Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.
Sie sieht der Pallas gleich an Minen und Gesicht, Weil ihr der Weisheit Strahl aus beyden Augen bricht. Jhr Hertz liebt Gottesfurcht, da ein geweyhter Orden Bißher in Gandersheim ihr Aufenthalt geworden. Wo Witz und Frömmigkeit nun beyeinander stehn, Da folgt der Seegen nach, da folgt das Wohlergehn, Da steht des Himmels Huld so ihr als andern offen, Was kan nun Schwartzburg nicht von dieser Fürstin hoffen? Wohlan so kröne denn des Höchsten Gnaden-Hand, Durchlauchtes Fürsten-Paar, dein neugeknüpftes Band, Es schmücke sich dereinst, nach viel vergnügten Jahren, Bey Kräfften, Glück und Heil dein Haupt mit grauen Haaren. Seyd beyde, wie bisher, der treuen Bürger Lust, Und nehmt die Ehrfurcht an, die eurer Diener Brust Euch voller Zärtlichkeit und treuer Liebe weyhet, So wird man freudig sehn, daß unser Wunsch gedeyhet. V. Schreiben An die Königliche und Churfürstl. Sächß. Hofmahlerin, Madame Wernerin, 1729. DU Tochter der Natur, berühmte Künstlerin! So wahr ich, wie du weist, ein Freund der Musen bin, So treulich schwer ich dir, daß deine Kunst vor allen Die Dreßden in sich hegt, mir neulich wohlgefallen. Dem Freunde danck ichs noch, durch den es mir geglückt, Daß ich manch Meister-Stück von deiner Hand erblickt, Ja daß ich dich zugleich, die Meisterin gesehen, Du Zierde deiner Zeit! Der Tag da dieß geschehen, Soll unvergeßlich seyn. Jch halt ihn ewig werth, Und wenn der Moder mir einst Hand und Kiel verzehrt, Soll doch die späte Zeit aus diesen Zeilen lesen, Daß du, o Künstlerin, auch mir bekannt gewesen. Jhr Meister von Athen, die der vernarrten Welt So manches Wunder-Bild zum Abgott dargestellt; Jhr Meister, die ihr sonst mit zarten Pinsel-Zügen Einander offt gesucht im Wettstreit zu besiegen; Jhr, derer Zauber-Kunst der wilden Vögel Schaar, Durch die gemahlte Frucht ein falsches Lockbrodt war; Ja deren Hand sogar die Künstler selbst betrogen, Die ein gemahltes Tuch vergebens weggezogen: Ach prahlt doch ja nicht mehr! das kleine Preußen-Land Beschämt euch jetzt so gar durch eine Weiber-Hand, Hat
Sie ſieht der Pallas gleich an Minen und Geſicht, Weil ihr der Weisheit Strahl aus beyden Augen bricht. Jhr Hertz liebt Gottesfurcht, da ein geweyhter Orden Bißher in Gandersheim ihr Aufenthalt geworden. Wo Witz und Froͤmmigkeit nun beyeinander ſtehn, Da folgt der Seegen nach, da folgt das Wohlergehn, Da ſteht des Himmels Huld ſo ihr als andern offen, Was kan nun Schwartzburg nicht von dieſer Fuͤrſtin hoffen? Wohlan ſo kroͤne denn des Hoͤchſten Gnaden-Hand, Durchlauchtes Fuͤrſten-Paar, dein neugeknuͤpftes Band, Es ſchmuͤcke ſich dereinſt, nach viel vergnuͤgten Jahren, Bey Kraͤfften, Gluͤck und Heil dein Haupt mit grauen Haaren. Seyd beyde, wie bisher, der treuen Buͤrger Luſt, Und nehmt die Ehrfurcht an, die eurer Diener Bruſt Euch voller Zaͤrtlichkeit und treuer Liebe weyhet, So wird man freudig ſehn, daß unſer Wunſch gedeyhet. V. Schreiben An die Koͤnigliche und Churfuͤrſtl. Saͤchß. Hofmahlerin, Madame Wernerin, 1729. DU Tochter der Natur, beruͤhmte Kuͤnſtlerin! So wahr ich, wie du weiſt, ein Freund der Muſen bin, So treulich ſchwer ich dir, daß deine Kunſt vor allen Die Dreßden in ſich hegt, mir neulich wohlgefallen. Dem Freunde danck ichs noch, durch den es mir gegluͤckt, Daß ich manch Meiſter-Stuͤck von deiner Hand erblickt, Ja daß ich dich zugleich, die Meiſterin geſehen, Du Zierde deiner Zeit! Der Tag da dieß geſchehen, Soll unvergeßlich ſeyn. Jch halt ihn ewig werth, Und wenn der Moder mir einſt Hand und Kiel verzehrt, Soll doch die ſpaͤte Zeit aus dieſen Zeilen leſen, Daß du, o Kuͤnſtlerin, auch mir bekannt geweſen. Jhr Meiſter von Athen, die der vernarrten Welt So manches Wunder-Bild zum Abgott dargeſtellt; Jhr Meiſter, die ihr ſonſt mit zarten Pinſel-Zuͤgen Einander offt geſucht im Wettſtreit zu beſiegen; Jhr, derer Zauber-Kunſt der wilden Voͤgel Schaar, Durch die gemahlte Frucht ein falſches Lockbrodt war; Ja deren Hand ſogar die Kuͤnſtler ſelbſt betrogen, Die ein gemahltes Tuch vergebens weggezogen: Ach prahlt doch ja nicht mehr! das kleine Preußen-Land Beſchaͤmt euch jetzt ſo gar durch eine Weiber-Hand, Hat
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Des II Theils V Capitel
Wodurch man tuͤchtig ſey, theils dich und theils Chriſtinen,
Dieß neue Gluͤcks-Geſtirn, mit Eifer zu bedienen.
Sie ſieht der Pallas gleich an Minen und Geſicht,
Weil ihr der Weisheit Strahl aus beyden Augen bricht.
Jhr Hertz liebt Gottesfurcht, da ein geweyhter Orden
Bißher in Gandersheim ihr Aufenthalt geworden.
Wo Witz und Froͤmmigkeit nun beyeinander ſtehn,
Da folgt der Seegen nach, da folgt das Wohlergehn,
Da ſteht des Himmels Huld ſo ihr als andern offen,
Was kan nun Schwartzburg nicht von dieſer Fuͤrſtin hoffen?
Wohlan ſo kroͤne denn des Hoͤchſten Gnaden-Hand,
Durchlauchtes Fuͤrſten-Paar, dein neugeknuͤpftes Band,
Es ſchmuͤcke ſich dereinſt, nach viel vergnuͤgten Jahren,
Bey Kraͤfften, Gluͤck und Heil dein Haupt mit grauen Haaren.
Seyd beyde, wie bisher, der treuen Buͤrger Luſt,
Und nehmt die Ehrfurcht an, die eurer Diener Bruſt
Euch voller Zaͤrtlichkeit und treuer Liebe weyhet,
So wird man freudig ſehn, daß unſer Wunſch gedeyhet.
V. Schreiben
An die Koͤnigliche und Churfuͤrſtl. Saͤchß. Hofmahlerin,
Madame Wernerin, 1729.
DU Tochter der Natur, beruͤhmte Kuͤnſtlerin!
So wahr ich, wie du weiſt, ein Freund der Muſen bin,
So treulich ſchwer ich dir, daß deine Kunſt vor allen
Die Dreßden in ſich hegt, mir neulich wohlgefallen.
Dem Freunde danck ichs noch, durch den es mir gegluͤckt,
Daß ich manch Meiſter-Stuͤck von deiner Hand erblickt,
Ja daß ich dich zugleich, die Meiſterin geſehen,
Du Zierde deiner Zeit! Der Tag da dieß geſchehen,
Soll unvergeßlich ſeyn. Jch halt ihn ewig werth,
Und wenn der Moder mir einſt Hand und Kiel verzehrt,
Soll doch die ſpaͤte Zeit aus dieſen Zeilen leſen,
Daß du, o Kuͤnſtlerin, auch mir bekannt geweſen.
Jhr Meiſter von Athen, die der vernarrten Welt
So manches Wunder-Bild zum Abgott dargeſtellt;
Jhr Meiſter, die ihr ſonſt mit zarten Pinſel-Zuͤgen
Einander offt geſucht im Wettſtreit zu beſiegen;
Jhr, derer Zauber-Kunſt der wilden Voͤgel Schaar,
Durch die gemahlte Frucht ein falſches Lockbrodt war;
Ja deren Hand ſogar die Kuͤnſtler ſelbſt betrogen,
Die ein gemahltes Tuch vergebens weggezogen:
Ach prahlt doch ja nicht mehr! das kleine Preußen-Land
Beſchaͤmt euch jetzt ſo gar durch eine Weiber-Hand,
Hat
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