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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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Dann fördert er die raschen Tritte, bald ist erreicht des Pflanzers Gut,
Und aus der nachgeschleiften Schlange versiegt der letzte Tropfen Blut.
Wie nun der Mohr das Haus umspähet, er selbst der Riesenschlange gleicht,
Die schnell das Lager eines Tigers in weitem Bogen still umschleicht.
Schon naht er sich dem Blumenfenster, drin schläft des Pflanzers holdes Kind;
Es schreckt ihn nicht der Ton der Harfe, die bang durchklingt der Morgenwind.
Die läßig vorgeschob'nen Riegel öffnet mit leichter Müh' die Hand,
Dann läßt er schnell die Schlange gleiten herab von des Gesimses Rand.
"Nun, großer Fetisch, den ich ehre, nun zeige Deine finstre Macht,
Und lehre die verhaßten Weißen, daß noch ein Gott der Rache wacht."
8.
Gar heimlich lag in Rosenhecken Jenny's jungfräuliches Gemach;
Vor ihrem Fenster friedlich rauschte ein spiegelheller, muntrer Bach.
Aus seinem kühlen, klaren Grunde sah man den kleinsten Kieselstein,
Ein wahres Bild von Jenny's Herzen so lauter, ungetrübt und rein.
Doch heute braust in trüben Wogen durch Thal und Wald der Bach dahin,,
Als wollt' er den bekannten Ufern im raschen Laufe scheu entflieh'n.
Der Nachtsturm faßte Jenny's Rosen in unversöhnlich wildem Zorn;
Es starret ans den todten Blüthen hervor des kahlen Stammes Dorn.
Es thaut in hellen Thränenperlen der Regen von zerknicktem Laub,
Und in dem Sande spielet höhnisch der Wind mit seinem leichten Raub.
Im innern Raum der netten Wohnung dufteten Veilchen und Jasmin,
Es wand sich rauh der Schlangencactus durch des Geraniums Karmin.
Es schimmern hell im Farbenstreite der Rosen, der Kamelien Pracht,
Es bergen scheu Orangenblüthen sich in der Blätter dunkler Nacht.
Von ihren schönsten Lieblingsblumen will Jenny winden einen Kranz,
Der weithin überstrahlen möge des reichen Brautkleids Prunk und Glanz.
Sie beugt sich über mit Verlangen: da starrt aus dem bemoosten Topf,
Mit allen Schrecken einer Hölle, entgegen ihr der Schlange Kopf.
Erst lahmet Ohnmacht ihr die Zunge, dann tönt ein lauter, banger Schrei;
Sie ruft den Aeltern, dem Geliebten, "Zu Hilfe eilt! Herbei! Herbei!"
Da schallt von draußen ihr entgegen ein froh' Gelächter überlaut;
"Ei! Jenny! Jenny! Kleine Thörin, der vor der todten Schlange graut!"
Zur Thüre will sie sich nun wenden; die Klinke greift die bange Hand;
Sie bleibt verschlossen in den Angeln, als hätte Zauber sie gebannt.
Und rauh ertönt des Pflanzers Stimme: "Nicht früher sich der Schlüssel dreht,
Bis du verstummst mit deinem Rufen, mit deinem albernen Gebet."
Da sinkt die bleiche Jenny nieder, durchfrostet von des Todes Schreck,
Der Schlangenkönig naht sich schleichend ans seinem heimlichen Versteck.
Es windet sich statt schöner Blumen um's Haupt der todgeweihten Maid
Die Schlange kalt, um's volle Mieder, ein Brautkranz naher Ewigkeit.
Es trifft den schönen Marmorbusen der giftgefüllte scharfe Zahn;
Dem jähen Tod, der lüstern lauert, öffnet sich rasch die sich're Bahn.
Und wie ein Dämon ans den Tiefen der Unterwelt blickt wild empor,
So blickt durch's Fenster, heiser lachend, Atar Gull, der gerächte Mohr.


Dann fördert er die raschen Tritte, bald ist erreicht des Pflanzers Gut,
Und aus der nachgeschleiften Schlange versiegt der letzte Tropfen Blut.
Wie nun der Mohr das Haus umspähet, er selbst der Riesenschlange gleicht,
Die schnell das Lager eines Tigers in weitem Bogen still umschleicht.
Schon naht er sich dem Blumenfenster, drin schläft des Pflanzers holdes Kind;
Es schreckt ihn nicht der Ton der Harfe, die bang durchklingt der Morgenwind.
Die läßig vorgeschob'nen Riegel öffnet mit leichter Müh' die Hand,
Dann läßt er schnell die Schlange gleiten herab von des Gesimses Rand.
„Nun, großer Fetisch, den ich ehre, nun zeige Deine finstre Macht,
Und lehre die verhaßten Weißen, daß noch ein Gott der Rache wacht.“
8.
Gar heimlich lag in Rosenhecken Jenny's jungfräuliches Gemach;
Vor ihrem Fenster friedlich rauschte ein spiegelheller, muntrer Bach.
Aus seinem kühlen, klaren Grunde sah man den kleinsten Kieselstein,
Ein wahres Bild von Jenny's Herzen so lauter, ungetrübt und rein.
Doch heute braust in trüben Wogen durch Thal und Wald der Bach dahin,,
Als wollt' er den bekannten Ufern im raschen Laufe scheu entflieh'n.
Der Nachtsturm faßte Jenny's Rosen in unversöhnlich wildem Zorn;
Es starret ans den todten Blüthen hervor des kahlen Stammes Dorn.
Es thaut in hellen Thränenperlen der Regen von zerknicktem Laub,
Und in dem Sande spielet höhnisch der Wind mit seinem leichten Raub.
Im innern Raum der netten Wohnung dufteten Veilchen und Jasmin,
Es wand sich rauh der Schlangencactus durch des Geraniums Karmin.
Es schimmern hell im Farbenstreite der Rosen, der Kamelien Pracht,
Es bergen scheu Orangenblüthen sich in der Blätter dunkler Nacht.
Von ihren schönsten Lieblingsblumen will Jenny winden einen Kranz,
Der weithin überstrahlen möge des reichen Brautkleids Prunk und Glanz.
Sie beugt sich über mit Verlangen: da starrt aus dem bemoosten Topf,
Mit allen Schrecken einer Hölle, entgegen ihr der Schlange Kopf.
Erst lahmet Ohnmacht ihr die Zunge, dann tönt ein lauter, banger Schrei;
Sie ruft den Aeltern, dem Geliebten, „Zu Hilfe eilt! Herbei! Herbei!“
Da schallt von draußen ihr entgegen ein froh' Gelächter überlaut;
„Ei! Jenny! Jenny! Kleine Thörin, der vor der todten Schlange graut!“
Zur Thüre will sie sich nun wenden; die Klinke greift die bange Hand;
Sie bleibt verschlossen in den Angeln, als hätte Zauber sie gebannt.
Und rauh ertönt des Pflanzers Stimme: „Nicht früher sich der Schlüssel dreht,
Bis du verstummst mit deinem Rufen, mit deinem albernen Gebet.“
Da sinkt die bleiche Jenny nieder, durchfrostet von des Todes Schreck,
Der Schlangenkönig naht sich schleichend ans seinem heimlichen Versteck.
Es windet sich statt schöner Blumen um's Haupt der todgeweihten Maid
Die Schlange kalt, um's volle Mieder, ein Brautkranz naher Ewigkeit.
Es trifft den schönen Marmorbusen der giftgefüllte scharfe Zahn;
Dem jähen Tod, der lüstern lauert, öffnet sich rasch die sich're Bahn.
Und wie ein Dämon ans den Tiefen der Unterwelt blickt wild empor,
So blickt durch's Fenster, heiser lachend, Atar Gull, der gerächte Mohr.


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[81/0089] Dann fördert er die raschen Tritte, bald ist erreicht des Pflanzers Gut, Und aus der nachgeschleiften Schlange versiegt der letzte Tropfen Blut. Wie nun der Mohr das Haus umspähet, er selbst der Riesenschlange gleicht, Die schnell das Lager eines Tigers in weitem Bogen still umschleicht. Schon naht er sich dem Blumenfenster, drin schläft des Pflanzers holdes Kind; Es schreckt ihn nicht der Ton der Harfe, die bang durchklingt der Morgenwind. Die läßig vorgeschob'nen Riegel öffnet mit leichter Müh' die Hand, Dann läßt er schnell die Schlange gleiten herab von des Gesimses Rand. „Nun, großer Fetisch, den ich ehre, nun zeige Deine finstre Macht, Und lehre die verhaßten Weißen, daß noch ein Gott der Rache wacht.“ 8. Gar heimlich lag in Rosenhecken Jenny's jungfräuliches Gemach; Vor ihrem Fenster friedlich rauschte ein spiegelheller, muntrer Bach. Aus seinem kühlen, klaren Grunde sah man den kleinsten Kieselstein, Ein wahres Bild von Jenny's Herzen so lauter, ungetrübt und rein. Doch heute braust in trüben Wogen durch Thal und Wald der Bach dahin,, Als wollt' er den bekannten Ufern im raschen Laufe scheu entflieh'n. Der Nachtsturm faßte Jenny's Rosen in unversöhnlich wildem Zorn; Es starret ans den todten Blüthen hervor des kahlen Stammes Dorn. Es thaut in hellen Thränenperlen der Regen von zerknicktem Laub, Und in dem Sande spielet höhnisch der Wind mit seinem leichten Raub. Im innern Raum der netten Wohnung dufteten Veilchen und Jasmin, Es wand sich rauh der Schlangencactus durch des Geraniums Karmin. Es schimmern hell im Farbenstreite der Rosen, der Kamelien Pracht, Es bergen scheu Orangenblüthen sich in der Blätter dunkler Nacht. Von ihren schönsten Lieblingsblumen will Jenny winden einen Kranz, Der weithin überstrahlen möge des reichen Brautkleids Prunk und Glanz. Sie beugt sich über mit Verlangen: da starrt aus dem bemoosten Topf, Mit allen Schrecken einer Hölle, entgegen ihr der Schlange Kopf. Erst lahmet Ohnmacht ihr die Zunge, dann tönt ein lauter, banger Schrei; Sie ruft den Aeltern, dem Geliebten, „Zu Hilfe eilt! Herbei! Herbei!“ Da schallt von draußen ihr entgegen ein froh' Gelächter überlaut; „Ei! Jenny! Jenny! Kleine Thörin, der vor der todten Schlange graut!“ Zur Thüre will sie sich nun wenden; die Klinke greift die bange Hand; Sie bleibt verschlossen in den Angeln, als hätte Zauber sie gebannt. Und rauh ertönt des Pflanzers Stimme: „Nicht früher sich der Schlüssel dreht, Bis du verstummst mit deinem Rufen, mit deinem albernen Gebet.“ Da sinkt die bleiche Jenny nieder, durchfrostet von des Todes Schreck, Der Schlangenkönig naht sich schleichend ans seinem heimlichen Versteck. Es windet sich statt schöner Blumen um's Haupt der todgeweihten Maid Die Schlange kalt, um's volle Mieder, ein Brautkranz naher Ewigkeit. Es trifft den schönen Marmorbusen der giftgefüllte scharfe Zahn; Dem jähen Tod, der lüstern lauert, öffnet sich rasch die sich're Bahn. Und wie ein Dämon ans den Tiefen der Unterwelt blickt wild empor, So blickt durch's Fenster, heiser lachend, Atar Gull, der gerächte Mohr.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/89>, abgerufen am 22.11.2024.