Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844.Aeussere Multiplikation der Strecken. § 30 Rechtfertigung des von uns im vorigen Kapitel aufgestellten Addi-tionsbegriffes. In der That, wenn man eine Gleichung hat, deren Glieder Strecken in derselben Ebene, aber von ungleicher Rich- tung sind, und welche nicht mehr gilt, wenn man statt der Strecken ihre Längen setzt, und so die Gleichung zu einer algebraischen macht, so können wir diese scheinbare Disharmonie zwischen geo- metrischen und algebraischen Gleichungen sogleich aufheben, wenn wir das ganze System jener Strecken in derselben Ebene fortbe- wegen, und die dadurch entstehenden Flächenräume in die Glei- chung einführen, oder anders ausgedrückt, wenn wir die Gleichung mit einer Strecke derselben Ebene multipliciren. Für die so ent- stehenden Flächenräume gilt nun, wie wir so eben nachwiesen, die angenommene Gleichung auch in algebraischer Weise, sobald man nur das angegebene Zeichengesetz beobachtet. Auch ist klar, dass erst jetzt, da die Flächenräume als Theile derselben Ebene einan- der gleichartig geworden sind, der Begriff der algebraischen Addi- tion anwendbar sein kann. Jene scheinbare Disharmonie besteht indessen noch fort, wenn die Strecken nicht alle in einer Ebene lagen, eben weil dann die durch Fortbewegung entstandenen Flä- chenräume auch verschiedenen Ebenen angehören, und also selbst noch als verschiedenartig angesehen werden müssen. Offenbar wird diese Verschiedenartigkeit nun aber aufgehoben, wenn man die Gesammtheit jener Flächenräume noch nach einer andern Rich- tung bewegt, und die dadurch entstehenden Körperräume betrach- tet, da diese, als demselben Einen unendlichen Raume angehörig, einander gleichartig sind. Und man übersieht leicht genug, dass, wenn man von der Gleichheit der Spathe (Parallelepipeda) *), welche zwischen denselben parallelen Ebenen liegen, ausgeht, man auf gleiche Weise für sie, wie vorher für die Spathecke (Parallelo- gramme), die algebraische Gültigkeit der auf die angegebene Weise entstandenen Gleichungen beweisen, und überhaupt die den obigen entsprechenden Sätze aufstellen kann. Nachdem wir so den Be- griff der Multiplikation für die Geometrie zur Anschauung gebracht haben, so können wir nun zu unserer Wissenschaft zurückkehren, *) Der Ausdruck Spath statt Parallelepidum bedarf wohl kaum einer Recht-
fertigung, aus ihm ist der Name Spatheck hergeleitet. Aeussere Multiplikation der Strecken. § 30 Rechtfertigung des von uns im vorigen Kapitel aufgestellten Addi-tionsbegriffes. In der That, wenn man eine Gleichung hat, deren Glieder Strecken in derselben Ebene, aber von ungleicher Rich- tung sind, und welche nicht mehr gilt, wenn man statt der Strecken ihre Längen setzt, und so die Gleichung zu einer algebraischen macht, so können wir diese scheinbare Disharmonie zwischen geo- metrischen und algebraischen Gleichungen sogleich aufheben, wenn wir das ganze System jener Strecken in derselben Ebene fortbe- wegen, und die dadurch entstehenden Flächenräume in die Glei- chung einführen, oder anders ausgedrückt, wenn wir die Gleichung mit einer Strecke derselben Ebene multipliciren. Für die so ent- stehenden Flächenräume gilt nun, wie wir so eben nachwiesen, die angenommene Gleichung auch in algebraischer Weise, sobald man nur das angegebene Zeichengesetz beobachtet. Auch ist klar, dass erst jetzt, da die Flächenräume als Theile derselben Ebene einan- der gleichartig geworden sind, der Begriff der algebraischen Addi- tion anwendbar sein kann. Jene scheinbare Disharmonie besteht indessen noch fort, wenn die Strecken nicht alle in einer Ebene lagen, eben weil dann die durch Fortbewegung entstandenen Flä- chenräume auch verschiedenen Ebenen angehören, und also selbst noch als verschiedenartig angesehen werden müssen. Offenbar wird diese Verschiedenartigkeit nun aber aufgehoben, wenn man die Gesammtheit jener Flächenräume noch nach einer andern Rich- tung bewegt, und die dadurch entstehenden Körperräume betrach- tet, da diese, als demselben Einen unendlichen Raume angehörig, einander gleichartig sind. Und man übersieht leicht genug, dass, wenn man von der Gleichheit der Spathe (Parallelepipeda) *), welche zwischen denselben parallelen Ebenen liegen, ausgeht, man auf gleiche Weise für sie, wie vorher für die Spathecke (Parallelo- gramme), die algebraische Gültigkeit der auf die angegebene Weise entstandenen Gleichungen beweisen, und überhaupt die den obigen entsprechenden Sätze aufstellen kann. Nachdem wir so den Be- griff der Multiplikation für die Geometrie zur Anschauung gebracht haben, so können wir nun zu unserer Wissenschaft zurückkehren, *) Der Ausdruck Spath statt Parallelepidum bedarf wohl kaum einer Recht-
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Aeussere Multiplikation der Strecken. § 30
Rechtfertigung des von uns im vorigen Kapitel aufgestellten Addi-
tionsbegriffes. In der That, wenn man eine Gleichung hat, deren
Glieder Strecken in derselben Ebene, aber von ungleicher Rich-
tung sind, und welche nicht mehr gilt, wenn man statt der Strecken
ihre Längen setzt, und so die Gleichung zu einer algebraischen
macht, so können wir diese scheinbare Disharmonie zwischen geo-
metrischen und algebraischen Gleichungen sogleich aufheben, wenn
wir das ganze System jener Strecken in derselben Ebene fortbe-
wegen, und die dadurch entstehenden Flächenräume in die Glei-
chung einführen, oder anders ausgedrückt, wenn wir die Gleichung
mit einer Strecke derselben Ebene multipliciren. Für die so ent-
stehenden Flächenräume gilt nun, wie wir so eben nachwiesen, die
angenommene Gleichung auch in algebraischer Weise, sobald man
nur das angegebene Zeichengesetz beobachtet. Auch ist klar, dass
erst jetzt, da die Flächenräume als Theile derselben Ebene einan-
der gleichartig geworden sind, der Begriff der algebraischen Addi-
tion anwendbar sein kann. Jene scheinbare Disharmonie besteht
indessen noch fort, wenn die Strecken nicht alle in einer Ebene
lagen, eben weil dann die durch Fortbewegung entstandenen Flä-
chenräume auch verschiedenen Ebenen angehören, und also selbst
noch als verschiedenartig angesehen werden müssen. Offenbar
wird diese Verschiedenartigkeit nun aber aufgehoben, wenn man
die Gesammtheit jener Flächenräume noch nach einer andern Rich-
tung bewegt, und die dadurch entstehenden Körperräume betrach-
tet, da diese, als demselben Einen unendlichen Raume angehörig,
einander gleichartig sind. Und man übersieht leicht genug, dass,
wenn man von der Gleichheit der Spathe (Parallelepipeda) *), welche
zwischen denselben parallelen Ebenen liegen, ausgeht, man auf
gleiche Weise für sie, wie vorher für die Spathecke (Parallelo-
gramme), die algebraische Gültigkeit der auf die angegebene Weise
entstandenen Gleichungen beweisen, und überhaupt die den obigen
entsprechenden Sätze aufstellen kann. Nachdem wir so den Be-
griff der Multiplikation für die Geometrie zur Anschauung gebracht
haben, so können wir nun zu unserer Wissenschaft zurückkehren,
*) Der Ausdruck Spath statt Parallelepidum bedarf wohl kaum einer Recht-
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