Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grabbe, Christian Dietrich: Napoleon oder Die hundert Tage. Frankfurt (Main), 1831.

Bild:
<< vorherige Seite
auf das goldne N über ihrem Betthimmel, und
ließ sich die Hand auf das Herz legen.
Napoleon.
Ha! -- -- Genug, Hortense. Es ist überhaupt
alles anders geworden. Ich bin, wie in einer
Wüste. Berthier ist fern, Duroc, Bessieres sind
längst gefallen, Junot hat sich aus dem Fenster
zu Tode gestürzt, Louise und meinen Sohn hält
man zurück, und noch schlimmer als das alles,
viele sind weder gestorben, noch haben sie sich ent-
fernt, aber sie wurden Verräther. Selbst der Ney
-- Er ist der Muthigste meiner Marschälle, doch
an Character der Schwächste. Du hättest das Ge-
sicht sehen müssen, mit dem er vor mich trat, als
seine Truppen zu mir abfielen. Er hatte im Ernst
gegen mich kämpfen wollen, und konnte nun nicht
das Auge aufschlagen. Als ich ihm aber entgegen
ging und that als wüßt' ich nichts, ward er wie
ein geretteter armer Sünder, wäre mir fast zu
Füßen gefallen, und ich bin überzeugt, er streitet
nächstens verwegener für mich als je.
Hortense.
Ich würd' ihn nicht wieder anstellen.
Napoleon.
Ich muß es thun -- Sein Name hat einen
guten Klang im Heere.

auf das goldne N über ihrem Betthimmel, und
ließ ſich die Hand auf das Herz legen.
Napoleon.
Ha! — — Genug, Hortenſe. Es iſt überhaupt
alles anders geworden. Ich bin, wie in einer
Wuͤſte. Berthier iſt fern, Duroc, Beſſieres ſind
längſt gefallen, Junot hat ſich aus dem Fenſter
zu Tode geſtürzt, Louiſe und meinen Sohn hält
man zurück, und noch ſchlimmer als das alles,
viele ſind weder geſtorben, noch haben ſie ſich ent-
fernt, aber ſie wurden Verräther. Selbſt der Ney
— Er iſt der Muthigſte meiner Marſchälle, doch
an Character der Schwächſte. Du hätteſt das Ge-
ſicht ſehen müſſen, mit dem er vor mich trat, als
ſeine Truppen zu mir abfielen. Er hatte im Ernſt
gegen mich kämpfen wollen, und konnte nun nicht
das Auge aufſchlagen. Als ich ihm aber entgegen
ging und that als wüßt’ ich nichts, ward er wie
ein geretteter armer Sünder, wäre mir faſt zu
Füßen gefallen, und ich bin überzeugt, er ſtreitet
nächſtens verwegener für mich als je.
Hortenſe.
Ich würd’ ihn nicht wieder anſtellen.
Napoleon.
Ich muß es thun — Sein Name hat einen
guten Klang im Heere.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp who="#HORTEN">
              <p><pb facs="#f0179" n="171"/>
auf das goldne <hi rendition="#aq">N</hi> über ihrem Betthimmel, und<lb/>
ließ &#x017F;ich die Hand auf das Herz legen.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#NAP">
              <speaker><hi rendition="#g">Napoleon</hi>.</speaker><lb/>
              <p>Ha! &#x2014; &#x2014; Genug, Horten&#x017F;e. Es i&#x017F;t überhaupt<lb/>
alles anders geworden. Ich bin, wie in einer<lb/>
Wu&#x0364;&#x017F;te. Berthier i&#x017F;t fern, Duroc, Be&#x017F;&#x017F;ieres &#x017F;ind<lb/>
läng&#x017F;t gefallen, Junot hat &#x017F;ich aus dem Fen&#x017F;ter<lb/>
zu Tode ge&#x017F;türzt, Loui&#x017F;e und meinen Sohn hält<lb/>
man zurück, und noch &#x017F;chlimmer als das alles,<lb/>
viele &#x017F;ind weder ge&#x017F;torben, noch haben &#x017F;ie &#x017F;ich ent-<lb/>
fernt, aber &#x017F;ie wurden Verräther. Selb&#x017F;t der Ney<lb/>
&#x2014; Er i&#x017F;t der Muthig&#x017F;te meiner Mar&#x017F;chälle, doch<lb/>
an Character der Schwäch&#x017F;te. Du hätte&#x017F;t das Ge-<lb/>
&#x017F;icht &#x017F;ehen mü&#x017F;&#x017F;en, mit dem er vor mich trat, als<lb/>
&#x017F;eine Truppen zu mir abfielen. Er hatte im Ern&#x017F;t<lb/>
gegen mich kämpfen wollen, und konnte nun nicht<lb/>
das Auge auf&#x017F;chlagen. Als ich ihm aber entgegen<lb/>
ging und that als wüßt&#x2019; ich nichts, ward er wie<lb/>
ein geretteter armer Sünder, wäre mir fa&#x017F;t zu<lb/>
Füßen gefallen, und ich bin überzeugt, er &#x017F;treitet<lb/>
näch&#x017F;tens verwegener für mich als je.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#HORTEN">
              <speaker><hi rendition="#g">Horten&#x017F;e</hi>.</speaker><lb/>
              <p>Ich würd&#x2019; ihn nicht wieder an&#x017F;tellen.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#NAP">
              <speaker><hi rendition="#g">Napoleon</hi>.</speaker><lb/>
              <p>Ich muß es thun &#x2014; Sein Name hat einen<lb/>
guten Klang im Heere.</p>
            </sp><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0179] auf das goldne N über ihrem Betthimmel, und ließ ſich die Hand auf das Herz legen. Napoleon. Ha! — — Genug, Hortenſe. Es iſt überhaupt alles anders geworden. Ich bin, wie in einer Wuͤſte. Berthier iſt fern, Duroc, Beſſieres ſind längſt gefallen, Junot hat ſich aus dem Fenſter zu Tode geſtürzt, Louiſe und meinen Sohn hält man zurück, und noch ſchlimmer als das alles, viele ſind weder geſtorben, noch haben ſie ſich ent- fernt, aber ſie wurden Verräther. Selbſt der Ney — Er iſt der Muthigſte meiner Marſchälle, doch an Character der Schwächſte. Du hätteſt das Ge- ſicht ſehen müſſen, mit dem er vor mich trat, als ſeine Truppen zu mir abfielen. Er hatte im Ernſt gegen mich kämpfen wollen, und konnte nun nicht das Auge aufſchlagen. Als ich ihm aber entgegen ging und that als wüßt’ ich nichts, ward er wie ein geretteter armer Sünder, wäre mir faſt zu Füßen gefallen, und ich bin überzeugt, er ſtreitet nächſtens verwegener für mich als je. Hortenſe. Ich würd’ ihn nicht wieder anſtellen. Napoleon. Ich muß es thun — Sein Name hat einen guten Klang im Heere.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grabbe_napoleon_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grabbe_napoleon_1831/179
Zitationshilfe: Grabbe, Christian Dietrich: Napoleon oder Die hundert Tage. Frankfurt (Main), 1831, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grabbe_napoleon_1831/179>, abgerufen am 24.11.2024.