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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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Mitteln unmöglich besser gegeben werden. Meyerbeer kam zu Besuch
bei seinem alten Schulfreund, um ihm dafür zu danken, und Weber,
der von Ränkesucht in Musik nichts wußte, empfing ihn mit offenen Armen.
In einem zu jener Zeit geschriebenen Briefe, drückt er sich, wie folgt, aus:
"Verwichenen Freitag hatte ich, zu meiner großen Freude, Meyerbeer bei
mir; das heiß ich mir einen Tag voller Wonne, eine Reminiscenz aus der
herrlichen alten Zeit, wo wir miteinander unter des ehrwürdigen Abts
Vogler trefflicher Leitung Fugen setzten. Wir schieden erst spät in der
Nacht von einander. Meyerbeer geht nach Triest, um seine Oper:
il Ootiiito einstudiren zu lassen; ehe noch ein Jahr vergeht,
wird er nach Berlin zurückkommen, wo er vielleicht eine deutsche
Oper setzen wird. Gott gebe es; ich habe das Meinige gethan, es ihm
aufs Gewissen zu legen."

Abgesehen von seinen Vorurtheilen gegen die italienische Musik, war
Weber ganz unpartheiisch und sogar wohlwollend in seinen Beurtheilungen
fremder Musiksetzer unter seinen Zeitgenossen, die er gehörig zu schätzen
wußte, indem er ihnen nicht nur Gerechtigkeit widerfahren ließ, sondern auch
ihr Verdienst herausstrich. An diesem Wohlwollen, war nichts Erkünsteltes,
denn er war eben so offenherzig und aufrichtig im Tadel. Er sprach nie
anders, als mit dem größten Enthusiasmus von Beethoven, obgleich er
nicht ohne Verdruß an die sonderbaren Abschweifungen dieses Meisters in
seinen letzten Tagen dachte, welche Abschweifungen er dem widernatürlichen
Zustand zuschrieb, in welchen ein unabänderliches Schicksal (Beetho¬
ven war bekanntlich taub) ihn versetzt hatte, wodurch sein Genie sich von
all Demjenigen isolirt befand, das er bei seinen Berührungen mit der Welt
hätte benutzen können, und welches seinen erhabenen Geist zu monstruösen
Schöpfungen und Unbilden hintrieb. Als Weber sich zur Ausführung seiner
Euryanthe nach Wien begab, stattete er bei Beethoven einen Besuch ab;
diese Zusammenkunft nach so vierjähriger Abwesenheit, wirkte gewaltig auf
Weber. Beethoven erkannte ihn sogleich nicht wieder, nachdem er ihn aber eine
Weile lang aufmerksam betrachtet hatte, legte er ihm die Hände auf die
Schultern, zog ihn zu sich hin, und nannte ihn bei seinem Namen.

Betrachtet man Weber während der noch übrigen Zeit seiner musika¬
lischen Laufbahn, dann wird man in ihm leicht jenen wohlüberlegten Eifer,
jene in sich verschlossene Wärme gewahr, die den Deutschen eigen ist, welche
nicht in raschen Sprüngen vorwärts schreiten, und sich sogar bei der Aus¬
führung der lebendigsten Gedanken nur durch einen anhaltenden, ausdauernden
Fleiß kund thun. Wäre seine Zeit nicht so gar sehr in Anspruch genommen
gewesen durch seine Berufsgeschäfte, welche ihm bei Weitem nicht so viele
Muße für's Componiren übrig ließen, als man glauben sollte, und er

Mitteln unmöglich besser gegeben werden. Meyerbeer kam zu Besuch
bei seinem alten Schulfreund, um ihm dafür zu danken, und Weber,
der von Ränkesucht in Musik nichts wußte, empfing ihn mit offenen Armen.
In einem zu jener Zeit geschriebenen Briefe, drückt er sich, wie folgt, aus:
„Verwichenen Freitag hatte ich, zu meiner großen Freude, Meyerbeer bei
mir; das heiß ich mir einen Tag voller Wonne, eine Reminiscenz aus der
herrlichen alten Zeit, wo wir miteinander unter des ehrwürdigen Abts
Vogler trefflicher Leitung Fugen setzten. Wir schieden erst spät in der
Nacht von einander. Meyerbeer geht nach Triest, um seine Oper:
il Ootiiito einstudiren zu lassen; ehe noch ein Jahr vergeht,
wird er nach Berlin zurückkommen, wo er vielleicht eine deutsche
Oper setzen wird. Gott gebe es; ich habe das Meinige gethan, es ihm
aufs Gewissen zu legen.〟

Abgesehen von seinen Vorurtheilen gegen die italienische Musik, war
Weber ganz unpartheiisch und sogar wohlwollend in seinen Beurtheilungen
fremder Musiksetzer unter seinen Zeitgenossen, die er gehörig zu schätzen
wußte, indem er ihnen nicht nur Gerechtigkeit widerfahren ließ, sondern auch
ihr Verdienst herausstrich. An diesem Wohlwollen, war nichts Erkünsteltes,
denn er war eben so offenherzig und aufrichtig im Tadel. Er sprach nie
anders, als mit dem größten Enthusiasmus von Beethoven, obgleich er
nicht ohne Verdruß an die sonderbaren Abschweifungen dieses Meisters in
seinen letzten Tagen dachte, welche Abschweifungen er dem widernatürlichen
Zustand zuschrieb, in welchen ein unabänderliches Schicksal (Beetho¬
ven war bekanntlich taub) ihn versetzt hatte, wodurch sein Genie sich von
all Demjenigen isolirt befand, das er bei seinen Berührungen mit der Welt
hätte benutzen können, und welches seinen erhabenen Geist zu monstruösen
Schöpfungen und Unbilden hintrieb. Als Weber sich zur Ausführung seiner
Euryanthe nach Wien begab, stattete er bei Beethoven einen Besuch ab;
diese Zusammenkunft nach so vierjähriger Abwesenheit, wirkte gewaltig auf
Weber. Beethoven erkannte ihn sogleich nicht wieder, nachdem er ihn aber eine
Weile lang aufmerksam betrachtet hatte, legte er ihm die Hände auf die
Schultern, zog ihn zu sich hin, und nannte ihn bei seinem Namen.

Betrachtet man Weber während der noch übrigen Zeit seiner musika¬
lischen Laufbahn, dann wird man in ihm leicht jenen wohlüberlegten Eifer,
jene in sich verschlossene Wärme gewahr, die den Deutschen eigen ist, welche
nicht in raschen Sprüngen vorwärts schreiten, und sich sogar bei der Aus¬
führung der lebendigsten Gedanken nur durch einen anhaltenden, ausdauernden
Fleiß kund thun. Wäre seine Zeit nicht so gar sehr in Anspruch genommen
gewesen durch seine Berufsgeschäfte, welche ihm bei Weitem nicht so viele
Muße für's Componiren übrig ließen, als man glauben sollte, und er

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[304/0312] Mitteln unmöglich besser gegeben werden. Meyerbeer kam zu Besuch bei seinem alten Schulfreund, um ihm dafür zu danken, und Weber, der von Ränkesucht in Musik nichts wußte, empfing ihn mit offenen Armen. In einem zu jener Zeit geschriebenen Briefe, drückt er sich, wie folgt, aus: „Verwichenen Freitag hatte ich, zu meiner großen Freude, Meyerbeer bei mir; das heiß ich mir einen Tag voller Wonne, eine Reminiscenz aus der herrlichen alten Zeit, wo wir miteinander unter des ehrwürdigen Abts Vogler trefflicher Leitung Fugen setzten. Wir schieden erst spät in der Nacht von einander. Meyerbeer geht nach Triest, um seine Oper: il Ootiiito einstudiren zu lassen; ehe noch ein Jahr vergeht, wird er nach Berlin zurückkommen, wo er vielleicht eine deutsche Oper setzen wird. Gott gebe es; ich habe das Meinige gethan, es ihm aufs Gewissen zu legen.〟 Abgesehen von seinen Vorurtheilen gegen die italienische Musik, war Weber ganz unpartheiisch und sogar wohlwollend in seinen Beurtheilungen fremder Musiksetzer unter seinen Zeitgenossen, die er gehörig zu schätzen wußte, indem er ihnen nicht nur Gerechtigkeit widerfahren ließ, sondern auch ihr Verdienst herausstrich. An diesem Wohlwollen, war nichts Erkünsteltes, denn er war eben so offenherzig und aufrichtig im Tadel. Er sprach nie anders, als mit dem größten Enthusiasmus von Beethoven, obgleich er nicht ohne Verdruß an die sonderbaren Abschweifungen dieses Meisters in seinen letzten Tagen dachte, welche Abschweifungen er dem widernatürlichen Zustand zuschrieb, in welchen ein unabänderliches Schicksal (Beetho¬ ven war bekanntlich taub) ihn versetzt hatte, wodurch sein Genie sich von all Demjenigen isolirt befand, das er bei seinen Berührungen mit der Welt hätte benutzen können, und welches seinen erhabenen Geist zu monstruösen Schöpfungen und Unbilden hintrieb. Als Weber sich zur Ausführung seiner Euryanthe nach Wien begab, stattete er bei Beethoven einen Besuch ab; diese Zusammenkunft nach so vierjähriger Abwesenheit, wirkte gewaltig auf Weber. Beethoven erkannte ihn sogleich nicht wieder, nachdem er ihn aber eine Weile lang aufmerksam betrachtet hatte, legte er ihm die Hände auf die Schultern, zog ihn zu sich hin, und nannte ihn bei seinem Namen. Betrachtet man Weber während der noch übrigen Zeit seiner musika¬ lischen Laufbahn, dann wird man in ihm leicht jenen wohlüberlegten Eifer, jene in sich verschlossene Wärme gewahr, die den Deutschen eigen ist, welche nicht in raschen Sprüngen vorwärts schreiten, und sich sogar bei der Aus¬ führung der lebendigsten Gedanken nur durch einen anhaltenden, ausdauernden Fleiß kund thun. Wäre seine Zeit nicht so gar sehr in Anspruch genommen gewesen durch seine Berufsgeschäfte, welche ihm bei Weitem nicht so viele Muße für's Componiren übrig ließen, als man glauben sollte, und er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/312>, abgerufen am 23.11.2024.