Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.
Mohrenrache. VonAlexander Graf von Württemberg.*) 1. Atar Gull war der Neger schönster und einst Guineas größter Stolz;Es glänzten seine schwarzen Glieder wohl schwärzer noch als Ebenholz. Er leitete vor Allen kräftig mit festem Arm den schwanken Kahn Durch der empörten Meereswogen getrübte, schaumbedeckte Bahn. Wenn es Gazellen galt zu jagen, war seinem flücht'gen Fuß zu steil Kein Felsenhang, es fehlte nimmer der zielgewohnte, sich're Pfeil. Mit scharfem Dolch empor zu klimmen an einer Boa glattem Leib, Mit angeschoss'nen Tigern ringen war ihm der liebste Zeitvertreib. Am Halse und im rothen Gürtel er manche Perlenreihe trug Von Zähnen vielverhaßter Feinde, die seine Keule einst erschlug. Doch, wie sich oft das Leben wendet nach langem, trügerischem Glück, So fiel auch auf den tapfern Neger des Schicksals Vollgewicht zurück. Er ward nach einer heißdurchkämpften, verhängnißvollen Mohrenschlacht, Zugleich mit seinem greisen Vater gefangen von der Uebermacht. Am Ufer flackern muntre Wimpel, die Segel spannt das Sklavenschiff, Das auf die Ladung längst gelauert hinter der Felsen hohem Riff. Zur Abfahrt donnern die Kanonen, das Fahrzeug sucht das weite Meer, Und von den armen, schwarzen Sklaven sieht keiner seine Heimath mehr. 2. Es taucht vom Himmel, sich zu kühlen, ermüdet von der steilen Bahn,Vom raschen Laufe roth erglühend die Sonne in den Ocean. Verstörte Wolkenbilder irren am meergetrag'nen Himmelsrand, Und werfen lange, dunkle Schatten auf heißgebrannten Ufersand. Vorüber zieht die schwarze Heerde entblößter Neger bei dem Knall Der rauhen Peitschen nach der Pflanzung, des Tages letzter Wiederhall. *) Wir glauben unsere Leser auf die vollständige Sammlung der Gedichte des Grafen Alexan¬
der von Württemberg, welche in den nächsten Monaten im Verlage der Cotta'schen Buch¬ handlung erscheinen wird, besonders aufmerksam machen zu müssen, Graf Alexander (Neffe des Königs von Württemberg) ist einer der bedeutendsten unter den deutschen Lyrikern der neuern Zeit. Generalmajor in der württembergischen Armee lebt er in Stuttgart das ernste Studium der Kriegswissenschaft mit dem heitern Spiel der Musen vereinend, ein schönes, früchte¬ reiches Leben. Die Güte des verehrten Dichters wird es uns möglich machen, in Kurzem eine größere Produktion unseren Lesern mittheilen zu können. D. Red. Mohrenrache. VonAlexander Graf von Württemberg.*) 1. Atar Gull war der Neger schönster und einst Guineas größter Stolz;Es glänzten seine schwarzen Glieder wohl schwärzer noch als Ebenholz. Er leitete vor Allen kräftig mit festem Arm den schwanken Kahn Durch der empörten Meereswogen getrübte, schaumbedeckte Bahn. Wenn es Gazellen galt zu jagen, war seinem flücht'gen Fuß zu steil Kein Felsenhang, es fehlte nimmer der zielgewohnte, sich're Pfeil. Mit scharfem Dolch empor zu klimmen an einer Boa glattem Leib, Mit angeschoss'nen Tigern ringen war ihm der liebste Zeitvertreib. Am Halse und im rothen Gürtel er manche Perlenreihe trug Von Zähnen vielverhaßter Feinde, die seine Keule einst erschlug. Doch, wie sich oft das Leben wendet nach langem, trügerischem Glück, So fiel auch auf den tapfern Neger des Schicksals Vollgewicht zurück. Er ward nach einer heißdurchkämpften, verhängnißvollen Mohrenschlacht, Zugleich mit seinem greisen Vater gefangen von der Uebermacht. Am Ufer flackern muntre Wimpel, die Segel spannt das Sklavenschiff, Das auf die Ladung längst gelauert hinter der Felsen hohem Riff. Zur Abfahrt donnern die Kanonen, das Fahrzeug sucht das weite Meer, Und von den armen, schwarzen Sklaven sieht keiner seine Heimath mehr. 2. Es taucht vom Himmel, sich zu kühlen, ermüdet von der steilen Bahn,Vom raschen Laufe roth erglühend die Sonne in den Ocean. Verstörte Wolkenbilder irren am meergetrag'nen Himmelsrand, Und werfen lange, dunkle Schatten auf heißgebrannten Ufersand. Vorüber zieht die schwarze Heerde entblößter Neger bei dem Knall Der rauhen Peitschen nach der Pflanzung, des Tages letzter Wiederhall. *) Wir glauben unsere Leser auf die vollständige Sammlung der Gedichte des Grafen Alexan¬
der von Württemberg, welche in den nächsten Monaten im Verlage der Cotta'schen Buch¬ handlung erscheinen wird, besonders aufmerksam machen zu müssen, Graf Alexander (Neffe des Königs von Württemberg) ist einer der bedeutendsten unter den deutschen Lyrikern der neuern Zeit. Generalmajor in der württembergischen Armee lebt er in Stuttgart das ernste Studium der Kriegswissenschaft mit dem heitern Spiel der Musen vereinend, ein schönes, früchte¬ reiches Leben. Die Güte des verehrten Dichters wird es uns möglich machen, in Kurzem eine größere Produktion unseren Lesern mittheilen zu können. D. Red. <TEI> <text> <body> <pb corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/179469" facs="#f0086" n="78"/> <div n="1"> <head>Mohrenrache.</head><lb/> <bibl rendition="#c">Von<lb/><author><hi rendition="#g">Alexander Graf von Württemberg</hi></author>.<note place="foot" n="*)">Wir glauben unsere Leser auf die vollständige Sammlung der Gedichte des Grafen Alexan¬<lb/> der von Württemberg, welche in den nächsten Monaten im Verlage der Cotta'schen Buch¬<lb/> handlung erscheinen wird, besonders aufmerksam machen zu müssen, Graf Alexander (Neffe<lb/> des Königs von Württemberg) ist einer der bedeutendsten unter den deutschen Lyrikern der<lb/> neuern Zeit. Generalmajor in der württembergischen Armee lebt er in Stuttgart das ernste<lb/> Studium der Kriegswissenschaft mit dem heitern Spiel der Musen vereinend, ein schönes, früchte¬<lb/> reiches Leben. Die Güte des verehrten Dichters wird es uns möglich machen, in Kurzem<lb/> eine größere Produktion unseren Lesern mittheilen zu können. <space dim="horizontal"/><bibl><author>D. Red.</author></bibl><lb/></note></bibl><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <head>1.</head><lb/> <l>Atar Gull war der Neger schönster und einst Guineas größter Stolz;<lb/> Es glänzten seine schwarzen Glieder wohl schwärzer noch als Ebenholz.<lb/> Er leitete vor Allen kräftig mit festem Arm den schwanken Kahn<lb/> Durch der empörten Meereswogen getrübte, schaumbedeckte Bahn.<lb/> Wenn es Gazellen galt zu jagen, war seinem flücht'gen Fuß zu steil<lb/> Kein Felsenhang, es fehlte nimmer der zielgewohnte, sich're Pfeil.<lb/> Mit scharfem Dolch empor zu klimmen an einer Boa glattem Leib,<lb/> Mit angeschoss'nen Tigern ringen war ihm der liebste Zeitvertreib.<lb/> Am Halse und im rothen Gürtel er manche Perlenreihe trug<lb/> Von Zähnen vielverhaßter Feinde, die seine Keule einst erschlug.<lb/> Doch, wie sich oft das Leben wendet nach langem, trügerischem Glück,<lb/> So fiel auch auf den tapfern Neger des Schicksals Vollgewicht zurück.<lb/> Er ward nach einer heißdurchkämpften, verhängnißvollen Mohrenschlacht,<lb/> Zugleich mit seinem greisen Vater gefangen von der Uebermacht.<lb/> Am Ufer flackern muntre Wimpel, die Segel spannt das Sklavenschiff,<lb/> Das auf die Ladung längst gelauert hinter der Felsen hohem Riff.<lb/> Zur Abfahrt donnern die Kanonen, das Fahrzeug sucht das weite Meer,<lb/> Und von den armen, schwarzen Sklaven sieht keiner seine Heimath mehr.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <head>2.</head><lb/> <l>Es taucht vom Himmel, sich zu kühlen, ermüdet von der steilen Bahn,<lb/> Vom raschen Laufe roth erglühend die Sonne in den Ocean.<lb/> Verstörte Wolkenbilder irren am meergetrag'nen Himmelsrand,<lb/> Und werfen lange, dunkle Schatten auf heißgebrannten Ufersand.<lb/> Vorüber zieht die schwarze Heerde entblößter Neger bei dem Knall<lb/> Der rauhen Peitschen nach der Pflanzung, des Tages letzter Wiederhall.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [78/0086]
Mohrenrache.
Von
Alexander Graf von Württemberg. *)
1.
Atar Gull war der Neger schönster und einst Guineas größter Stolz;
Es glänzten seine schwarzen Glieder wohl schwärzer noch als Ebenholz.
Er leitete vor Allen kräftig mit festem Arm den schwanken Kahn
Durch der empörten Meereswogen getrübte, schaumbedeckte Bahn.
Wenn es Gazellen galt zu jagen, war seinem flücht'gen Fuß zu steil
Kein Felsenhang, es fehlte nimmer der zielgewohnte, sich're Pfeil.
Mit scharfem Dolch empor zu klimmen an einer Boa glattem Leib,
Mit angeschoss'nen Tigern ringen war ihm der liebste Zeitvertreib.
Am Halse und im rothen Gürtel er manche Perlenreihe trug
Von Zähnen vielverhaßter Feinde, die seine Keule einst erschlug.
Doch, wie sich oft das Leben wendet nach langem, trügerischem Glück,
So fiel auch auf den tapfern Neger des Schicksals Vollgewicht zurück.
Er ward nach einer heißdurchkämpften, verhängnißvollen Mohrenschlacht,
Zugleich mit seinem greisen Vater gefangen von der Uebermacht.
Am Ufer flackern muntre Wimpel, die Segel spannt das Sklavenschiff,
Das auf die Ladung längst gelauert hinter der Felsen hohem Riff.
Zur Abfahrt donnern die Kanonen, das Fahrzeug sucht das weite Meer,
Und von den armen, schwarzen Sklaven sieht keiner seine Heimath mehr.
2.
Es taucht vom Himmel, sich zu kühlen, ermüdet von der steilen Bahn,
Vom raschen Laufe roth erglühend die Sonne in den Ocean.
Verstörte Wolkenbilder irren am meergetrag'nen Himmelsrand,
Und werfen lange, dunkle Schatten auf heißgebrannten Ufersand.
Vorüber zieht die schwarze Heerde entblößter Neger bei dem Knall
Der rauhen Peitschen nach der Pflanzung, des Tages letzter Wiederhall.
*) Wir glauben unsere Leser auf die vollständige Sammlung der Gedichte des Grafen Alexan¬
der von Württemberg, welche in den nächsten Monaten im Verlage der Cotta'schen Buch¬
handlung erscheinen wird, besonders aufmerksam machen zu müssen, Graf Alexander (Neffe
des Königs von Württemberg) ist einer der bedeutendsten unter den deutschen Lyrikern der
neuern Zeit. Generalmajor in der württembergischen Armee lebt er in Stuttgart das ernste
Studium der Kriegswissenschaft mit dem heitern Spiel der Musen vereinend, ein schönes, früchte¬
reiches Leben. Die Güte des verehrten Dichters wird es uns möglich machen, in Kurzem
eine größere Produktion unseren Lesern mittheilen zu können. D. Red.
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| Zitationshilfe: | Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/86>, abgerufen am 22.11.2024. |
