Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 24 Neue Grundlegung der Geometrie.
Grundrichtungen angehören, erzeugt wird, so kann man durch
Wiederholung dieser und der entgegengesetzten Fortbewegungen,
ganz eben so wie es in § 19. gezeigt war, eine unendliche Reihe
von Punkten erzeugen, welche alle in Einer geraden Linie liegen
und der gegebenen Ebene angehören; indem man dann b and a
sich stetig anschliessen lässt, erhält man jene gerade Linie in
ihrer Vollständigkeit, und indem man endlich den Begriff des Ent-
sprechenden auf gleiche Weise wie dort anwendet, so kann man
eine gerade Linie erzeugen, welche zwei beliebige in der Ebene
gegebene Punkte verbindet und ganz in der Ebene liegt. Da nun
zwischen zwei Punkten nur Eine gerade Linie möglich ist, so
muss auch jede gerade Linie, welche zwei Punkte der Ebene ver-
bindet, mit der vorher zwischen denselben Punkten erzeugten zu-
sammenfallen, also auch ganz in die Ebene fallen. Diese Andeu-
tungen mögen genügen, um einen vorläufigen Begriff zu geben von
einem wissenschaftlichen Anfange der Geometrie.

§ 24. Wir schliessen hieran eine Reihe von geometrischen
Aufgaben, welche sich durch die in diesem Kapitel gegebene Me-
thode lösen lassen, und setzen dabei, ohne die Anwendung des
Zirkels zu gestatten, nur voraus, dass man durch zwei Punkte,
unter welchen auch ein unendlich entfernter sich befinden darf,
eine gerade Linie, und durch drei Punkte, die nicht in gerader
Linie liegen, eine Ebene zu legen vermöge. Indem wir sagen,
dass im ersten Falle unter den beiden Punkten auch einer unend-
lich entfernt sein dürfe, so wollen wir damit die Forderung aus-
drücken, mit einer gegebenen g. L. eine Parallele zu ziehen. Die
genannten Forderungen sind überhaupt die einzigen, die wir für
den Theil der Geometrie, welcher dem ersten Theile unserer Wis-
senschaft entspricht, aufstellen*).

*) Man pflegt die Forderung, mit einer gegebenen Linie eine Parallele zu
ziehen, nicht mit unter die Postulate der Geometrie aufzunehmen; allein wir
haben dieselbe nur anzusehen als einen speciellen Fall der Forderung, zwei P.
durch eine g. L. zu verbinden. Will man diese Forderung nicht mit aufnehmen,
so bleibt die Reihe von Sätzen und Aufgaben, welche sich bloss auf das Ziehen
von g. L. beschränken, gänzlich unfruchtbar, indem man dann nicht einmal die
Projektion überschen kann, bei welcher ja endlich entfernte Punkte ins Unend-
liche rücken können und umgekehrt.

§ 24 Neue Grundlegung der Geometrie.
Grundrichtungen angehören, erzeugt wird, so kann man durch
Wiederholung dieser und der entgegengesetzten Fortbewegungen,
ganz eben so wie es in § 19. gezeigt war, eine unendliche Reihe
von Punkten erzeugen, welche alle in Einer geraden Linie liegen
und der gegebenen Ebene angehören; indem man dann β and α
sich stetig anschliessen lässt, erhält man jene gerade Linie in
ihrer Vollständigkeit, und indem man endlich den Begriff des Ent-
sprechenden auf gleiche Weise wie dort anwendet, so kann man
eine gerade Linie erzeugen, welche zwei beliebige in der Ebene
gegebene Punkte verbindet und ganz in der Ebene liegt. Da nun
zwischen zwei Punkten nur Eine gerade Linie möglich ist, so
muss auch jede gerade Linie, welche zwei Punkte der Ebene ver-
bindet, mit der vorher zwischen denselben Punkten erzeugten zu-
sammenfallen, also auch ganz in die Ebene fallen. Diese Andeu-
tungen mögen genügen, um einen vorläufigen Begriff zu geben von
einem wissenschaftlichen Anfange der Geometrie.

§ 24. Wir schliessen hieran eine Reihe von geometrischen
Aufgaben, welche sich durch die in diesem Kapitel gegebene Me-
thode lösen lassen, und setzen dabei, ohne die Anwendung des
Zirkels zu gestatten, nur voraus, dass man durch zwei Punkte,
unter welchen auch ein unendlich entfernter sich befinden darf,
eine gerade Linie, und durch drei Punkte, die nicht in gerader
Linie liegen, eine Ebene zu legen vermöge. Indem wir sagen,
dass im ersten Falle unter den beiden Punkten auch einer unend-
lich entfernt sein dürfe, so wollen wir damit die Forderung aus-
drücken, mit einer gegebenen g. L. eine Parallele zu ziehen. Die
genannten Forderungen sind überhaupt die einzigen, die wir für
den Theil der Geometrie, welcher dem ersten Theile unserer Wis-
senschaft entspricht, aufstellen*).

*) Man pflegt die Forderung, mit einer gegebenen Linie eine Parallele zu
ziehen, nicht mit unter die Postulate der Geometrie aufzunehmen; allein wir
haben dieselbe nur anzusehen als einen speciellen Fall der Forderung, zwei P.
durch eine g. L. zu verbinden. Will man diese Forderung nicht mit aufnehmen,
so bleibt die Reihe von Sätzen und Aufgaben, welche sich bloss auf das Ziehen
von g. L. beschränken, gänzlich unfruchtbar, indem man dann nicht einmal die
Projektion überschen kann, bei welcher ja endlich entfernte Punkte ins Unend-
liche rücken können und umgekehrt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0075" n="39"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">§ 24</hi> Neue Grundlegung der Geometrie.</fw><lb/>
Grundrichtungen angehören, erzeugt wird, so kann man durch<lb/>
Wiederholung dieser und der entgegengesetzten Fortbewegungen,<lb/>
ganz eben so wie es in § 19. gezeigt war, eine unendliche Reihe<lb/>
von Punkten erzeugen, welche alle in Einer geraden Linie liegen<lb/>
und der gegebenen Ebene angehören; indem man dann &#x03B2; and &#x03B1;<lb/>
sich stetig anschliessen lässt, erhält man jene gerade Linie in<lb/>
ihrer Vollständigkeit, und indem man endlich den Begriff des Ent-<lb/>
sprechenden auf gleiche Weise wie dort anwendet, so kann man<lb/>
eine gerade Linie erzeugen, welche zwei beliebige in der Ebene<lb/>
gegebene Punkte verbindet und ganz in der Ebene liegt. Da nun<lb/>
zwischen zwei Punkten nur Eine gerade Linie möglich ist, so<lb/>
muss auch jede gerade Linie, welche zwei Punkte der Ebene ver-<lb/>
bindet, mit der vorher zwischen denselben Punkten erzeugten zu-<lb/>
sammenfallen, also auch ganz in die Ebene fallen. Diese Andeu-<lb/>
tungen mögen genügen, um einen vorläufigen Begriff zu geben von<lb/>
einem wissenschaftlichen Anfange der Geometrie.</p><lb/>
          <p>§ 24. Wir schliessen hieran eine Reihe von geometrischen<lb/>
Aufgaben, welche sich durch die in diesem Kapitel gegebene Me-<lb/>
thode lösen lassen, und setzen dabei, ohne die Anwendung des<lb/>
Zirkels zu gestatten, nur voraus, dass man durch zwei Punkte,<lb/>
unter welchen auch ein unendlich entfernter sich befinden darf,<lb/>
eine gerade Linie, und durch drei Punkte, die nicht in gerader<lb/>
Linie liegen, eine Ebene zu legen vermöge. Indem wir sagen,<lb/>
dass im ersten Falle unter den beiden Punkten auch einer unend-<lb/>
lich entfernt sein dürfe, so wollen wir damit die Forderung aus-<lb/>
drücken, mit einer gegebenen g. L. eine Parallele zu ziehen. Die<lb/>
genannten Forderungen sind überhaupt die einzigen, die wir für<lb/>
den Theil der Geometrie, welcher dem ersten Theile unserer Wis-<lb/>
senschaft entspricht, aufstellen<note place="foot" n="*)">Man pflegt die Forderung, mit einer gegebenen Linie eine Parallele zu<lb/>
ziehen, nicht mit unter die Postulate der Geometrie aufzunehmen; allein wir<lb/>
haben dieselbe nur anzusehen als einen speciellen Fall der Forderung, zwei P.<lb/>
durch eine g. L. zu verbinden. Will man diese Forderung nicht mit aufnehmen,<lb/>
so bleibt die Reihe von Sätzen und Aufgaben, welche sich bloss auf das Ziehen<lb/>
von g. L. beschränken, gänzlich unfruchtbar, indem man dann nicht einmal die<lb/>
Projektion überschen kann, bei welcher ja endlich entfernte Punkte ins Unend-<lb/>
liche rücken können und umgekehrt.</note>.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0075] § 24 Neue Grundlegung der Geometrie. Grundrichtungen angehören, erzeugt wird, so kann man durch Wiederholung dieser und der entgegengesetzten Fortbewegungen, ganz eben so wie es in § 19. gezeigt war, eine unendliche Reihe von Punkten erzeugen, welche alle in Einer geraden Linie liegen und der gegebenen Ebene angehören; indem man dann β and α sich stetig anschliessen lässt, erhält man jene gerade Linie in ihrer Vollständigkeit, und indem man endlich den Begriff des Ent- sprechenden auf gleiche Weise wie dort anwendet, so kann man eine gerade Linie erzeugen, welche zwei beliebige in der Ebene gegebene Punkte verbindet und ganz in der Ebene liegt. Da nun zwischen zwei Punkten nur Eine gerade Linie möglich ist, so muss auch jede gerade Linie, welche zwei Punkte der Ebene ver- bindet, mit der vorher zwischen denselben Punkten erzeugten zu- sammenfallen, also auch ganz in die Ebene fallen. Diese Andeu- tungen mögen genügen, um einen vorläufigen Begriff zu geben von einem wissenschaftlichen Anfange der Geometrie. § 24. Wir schliessen hieran eine Reihe von geometrischen Aufgaben, welche sich durch die in diesem Kapitel gegebene Me- thode lösen lassen, und setzen dabei, ohne die Anwendung des Zirkels zu gestatten, nur voraus, dass man durch zwei Punkte, unter welchen auch ein unendlich entfernter sich befinden darf, eine gerade Linie, und durch drei Punkte, die nicht in gerader Linie liegen, eine Ebene zu legen vermöge. Indem wir sagen, dass im ersten Falle unter den beiden Punkten auch einer unend- lich entfernt sein dürfe, so wollen wir damit die Forderung aus- drücken, mit einer gegebenen g. L. eine Parallele zu ziehen. Die genannten Forderungen sind überhaupt die einzigen, die wir für den Theil der Geometrie, welcher dem ersten Theile unserer Wis- senschaft entspricht, aufstellen *). *) Man pflegt die Forderung, mit einer gegebenen Linie eine Parallele zu ziehen, nicht mit unter die Postulate der Geometrie aufzunehmen; allein wir haben dieselbe nur anzusehen als einen speciellen Fall der Forderung, zwei P. durch eine g. L. zu verbinden. Will man diese Forderung nicht mit aufnehmen, so bleibt die Reihe von Sätzen und Aufgaben, welche sich bloss auf das Ziehen von g. L. beschränken, gänzlich unfruchtbar, indem man dann nicht einmal die Projektion überschen kann, bei welcher ja endlich entfernte Punkte ins Unend- liche rücken können und umgekehrt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844/75
Zitationshilfe: Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844/75>, abgerufen am 30.11.2024.