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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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in Gemeinschaft mit Claecs und Ducpetiaux erlitt er 1828 wegen angeblich
beleidigender Artikel gegen den Minister van Maanen eine Verurteilung.
Er wurde 1830 in den Nationalcongreß gewählt, und sprach sich anfangs
zu Gunsten des Prinzen von Oranien aus, als des einzigen Auskunftsmit¬
tels um sowohl eine vollständige Restauration als die Vereinigung mit
Frankreich zu verhüten. Erst als er sah, daß Belgien auf die Unterstüz-
zung Frankreichs rechnen könne, stimmte er für die Ausschließung des Hau¬
ses Nassau. Beim Regierungsantritt des Königs Leopold, verweigerte er
die Annahme eines öffentlichen Amtes, da er unzufrieden mit den 24 Artikeln
war, und beschäftigte sich blos mit der Redaction seines Blattes, während
alle seine ehemaligen Mitarbeiter einträgliche Aemter bekleideten. Durch die
Beweglichkeit seines Charakters wurde er zu Extremen hingetrieben, und
so, daß im Jahre 1835 sein Courrier belge die reine Democratie
predigte. Diese Lehre fand jedoch im Lande keinen Anklang, die Abonnenten
verloren sich nach und nach und das Blatt hörte auf, zu erscheinen.
Jottrand trat dasselbe der Bankverwaltung ab, welche es zum Organ ihrer
ihrer Interessen machte.

Jottrand trat nun ganz in's Privatleben zurück, und wandte sich wieder mit
Glück und Auszeichnung zur Advocatur. An den demagogischen Versamm¬
lungen in Brüssel in den Jahren 1838 und 1839 nahm er leider thätigen
Antheil. Doch scheint er heute gemäßigtere Ansichten ergriffen zu haben.
Das Werkchen, dessen Analyse wir mittheilen, bezeugt hinlänglich, daß er
seine Studien nnd Talente fruchtbareren und wichtigeren Gegenständen wid¬
met, als den endlosen Debatten über die besten Regierungsformen. Trotz
der öfteren Schwankungen in seinen Ansichten kann man ihm das Lob der
Uneigennützigkeit und der Vaterlandsliebe nicht versagen. Niemals hat er
um die Gunst der Regierung gebuhlt, und immer die Unabhängigkeit Bel¬
giens warm vertheidigt gegen jede fremdländische Anmaßung. Uebrigens ist
es anerkannt, daß außer ihm noch andere Republikaner, deren es im Ganzen
in Belgien nur eine winzige Anzahl gibt, jeder gefährlichen Annäherung an
Frankreich abhold sind -- ein Beweis, wie sehr das Gefühl der National¬
unabhängigkeit alle aufgeklärten Belgier durchdringt, zu welcher politischen
Partei sie sich auch sonst bekennen mögen. --

Die erwähnte Schrift beginnt damit, nachzuweisen, daß zu jeder
Epoche der belgischen Geschichte bis zur Revolutionszeit zwischen bei¬
den Ländern fast keine andere als feindliche Beziehungen stattgefunden
haben. Zwischen Frankreich und Belgien bestand niemals ein anderer
Verkehr , als der für die Bedürfnisse beider Länder unumgänglich
nothwendige. Für feine Linnen erhielt Belgien von Frankreich

in Gemeinschaft mit Claecs und Ducpetiaux erlitt er 1828 wegen angeblich
beleidigender Artikel gegen den Minister van Maanen eine Verurteilung.
Er wurde 1830 in den Nationalcongreß gewählt, und sprach sich anfangs
zu Gunsten des Prinzen von Oranien aus, als des einzigen Auskunftsmit¬
tels um sowohl eine vollständige Restauration als die Vereinigung mit
Frankreich zu verhüten. Erst als er sah, daß Belgien auf die Unterstüz-
zung Frankreichs rechnen könne, stimmte er für die Ausschließung des Hau¬
ses Nassau. Beim Regierungsantritt des Königs Leopold, verweigerte er
die Annahme eines öffentlichen Amtes, da er unzufrieden mit den 24 Artikeln
war, und beschäftigte sich blos mit der Redaction seines Blattes, während
alle seine ehemaligen Mitarbeiter einträgliche Aemter bekleideten. Durch die
Beweglichkeit seines Charakters wurde er zu Extremen hingetrieben, und
so, daß im Jahre 1835 sein Courrier belge die reine Democratie
predigte. Diese Lehre fand jedoch im Lande keinen Anklang, die Abonnenten
verloren sich nach und nach und das Blatt hörte auf, zu erscheinen.
Jottrand trat dasselbe der Bankverwaltung ab, welche es zum Organ ihrer
ihrer Interessen machte.

Jottrand trat nun ganz in's Privatleben zurück, und wandte sich wieder mit
Glück und Auszeichnung zur Advocatur. An den demagogischen Versamm¬
lungen in Brüssel in den Jahren 1838 und 1839 nahm er leider thätigen
Antheil. Doch scheint er heute gemäßigtere Ansichten ergriffen zu haben.
Das Werkchen, dessen Analyse wir mittheilen, bezeugt hinlänglich, daß er
seine Studien nnd Talente fruchtbareren und wichtigeren Gegenständen wid¬
met, als den endlosen Debatten über die besten Regierungsformen. Trotz
der öfteren Schwankungen in seinen Ansichten kann man ihm das Lob der
Uneigennützigkeit und der Vaterlandsliebe nicht versagen. Niemals hat er
um die Gunst der Regierung gebuhlt, und immer die Unabhängigkeit Bel¬
giens warm vertheidigt gegen jede fremdländische Anmaßung. Uebrigens ist
es anerkannt, daß außer ihm noch andere Republikaner, deren es im Ganzen
in Belgien nur eine winzige Anzahl gibt, jeder gefährlichen Annäherung an
Frankreich abhold sind — ein Beweis, wie sehr das Gefühl der National¬
unabhängigkeit alle aufgeklärten Belgier durchdringt, zu welcher politischen
Partei sie sich auch sonst bekennen mögen. —

Die erwähnte Schrift beginnt damit, nachzuweisen, daß zu jeder
Epoche der belgischen Geschichte bis zur Revolutionszeit zwischen bei¬
den Ländern fast keine andere als feindliche Beziehungen stattgefunden
haben. Zwischen Frankreich und Belgien bestand niemals ein anderer
Verkehr , als der für die Bedürfnisse beider Länder unumgänglich
nothwendige. Für feine Linnen erhielt Belgien von Frankreich

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[254/0262] in Gemeinschaft mit Claecs und Ducpetiaux erlitt er 1828 wegen angeblich beleidigender Artikel gegen den Minister van Maanen eine Verurteilung. Er wurde 1830 in den Nationalcongreß gewählt, und sprach sich anfangs zu Gunsten des Prinzen von Oranien aus, als des einzigen Auskunftsmit¬ tels um sowohl eine vollständige Restauration als die Vereinigung mit Frankreich zu verhüten. Erst als er sah, daß Belgien auf die Unterstüz- zung Frankreichs rechnen könne, stimmte er für die Ausschließung des Hau¬ ses Nassau. Beim Regierungsantritt des Königs Leopold, verweigerte er die Annahme eines öffentlichen Amtes, da er unzufrieden mit den 24 Artikeln war, und beschäftigte sich blos mit der Redaction seines Blattes, während alle seine ehemaligen Mitarbeiter einträgliche Aemter bekleideten. Durch die Beweglichkeit seines Charakters wurde er zu Extremen hingetrieben, und so, daß im Jahre 1835 sein Courrier belge die reine Democratie predigte. Diese Lehre fand jedoch im Lande keinen Anklang, die Abonnenten verloren sich nach und nach und das Blatt hörte auf, zu erscheinen. Jottrand trat dasselbe der Bankverwaltung ab, welche es zum Organ ihrer ihrer Interessen machte. Jottrand trat nun ganz in's Privatleben zurück, und wandte sich wieder mit Glück und Auszeichnung zur Advocatur. An den demagogischen Versamm¬ lungen in Brüssel in den Jahren 1838 und 1839 nahm er leider thätigen Antheil. Doch scheint er heute gemäßigtere Ansichten ergriffen zu haben. Das Werkchen, dessen Analyse wir mittheilen, bezeugt hinlänglich, daß er seine Studien nnd Talente fruchtbareren und wichtigeren Gegenständen wid¬ met, als den endlosen Debatten über die besten Regierungsformen. Trotz der öfteren Schwankungen in seinen Ansichten kann man ihm das Lob der Uneigennützigkeit und der Vaterlandsliebe nicht versagen. Niemals hat er um die Gunst der Regierung gebuhlt, und immer die Unabhängigkeit Bel¬ giens warm vertheidigt gegen jede fremdländische Anmaßung. Uebrigens ist es anerkannt, daß außer ihm noch andere Republikaner, deren es im Ganzen in Belgien nur eine winzige Anzahl gibt, jeder gefährlichen Annäherung an Frankreich abhold sind — ein Beweis, wie sehr das Gefühl der National¬ unabhängigkeit alle aufgeklärten Belgier durchdringt, zu welcher politischen Partei sie sich auch sonst bekennen mögen. — Die erwähnte Schrift beginnt damit, nachzuweisen, daß zu jeder Epoche der belgischen Geschichte bis zur Revolutionszeit zwischen bei¬ den Ländern fast keine andere als feindliche Beziehungen stattgefunden haben. Zwischen Frankreich und Belgien bestand niemals ein anderer Verkehr , als der für die Bedürfnisse beider Länder unumgänglich nothwendige. Für feine Linnen erhielt Belgien von Frankreich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/262>, abgerufen am 22.11.2024.