaͤfer alter Art, wie dazumahl geſchehn,
Die Staͤlle voller Vieh, die Fluren fruchtbar ſehn;
Wo manch gebuͤckter Greis vergnuͤgt am Stabe gehet,
Und mitten in der Schaar umkraͤntzter Enckel ſtehet;
Kurtz, wo die Unſchuld herrſcht, wo alles lacht und liebt,
Weil kein tyranniſch Joch das freye Volck betruͤbt;
Da ſaß Prutenio, ein fremder Hirt, im Schatten,
Als ſeine Heerden ſich ins Gras gelagert hatten.
Hier ſann er gantz vertieft dem ſeltnen Schickſal nach,
Das ihn dahin gebracht. Er ſeufzte laut, und ſprach:
O Himmel! der du mir viel gutes zugemeſſen,
Soll ich mein Vatterland denn gantz und gar vergeſſen?
Den
C c 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0435" n="407"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von Jdyllen, Eclogen und Scha&#x0364;fer-Gedichten.</hi> </fw><lb/>
              <lg n="45">
                <head> <hi rendition="#fr">Thyr&#x017F;is.</hi> </head><lb/>
                <l>So viel Fi&#x017F;che jener See,</l><lb/>
                <l>Und das Ufer Graß und Klee</l><lb/>
                <l>Dir mein Pylades wird zollen:</l><lb/>
                <l>So viel Seegen, Heyl und Glu&#x0364;ck,</l><lb/>
                <l>Go&#x0364;nne dir des Himmels Blick;</l><lb/>
                <l>Biß wir gleichfalls folgen &#x017F;ollen.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="46">
                <head> <hi rendition="#fr">Pala&#x0364;mon.</hi> </head><lb/>
                <l>Eh der &#x017F;chwangre Schooß der Erden,</l><lb/>
                <l>Wird von Blumen tra&#x0364;chtig werden,</l><lb/>
                <l>Die der Fru&#x0364;hling na&#x0364;hrt und &#x017F;a&#x0364;ugt:</l><lb/>
                <l>Werden wir &#x017F;chon von Cytheren,</l><lb/>
                <l>Die erwu&#x0364;n&#x017F;chte Zeitung ho&#x0364;ren</l><lb/>
                <l>Daß &#x017F;ie uns was kleines zeigt.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="47">
                <head> <hi rendition="#fr">Thyr&#x017F;is.</hi> </head><lb/>
                <l>So vielmahl des Monden Licht,</l><lb/>
                <l>Ja&#x0364;hrlich neuen Glantz ver&#x017F;pricht;</l><lb/>
                <l>So vielmahl &#x017F;oll es ge&#x017F;chehen,</l><lb/>
                <l>Daß dieß neuverliebte Paar,</l><lb/>
                <l>Ku&#x0364;nftighin von Jahr zu Jahr,</l><lb/>
                <l>Sein Ge&#x017F;chlecht vermehrt wird &#x017F;ehen.</l>
              </lg>
            </lg>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq">IV.</hi> <hi rendition="#b">Ecloge<lb/>
Auf meines lieben Vaters &#x017F;echzig&#x017F;ten Geburts-Tag<lb/>
1728.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="48">
                <head> <hi rendition="#fr">Damon und Prutenio.</hi> </head><lb/>
                <l><hi rendition="#in">W</hi>O Sach&#x017F;ens Paradies, das fette Meißner-Land,</l><lb/>
                <l>Den Kummer aus der Bru&#x017F;t beglu&#x0364;ckter Hirten bannt;</l><lb/>
                <l>Wo Erd und Himmel lacht, und &#x017F;ich in flachen Auen</l><lb/>
                <l>Noch mancher Uberre&#x017F;t der gu&#x0364;ldnen Zeit la&#x0364;ßt &#x017F;chauen;</l><lb/>
                <l>Wo Scha&#x0364;fer alter Art, wie dazumahl ge&#x017F;chehn,</l><lb/>
                <l>Die Sta&#x0364;lle voller Vieh, die Fluren fruchtbar &#x017F;ehn;</l><lb/>
                <l>Wo manch gebu&#x0364;ckter Greis vergnu&#x0364;gt am Stabe gehet,</l><lb/>
                <l>Und mitten in der Schaar umkra&#x0364;ntzter Enckel &#x017F;tehet;</l><lb/>
                <l>Kurtz, wo die Un&#x017F;chuld herr&#x017F;cht, wo alles lacht und liebt,</l><lb/>
                <l>Weil kein tyranni&#x017F;ch Joch das freye Volck betru&#x0364;bt;</l><lb/>
                <l>Da &#x017F;aß Prutenio, ein fremder Hirt, im Schatten,</l><lb/>
                <l>Als &#x017F;eine Heerden &#x017F;ich ins Gras gelagert hatten.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="49">
                <l>Hier &#x017F;ann er gantz vertieft dem &#x017F;eltnen Schick&#x017F;al nach,</l><lb/>
                <l>Das ihn dahin gebracht. Er &#x017F;eufzte laut, und &#x017F;prach:</l><lb/>
                <l>O Himmel! der du mir viel gutes zugeme&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
                <l>Soll ich mein Vatterland denn gantz und gar verge&#x017F;&#x017F;en?<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C c 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Den</fw><lb/></l>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[407/0435] Von Jdyllen, Eclogen und Schaͤfer-Gedichten. Thyrſis. So viel Fiſche jener See, Und das Ufer Graß und Klee Dir mein Pylades wird zollen: So viel Seegen, Heyl und Gluͤck, Goͤnne dir des Himmels Blick; Biß wir gleichfalls folgen ſollen. Palaͤmon. Eh der ſchwangre Schooß der Erden, Wird von Blumen traͤchtig werden, Die der Fruͤhling naͤhrt und ſaͤugt: Werden wir ſchon von Cytheren, Die erwuͤnſchte Zeitung hoͤren Daß ſie uns was kleines zeigt. Thyrſis. So vielmahl des Monden Licht, Jaͤhrlich neuen Glantz verſpricht; So vielmahl ſoll es geſchehen, Daß dieß neuverliebte Paar, Kuͤnftighin von Jahr zu Jahr, Sein Geſchlecht vermehrt wird ſehen. IV. Ecloge Auf meines lieben Vaters ſechzigſten Geburts-Tag 1728. Damon und Prutenio. WO Sachſens Paradies, das fette Meißner-Land, Den Kummer aus der Bruſt begluͤckter Hirten bannt; Wo Erd und Himmel lacht, und ſich in flachen Auen Noch mancher Uberreſt der guͤldnen Zeit laͤßt ſchauen; Wo Schaͤfer alter Art, wie dazumahl geſchehn, Die Staͤlle voller Vieh, die Fluren fruchtbar ſehn; Wo manch gebuͤckter Greis vergnuͤgt am Stabe gehet, Und mitten in der Schaar umkraͤntzter Enckel ſtehet; Kurtz, wo die Unſchuld herrſcht, wo alles lacht und liebt, Weil kein tyranniſch Joch das freye Volck betruͤbt; Da ſaß Prutenio, ein fremder Hirt, im Schatten, Als ſeine Heerden ſich ins Gras gelagert hatten. Hier ſann er gantz vertieft dem ſeltnen Schickſal nach, Das ihn dahin gebracht. Er ſeufzte laut, und ſprach: O Himmel! der du mir viel gutes zugemeſſen, Soll ich mein Vatterland denn gantz und gar vergeſſen? Den C c 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/435
Zitationshilfe: Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/435>, abgerufen am 24.11.2024.