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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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Name, den Herr Mole in die Welt gesetzt; man glaubt vielleicht, daß dieser
Mann sich in großer Klemme befindet, wenn Herr Duvergier ihm
Angriffsartikel gegen das Ministerium überträgt, und Herr Guizot ihm die
Veröffentlichung derselben, bei Strafe sein Amt zu verlieren, untersagt?
Nicht im mindesten; Herr Buloz ist keinesweges verlegen, er giebt die
Artikel des Herrn Duvergier der Reihe nach heraus, -- verspricht bei jedem
Artikel, keine mehr herausgeben zu wollen, -- und fängt immer von neuem an.



Wenn es von einem Minister heißt: er hat sich an ein fremdes Land ver¬
kauft, er verräth das Vaterland, er giebt das Ansehen des Staates preis,
er richtet das Volk zu Grunde, u. s. w.

So liegt in dem allen nichts Beleidigendes; -- es sind das herkömm¬
liche Redensarten, und wer sie heute anhören muß, hat sie gestern gegen
den angewandt, der sie im Munde führt.

Es ist gänzlich damit, wie in dem Stück Angelo, Tyrann von Padua.
Erst spielte Madam Dorval die Thisbe, und Fräulein Mars die Catarina;
einige Zeit später spielte Fräulein Mars die Thisbe, und Madame Dorval
übernahm die Rolle der Catarina.

Es ist nichts weiter als eine Comödie mit zweierlei Rollen; -- indeß
ist dabei ein Uebelstand, Herr Augustin; erlauben Sie mir, denselben näher
anzugeben.

"Frankreich." "das Vaterland" "der Ruhm der Nation," "die
Freiheit," "die Aufrechthaltung unserer Institutionen," "das Volk," "die Ge¬
setze" u. s. w. u. s. w. -- jedes dieser Worte ist nichts als Schrot, Kugel
oder Bombe, womit einer seine Pistole, Büchse oder Mörser ladet, um auf
seine politischen Gegner zu schießen, das will sagen, auf diejenigen welche
die Stelle bekleiden, die er gern haben möchte, oder welche nach der trachten,
die er selbst inne hat.

Die besten Mittel nutzen sich ab; man muß auf neue denken. Was
nun das anbelangt, so macht man sich so wenig ein Gewissen daraus, das
Land in Bewegung zu setzen, als jener Egoist, von dem uns ein griechischer
Schriftsteller erzählt, daß er seines Nachbars Haus in Brand gesteckt habe, um
sich ein Ei zu sieden; die Hauptsache ist, daß das Ei zu rechter Zeit gesotten sei.

Anfangs reichten kleine Mittel aus; man schrieb auf Rechnung der
bestehenden Regierung, das heißt des Ministeriums, allen Regen der
fiel, oder auch nicht fiel; -- niemals hatte man so viele Raupen gesehen,
als dieses Jahr, -- die Erndte ließ sich schlecht an, -- das Brot ward
theuer u. s. w.

Diese kleinen Mittel waren, in Betracht der Wirkung, auf die sie ziel¬
ten, groß genug: denn die Sache, um die es zu thun ist, bleibt immer die,

Name, den Herr Mole in die Welt gesetzt; man glaubt vielleicht, daß dieser
Mann sich in großer Klemme befindet, wenn Herr Duvergier ihm
Angriffsartikel gegen das Ministerium überträgt, und Herr Guizot ihm die
Veröffentlichung derselben, bei Strafe sein Amt zu verlieren, untersagt?
Nicht im mindesten; Herr Buloz ist keinesweges verlegen, er giebt die
Artikel des Herrn Duvergier der Reihe nach heraus, — verspricht bei jedem
Artikel, keine mehr herausgeben zu wollen, — und fängt immer von neuem an.



Wenn es von einem Minister heißt: er hat sich an ein fremdes Land ver¬
kauft, er verräth das Vaterland, er giebt das Ansehen des Staates preis,
er richtet das Volk zu Grunde, u. s. w.

So liegt in dem allen nichts Beleidigendes; — es sind das herkömm¬
liche Redensarten, und wer sie heute anhören muß, hat sie gestern gegen
den angewandt, der sie im Munde führt.

Es ist gänzlich damit, wie in dem Stück Angelo, Tyrann von Padua.
Erst spielte Madam Dorval die Thisbe, und Fräulein Mars die Catarina;
einige Zeit später spielte Fräulein Mars die Thisbe, und Madame Dorval
übernahm die Rolle der Catarina.

Es ist nichts weiter als eine Comödie mit zweierlei Rollen; — indeß
ist dabei ein Uebelstand, Herr Augustin; erlauben Sie mir, denselben näher
anzugeben.

„Frankreich.“ „das Vaterland“ „der Ruhm der Nation,“ „die
Freiheit,“ „die Aufrechthaltung unserer Institutionen,“ „das Volk,“ „die Ge¬
setze“ u. s. w. u. s. w. — jedes dieser Worte ist nichts als Schrot, Kugel
oder Bombe, womit einer seine Pistole, Büchse oder Mörser ladet, um auf
seine politischen Gegner zu schießen, das will sagen, auf diejenigen welche
die Stelle bekleiden, die er gern haben möchte, oder welche nach der trachten,
die er selbst inne hat.

Die besten Mittel nutzen sich ab; man muß auf neue denken. Was
nun das anbelangt, so macht man sich so wenig ein Gewissen daraus, das
Land in Bewegung zu setzen, als jener Egoist, von dem uns ein griechischer
Schriftsteller erzählt, daß er seines Nachbars Haus in Brand gesteckt habe, um
sich ein Ei zu sieden; die Hauptsache ist, daß das Ei zu rechter Zeit gesotten sei.

Anfangs reichten kleine Mittel aus; man schrieb auf Rechnung der
bestehenden Regierung, das heißt des Ministeriums, allen Regen der
fiel, oder auch nicht fiel; — niemals hatte man so viele Raupen gesehen,
als dieses Jahr, — die Erndte ließ sich schlecht an, — das Brot ward
theuer u. s. w.

Diese kleinen Mittel waren, in Betracht der Wirkung, auf die sie ziel¬
ten, groß genug: denn die Sache, um die es zu thun ist, bleibt immer die,

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[84/0092] Name, den Herr Mole in die Welt gesetzt; man glaubt vielleicht, daß dieser Mann sich in großer Klemme befindet, wenn Herr Duvergier ihm Angriffsartikel gegen das Ministerium überträgt, und Herr Guizot ihm die Veröffentlichung derselben, bei Strafe sein Amt zu verlieren, untersagt? Nicht im mindesten; Herr Buloz ist keinesweges verlegen, er giebt die Artikel des Herrn Duvergier der Reihe nach heraus, — verspricht bei jedem Artikel, keine mehr herausgeben zu wollen, — und fängt immer von neuem an. Wenn es von einem Minister heißt: er hat sich an ein fremdes Land ver¬ kauft, er verräth das Vaterland, er giebt das Ansehen des Staates preis, er richtet das Volk zu Grunde, u. s. w. So liegt in dem allen nichts Beleidigendes; — es sind das herkömm¬ liche Redensarten, und wer sie heute anhören muß, hat sie gestern gegen den angewandt, der sie im Munde führt. Es ist gänzlich damit, wie in dem Stück Angelo, Tyrann von Padua. Erst spielte Madam Dorval die Thisbe, und Fräulein Mars die Catarina; einige Zeit später spielte Fräulein Mars die Thisbe, und Madame Dorval übernahm die Rolle der Catarina. Es ist nichts weiter als eine Comödie mit zweierlei Rollen; — indeß ist dabei ein Uebelstand, Herr Augustin; erlauben Sie mir, denselben näher anzugeben. „Frankreich.“ „das Vaterland“ „der Ruhm der Nation,“ „die Freiheit,“ „die Aufrechthaltung unserer Institutionen,“ „das Volk,“ „die Ge¬ setze“ u. s. w. u. s. w. — jedes dieser Worte ist nichts als Schrot, Kugel oder Bombe, womit einer seine Pistole, Büchse oder Mörser ladet, um auf seine politischen Gegner zu schießen, das will sagen, auf diejenigen welche die Stelle bekleiden, die er gern haben möchte, oder welche nach der trachten, die er selbst inne hat. Die besten Mittel nutzen sich ab; man muß auf neue denken. Was nun das anbelangt, so macht man sich so wenig ein Gewissen daraus, das Land in Bewegung zu setzen, als jener Egoist, von dem uns ein griechischer Schriftsteller erzählt, daß er seines Nachbars Haus in Brand gesteckt habe, um sich ein Ei zu sieden; die Hauptsache ist, daß das Ei zu rechter Zeit gesotten sei. Anfangs reichten kleine Mittel aus; man schrieb auf Rechnung der bestehenden Regierung, das heißt des Ministeriums, allen Regen der fiel, oder auch nicht fiel; — niemals hatte man so viele Raupen gesehen, als dieses Jahr, — die Erndte ließ sich schlecht an, — das Brot ward theuer u. s. w. Diese kleinen Mittel waren, in Betracht der Wirkung, auf die sie ziel¬ ten, groß genug: denn die Sache, um die es zu thun ist, bleibt immer die,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/92>, abgerufen am 22.11.2024.