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Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844.

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Aeussere Multiplikation der Strecken. § 39
der Faktoren eines äusseren Produktes nicht fest genug einprägen
kann, indem es den gewöhnlichen Vorstellungen zu widerstreiten
scheint, so will ich noch auf eine Analogie hindeuten, welche aber
hier nur als Abschweifung aufgefasst sein will. Nämlich den Flä-
cheninhalt eines Spathecks a. b kann man, wenn der von a und b
eingeschlossene Winkel mit (ab) und die Längen der Strecken a
und b mit a und b bezeichnet werden, ausdrücken durch die
Formel:
[Formel 1] wo das Produkt der Längen das gewöhnliche, also a b = b a ist.
Da nun die Winkel (ab) und (ba) entgegengesetzt sind, und die
Sinusse entgegengesetzter Winkel gleichfalls entgegengesetzt sind,
so ist
[Formel 2] und also auch hiernach
[Formel 3] .

§ 39. Mit der hier gegebenen Entwickelung steht nun die
Darstellung des Recktecks durch das Produkt seiner Seitenlängen
nicht im Widerspruch, sobald man nur die blossen Seitenlängen,
in irgend einem gemeinschaftlichen Mass gemessen, als Faktoren
dieses Produktes festhält, und nur meint, dass der absolute (vom
Zeichen unabhängige) Flächenraum des Rechtecks so oft das Qua-
drat dieses Masses enthalten solle, als das Produkt jener Zahlen
beträgt. Will man aber damit noch mehr ausdrücken, und nament-
lich behaupten, dass der Flächenraum jenes Recktecks an sich,
d. h. auch seinem Zeichen nach, dem Produkte jener Seiten gleich-
gesetzt werden könne, so steht dies, wenn man eben für das Pro-
dukt noch die Eigenthümlichkeit des algebraischen Produktes fest-
halten will (wie bisher immer geschehen ist), mit den so eben er-
wiesenen Wahrheiten in offenbarem Widerspruch. Es erscheint
vielmehr das Parallelogramm (also auch das Rechteck) nothwendi-
ger Weise als ein solches Produkt seiner Seiten, in welchem die
Vertauschung seiner Faktoren nur mit Zeichenwechsel statt finden
könne. Wie leicht übrigens diese Auffassung über bedeutende
Schwierigkeiten, unter welchen sich selbst die ausgezeichnetsten
Mathematiker bisweilen verwirrt haben, hinweghilft, wird sich durch

Aeussere Multiplikation der Strecken. § 39
der Faktoren eines äusseren Produktes nicht fest genug einprägen
kann, indem es den gewöhnlichen Vorstellungen zu widerstreiten
scheint, so will ich noch auf eine Analogie hindeuten, welche aber
hier nur als Abschweifung aufgefasst sein will. Nämlich den Flä-
cheninhalt eines Spathecks a. b kann man, wenn der von a und b
eingeschlossene Winkel mit (ab) und die Längen der Strecken a
und b mit a und b bezeichnet werden, ausdrücken durch die
Formel:
[Formel 1] wo das Produkt der Längen das gewöhnliche, also a b = b a ist.
Da nun die Winkel (ab) und (ba) entgegengesetzt sind, und die
Sinusse entgegengesetzter Winkel gleichfalls entgegengesetzt sind,
so ist
[Formel 2] und also auch hiernach
[Formel 3] .

§ 39. Mit der hier gegebenen Entwickelung steht nun die
Darstellung des Recktecks durch das Produkt seiner Seitenlängen
nicht im Widerspruch, sobald man nur die blossen Seitenlängen,
in irgend einem gemeinschaftlichen Mass gemessen, als Faktoren
dieses Produktes festhält, und nur meint, dass der absolute (vom
Zeichen unabhängige) Flächenraum des Rechtecks so oft das Qua-
drat dieses Masses enthalten solle, als das Produkt jener Zahlen
beträgt. Will man aber damit noch mehr ausdrücken, und nament-
lich behaupten, dass der Flächenraum jenes Recktecks an sich,
d. h. auch seinem Zeichen nach, dem Produkte jener Seiten gleich-
gesetzt werden könne, so steht dies, wenn man eben für das Pro-
dukt noch die Eigenthümlichkeit des algebraischen Produktes fest-
halten will (wie bisher immer geschehen ist), mit den so eben er-
wiesenen Wahrheiten in offenbarem Widerspruch. Es erscheint
vielmehr das Parallelogramm (also auch das Rechteck) nothwendi-
ger Weise als ein solches Produkt seiner Seiten, in welchem die
Vertauschung seiner Faktoren nur mit Zeichenwechsel statt finden
könne. Wie leicht übrigens diese Auffassung über bedeutende
Schwierigkeiten, unter welchen sich selbst die ausgezeichnetsten
Mathematiker bisweilen verwirrt haben, hinweghilft, wird sich durch

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[64/0100] Aeussere Multiplikation der Strecken. § 39 der Faktoren eines äusseren Produktes nicht fest genug einprägen kann, indem es den gewöhnlichen Vorstellungen zu widerstreiten scheint, so will ich noch auf eine Analogie hindeuten, welche aber hier nur als Abschweifung aufgefasst sein will. Nämlich den Flä- cheninhalt eines Spathecks a. b kann man, wenn der von a und b eingeschlossene Winkel mit (ab) und die Längen der Strecken a und b mit a und b bezeichnet werden, ausdrücken durch die Formel: [FORMEL] wo das Produkt der Längen das gewöhnliche, also a b = b a ist. Da nun die Winkel (ab) und (ba) entgegengesetzt sind, und die Sinusse entgegengesetzter Winkel gleichfalls entgegengesetzt sind, so ist [FORMEL] und also auch hiernach [FORMEL]. § 39. Mit der hier gegebenen Entwickelung steht nun die Darstellung des Recktecks durch das Produkt seiner Seitenlängen nicht im Widerspruch, sobald man nur die blossen Seitenlängen, in irgend einem gemeinschaftlichen Mass gemessen, als Faktoren dieses Produktes festhält, und nur meint, dass der absolute (vom Zeichen unabhängige) Flächenraum des Rechtecks so oft das Qua- drat dieses Masses enthalten solle, als das Produkt jener Zahlen beträgt. Will man aber damit noch mehr ausdrücken, und nament- lich behaupten, dass der Flächenraum jenes Recktecks an sich, d. h. auch seinem Zeichen nach, dem Produkte jener Seiten gleich- gesetzt werden könne, so steht dies, wenn man eben für das Pro- dukt noch die Eigenthümlichkeit des algebraischen Produktes fest- halten will (wie bisher immer geschehen ist), mit den so eben er- wiesenen Wahrheiten in offenbarem Widerspruch. Es erscheint vielmehr das Parallelogramm (also auch das Rechteck) nothwendi- ger Weise als ein solches Produkt seiner Seiten, in welchem die Vertauschung seiner Faktoren nur mit Zeichenwechsel statt finden könne. Wie leicht übrigens diese Auffassung über bedeutende Schwierigkeiten, unter welchen sich selbst die ausgezeichnetsten Mathematiker bisweilen verwirrt haben, hinweghilft, wird sich durch

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Zitationshilfe: Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844/100>, abgerufen am 27.11.2024.