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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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Ferner sei die Sprache, welche gelehrt werde, nicht die ächte Volks¬
sprache, da die Orthographie (!) anders als die der Väter sei.
Nun bricht die Revolution aus, und zum dritten Male heißt's:

"Wer zu Haus blieb, war kein Patriot,
Und der hat viel zu fürchten."

Brabo gab gute Worte, er ward nicht gehört; er kämpfte und mußte
weichen; das Volk ruft nach einer neuen Constitution, und nach allen Sei¬
ten hin suchte man, und zwar lange vergeblich, nach einem neuen Herrscher.
Glücklicherweise ward er gefunden. Ein König, wie er sein soll, wird
gewählt. Er schwört den Eid, die Rechte des Volkes aufrecht zu erhalten;
die Freude ist wieder allgemein:

"Nun war man frei in Haus und Kirch,
Der Gottesdienst ging seinen Gang;
Und Unterricht und Druckerei
'S war Alles auf das Meiste frei
Was konnt' man mehr verlangen?"

Nichtsdestoweniger war kaum ein Jahr verflossen, als das Volk die
Bemerkung machte, daß Brod und Fleisch so theuer wie vorher seien; man
tröstet sich jedoch, daß wohl durch den König das Land in Schutz sei, und
daß man eine Zeit Geduld haben müsse. Endlich aber brechen die Klagen
los: Schifffahrt und Handel liegen darnieder, trotz dem, daß das Volk
selbst regiert, und die Presse frei ist, und was unsre Repräsentanten täglich
in der Sitzung verhandeln, das versteht weder Hölle noch Teufel, und kein
Mensch kann's wiedergeben.

(Die komt slechts jaerliks zoo eens zien,
Spreekt dan ter vlucht een woord os tien
En voorts is hy 'r niet noodig.)
"Der kommt nur jährlich eiumal sehn,
Spricht in der Eil' ein Wort od'r zehn
Und weiter ist er nicht nöthig."

Der edle Fürst kann mit dem besten Willen nichts thun,
Nun tritt ein Flamänder auf, welcher erzählt, wie er vor einiger Zeit
einen Brief erhalten habe, den er, weil er französisch war, nicht habe lesen
können, er dachte, es sei eine leere Anpreisung, und ließ den Wisch liegen.
Vier Monate nachher aber sei er vor Gericht beschieden worden; er habe,
da man wieder französisch sprach, zwar nicht verstanden, was der Mann
dort ihm gesagt habe, doch habe es ihm geschienen, als ob man ihn ver¬
klage, daß er keinen Grundzins zahlen wolle. Obgleich er sich vertheidigt

Ferner sei die Sprache, welche gelehrt werde, nicht die ächte Volks¬
sprache, da die Orthographie (!) anders als die der Väter sei.
Nun bricht die Revolution aus, und zum dritten Male heißt's:

»Wer zu Haus blieb, war kein Patriot,
Und der hat viel zu fürchten.〟

Brabo gab gute Worte, er ward nicht gehört; er kämpfte und mußte
weichen; das Volk ruft nach einer neuen Constitution, und nach allen Sei¬
ten hin suchte man, und zwar lange vergeblich, nach einem neuen Herrscher.
Glücklicherweise ward er gefunden. Ein König, wie er sein soll, wird
gewählt. Er schwört den Eid, die Rechte des Volkes aufrecht zu erhalten;
die Freude ist wieder allgemein:

„Nun war man frei in Haus und Kirch,
Der Gottesdienst ging seinen Gang;
Und Unterricht und Druckerei
'S war Alles auf das Meiste frei
Was konnt' man mehr verlangen?〟

Nichtsdestoweniger war kaum ein Jahr verflossen, als das Volk die
Bemerkung machte, daß Brod und Fleisch so theuer wie vorher seien; man
tröstet sich jedoch, daß wohl durch den König das Land in Schutz sei, und
daß man eine Zeit Geduld haben müsse. Endlich aber brechen die Klagen
los: Schifffahrt und Handel liegen darnieder, trotz dem, daß das Volk
selbst regiert, und die Presse frei ist, und was unsre Repräsentanten täglich
in der Sitzung verhandeln, das versteht weder Hölle noch Teufel, und kein
Mensch kann's wiedergeben.

(Die komt slechts jaerliks zoo eens zien,
Spreekt dan ter vlucht een woord os tien
En voorts is hy 'r niet noodig.)
»Der kommt nur jährlich eiumal sehn,
Spricht in der Eil' ein Wort od'r zehn
Und weiter ist er nicht nöthig.〟

Der edle Fürst kann mit dem besten Willen nichts thun,
Nun tritt ein Flamänder auf, welcher erzählt, wie er vor einiger Zeit
einen Brief erhalten habe, den er, weil er französisch war, nicht habe lesen
können, er dachte, es sei eine leere Anpreisung, und ließ den Wisch liegen.
Vier Monate nachher aber sei er vor Gericht beschieden worden; er habe,
da man wieder französisch sprach, zwar nicht verstanden, was der Mann
dort ihm gesagt habe, doch habe es ihm geschienen, als ob man ihn ver¬
klage, daß er keinen Grundzins zahlen wolle. Obgleich er sich vertheidigt

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[218/0226] Ferner sei die Sprache, welche gelehrt werde, nicht die ächte Volks¬ sprache, da die Orthographie (!) anders als die der Väter sei. Nun bricht die Revolution aus, und zum dritten Male heißt's: »Wer zu Haus blieb, war kein Patriot, Und der hat viel zu fürchten.〟 Brabo gab gute Worte, er ward nicht gehört; er kämpfte und mußte weichen; das Volk ruft nach einer neuen Constitution, und nach allen Sei¬ ten hin suchte man, und zwar lange vergeblich, nach einem neuen Herrscher. Glücklicherweise ward er gefunden. Ein König, wie er sein soll, wird gewählt. Er schwört den Eid, die Rechte des Volkes aufrecht zu erhalten; die Freude ist wieder allgemein: „Nun war man frei in Haus und Kirch, Der Gottesdienst ging seinen Gang; Und Unterricht und Druckerei 'S war Alles auf das Meiste frei Was konnt' man mehr verlangen?〟 Nichtsdestoweniger war kaum ein Jahr verflossen, als das Volk die Bemerkung machte, daß Brod und Fleisch so theuer wie vorher seien; man tröstet sich jedoch, daß wohl durch den König das Land in Schutz sei, und daß man eine Zeit Geduld haben müsse. Endlich aber brechen die Klagen los: Schifffahrt und Handel liegen darnieder, trotz dem, daß das Volk selbst regiert, und die Presse frei ist, und was unsre Repräsentanten täglich in der Sitzung verhandeln, das versteht weder Hölle noch Teufel, und kein Mensch kann's wiedergeben. (Die komt slechts jaerliks zoo eens zien, Spreekt dan ter vlucht een woord os tien En voorts is hy 'r niet noodig.) »Der kommt nur jährlich eiumal sehn, Spricht in der Eil' ein Wort od'r zehn Und weiter ist er nicht nöthig.〟 Der edle Fürst kann mit dem besten Willen nichts thun, Nun tritt ein Flamänder auf, welcher erzählt, wie er vor einiger Zeit einen Brief erhalten habe, den er, weil er französisch war, nicht habe lesen können, er dachte, es sei eine leere Anpreisung, und ließ den Wisch liegen. Vier Monate nachher aber sei er vor Gericht beschieden worden; er habe, da man wieder französisch sprach, zwar nicht verstanden, was der Mann dort ihm gesagt habe, doch habe es ihm geschienen, als ob man ihn ver¬ klage, daß er keinen Grundzins zahlen wolle. Obgleich er sich vertheidigt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/226>, abgerufen am 21.11.2024.