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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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Schauspiel und Schauspieler.
Zur
Charakteristik der Zeit.



I.
Die Schattenseite.

Durchstreift man Paris nach den verschiedensten Richtungen, überall
hört man sagen, die Macht des Königthums schwinde dahin! Die Könige der
Geburt und des Schwerdtes, stehen hier kaum mehr in Achtung. Täglich
schwinden die glänzendsten Herrscher in Politik, Kunst und Poesie dahin,
wie die Eintagsfliegen. Auch die Götter, das heißt die Götter unseres alten
Glaubens und unserer jungen Jahre, hören auf zu sein. Aber neue Könige
sind erstanden, die mehr Anbetung und willigeren Gehorsam finden, als die
früheren; andere Gottheiten haben unsern verlassenen Olymp bevölkert, und
sie haben ihre frommen Seelen, ihre Tempel und Altäre gefunden. Und
wohl gemerkt, die Könige, deren Herrschaft wir uns unterwerfen, zu einer
Zeit, wo uns keine menschliche Größe mehr Achtung einflößt, sind die Kö¬
nige der Schaubühne; wo die erhabensten und heiligsten Lehren keinen Glau¬
ben mehr finden, da finden ihn die Gottheiten der Coulissen.

Geht durch die Straßen von Paris, von Wien, von jeder großen
Stadt der Christenheit, welcher Gegenstand fällt Euch am meisten auf und
fesselt am gebieterischsten Eure Blicke? Es sind dies jene Anschlagzettel
von allen Farben, wo in kolossalen Schriftzeichen die Namen des beliebten
Sängers, der Modetänzerin, des begünstigten Komikers, verkündet werden.
Man wird dringend eingeladen, der Gottheit seine Huldigung zu Füßen
zu legen, die heute Abend in ihrem ganzen Glanze thronen wird. Stehlt
Euch in einen jener großen Säle, von tausend Lichtern erleuchtet, wo die
dramatische Kunst ihre Orakel ertönen läßt; eine zahlreiche und ausge¬
wählte Versammlung entäußert sich auf einige Stunden ihrer Gedanken,

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Schauspiel und Schauspieler.
Zur
Charakteristik der Zeit.



I.
Die Schattenseite.

Durchstreift man Paris nach den verschiedensten Richtungen, überall
hört man sagen, die Macht des Königthums schwinde dahin! Die Könige der
Geburt und des Schwerdtes, stehen hier kaum mehr in Achtung. Täglich
schwinden die glänzendsten Herrscher in Politik, Kunst und Poesie dahin,
wie die Eintagsfliegen. Auch die Götter, das heißt die Götter unseres alten
Glaubens und unserer jungen Jahre, hören auf zu sein. Aber neue Könige
sind erstanden, die mehr Anbetung und willigeren Gehorsam finden, als die
früheren; andere Gottheiten haben unsern verlassenen Olymp bevölkert, und
sie haben ihre frommen Seelen, ihre Tempel und Altäre gefunden. Und
wohl gemerkt, die Könige, deren Herrschaft wir uns unterwerfen, zu einer
Zeit, wo uns keine menschliche Größe mehr Achtung einflößt, sind die Kö¬
nige der Schaubühne; wo die erhabensten und heiligsten Lehren keinen Glau¬
ben mehr finden, da finden ihn die Gottheiten der Coulissen.

Geht durch die Straßen von Paris, von Wien, von jeder großen
Stadt der Christenheit, welcher Gegenstand fällt Euch am meisten auf und
fesselt am gebieterischsten Eure Blicke? Es sind dies jene Anschlagzettel
von allen Farben, wo in kolossalen Schriftzeichen die Namen des beliebten
Sängers, der Modetänzerin, des begünstigten Komikers, verkündet werden.
Man wird dringend eingeladen, der Gottheit seine Huldigung zu Füßen
zu legen, die heute Abend in ihrem ganzen Glanze thronen wird. Stehlt
Euch in einen jener großen Säle, von tausend Lichtern erleuchtet, wo die
dramatische Kunst ihre Orakel ertönen läßt; eine zahlreiche und ausge¬
wählte Versammlung entäußert sich auf einige Stunden ihrer Gedanken,

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[133/0141] Schauspiel und Schauspieler. Zur Charakteristik der Zeit. Paris, zu Ende des Jahres 1841. I. Die Schattenseite. Durchstreift man Paris nach den verschiedensten Richtungen, überall hört man sagen, die Macht des Königthums schwinde dahin! Die Könige der Geburt und des Schwerdtes, stehen hier kaum mehr in Achtung. Täglich schwinden die glänzendsten Herrscher in Politik, Kunst und Poesie dahin, wie die Eintagsfliegen. Auch die Götter, das heißt die Götter unseres alten Glaubens und unserer jungen Jahre, hören auf zu sein. Aber neue Könige sind erstanden, die mehr Anbetung und willigeren Gehorsam finden, als die früheren; andere Gottheiten haben unsern verlassenen Olymp bevölkert, und sie haben ihre frommen Seelen, ihre Tempel und Altäre gefunden. Und wohl gemerkt, die Könige, deren Herrschaft wir uns unterwerfen, zu einer Zeit, wo uns keine menschliche Größe mehr Achtung einflößt, sind die Kö¬ nige der Schaubühne; wo die erhabensten und heiligsten Lehren keinen Glau¬ ben mehr finden, da finden ihn die Gottheiten der Coulissen. Geht durch die Straßen von Paris, von Wien, von jeder großen Stadt der Christenheit, welcher Gegenstand fällt Euch am meisten auf und fesselt am gebieterischsten Eure Blicke? Es sind dies jene Anschlagzettel von allen Farben, wo in kolossalen Schriftzeichen die Namen des beliebten Sängers, der Modetänzerin, des begünstigten Komikers, verkündet werden. Man wird dringend eingeladen, der Gottheit seine Huldigung zu Füßen zu legen, die heute Abend in ihrem ganzen Glanze thronen wird. Stehlt Euch in einen jener großen Säle, von tausend Lichtern erleuchtet, wo die dramatische Kunst ihre Orakel ertönen läßt; eine zahlreiche und ausge¬ wählte Versammlung entäußert sich auf einige Stunden ihrer Gedanken, 13

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/141>, abgerufen am 24.11.2024.