Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.Vermischte Gedichte. Vor Nessel und Napel man aller Orten fandGewächse/ die man gern pflegt küssend liebzukosen. Jndeme nun mein Fuß/ das zarte Feld betrat/ Und als ein schüchtern Schaaf durch Au und Wälder irrte/ Ward ich von fern gewahr ein ausgelegtes Pfad/ Worauf ein lichter Strahl bald hier/ bald dorthin schwirrte. Daselbsten schwenckte ich die müden Glieder hin/ Weil mein neugierger Geist dahin mit Macht begehrte/ Jch kam auch an das Pfad/ und sah den Aretin, Den ein geweyhter Krantz von grünen Myrthen ehrte. Kaum wie er mich ersehn/ fand er sich bey mir ein/ Er reichte mir die Hand in dem er dieses fragte/ Woher mir doch das Land so kundbahr könnte seyn/ Und wie mir dessen Lust und Lager-Stadt behagte? Noch ferner fuhr er fort/ ob mir auch wol bewust/ Daß dis die Jnsul wär wo Venus Tempel stünde? Wo man vor Schmertz und Pein nur ungemeine Lust/ Vor Diesteln/ Liljen und schöne Rosen fünde. Wo wenig Sterbliche den Fuß noch vest gestellt/ Wenn sie nicht Venus Lob zur Gnüge ausgebreitet/ Und ihrer Majestät den halben Kreyß der Welt Zum Opffer dargereicht/ und her zu ihr geleitet. Jch sprach mein Aretin mein unbesonner Fuß Jst sonder meine Schuld in dis Revier gekommen/ Denn als ich unterfing in jenem Marmor-Fluß Den Leib zu kühln/ bin ich an dieses Land geschwummen. Wo ich den Ausgang nicht/ noch dessen Eingang weiß/ Dort was erscheinet dort/ mit seinen güldnen Zinnen? Was ists vor ein Gebäu/ vor dem ein kaltes Eyß/ Weil es so helle scheint/ wie Wasser muß zerrinnen? Hierauf sprach Aretin, es ist der Venus Sitz/ Da küßt sich Amors Macht mit Cypris süssen Flammen/ Da blitzet/ strahlt und brennt vergönnter Liebe-Blitz/ Da schmeltzet Mann und Weib in heisser Gluth zusammen. Da gehet niemand frey ohn Strick und Band zurück/ Wer als ein lüstern Gast in diese Gegend wallet/ Ehrt den beliebten Strahl mit einem heissen Blick/ Der aus der Nymphen Aug' in sein Gesichte prallet. Jch/
Vermiſchte Gedichte. Vor Neſſel und Napel man aller Orten fandGewaͤchſe/ die man gern pflegt kuͤſſend liebzukoſen. Jndeme nun mein Fuß/ das zarte Feld betrat/ Und als ein ſchuͤchtern Schaaf durch Au und Waͤlder irrte/ Ward ich von fern gewahr ein ausgelegtes Pfad/ Worauf ein lichter Strahl bald hier/ bald dorthin ſchwirrte. Daſelbſten ſchwenckte ich die muͤden Glieder hin/ Weil mein neugierger Geiſt dahin mit Macht begehrte/ Jch kam auch an das Pfad/ und ſah den Aretin, Den ein geweyhter Krantz von gruͤnen Myrthen ehrte. Kaum wie er mich erſehn/ fand er ſich bey mir ein/ Er reichte mir die Hand in dem er dieſes fragte/ Woher mir doch das Land ſo kundbahr koͤnnte ſeyn/ Und wie mir deſſen Luſt und Lager-Stadt behagte? Noch ferner fuhr er fort/ ob mir auch wol bewuſt/ Daß dis die Jnſul waͤr wo Venus Tempel ſtuͤnde? Wo man vor Schmertz und Pein nur ungemeine Luſt/ Vor Dieſteln/ Liljen und ſchoͤne Roſen fuͤnde. Wo wenig Sterbliche den Fuß noch veſt geſtellt/ Wenn ſie nicht Venus Lob zur Gnuͤge ausgebreitet/ Und ihrer Majeſtaͤt den halben Kreyß der Welt Zum Opffer dargereicht/ und her zu ihr geleitet. Jch ſprach mein Aretin mein unbeſonner Fuß Jſt ſonder meine Schuld in dis Revier gekommen/ Denn als ich unterfing in jenem Marmor-Fluß Den Leib zu kuͤhln/ bin ich an dieſes Land geſchwummen. Wo ich den Ausgang nicht/ noch deſſen Eingang weiß/ Dort was erſcheinet dort/ mit ſeinen guͤldnen Zinnen? Was iſts vor ein Gebaͤu/ vor dem ein kaltes Eyß/ Weil es ſo helle ſcheint/ wie Waſſer muß zerrinnen? Hierauf ſprach Aretin, es iſt der Venus Sitz/ Da kuͤßt ſich Amors Macht mit Cypris ſuͤſſen Flammen/ Da blitzet/ ſtrahlt und brennt vergoͤnnter Liebe-Blitz/ Da ſchmeltzet Mann und Weib in heiſſer Gluth zuſammen. Da gehet niemand frey ohn Strick und Band zuruͤck/ Wer als ein luͤſtern Gaſt in dieſe Gegend wallet/ Ehrt den beliebten Strahl mit einem heiſſen Blick/ Der aus der Nymphen Aug’ in ſein Geſichte prallet. Jch/
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Vermiſchte Gedichte.
Vor Neſſel und Napel man aller Orten fand
Gewaͤchſe/ die man gern pflegt kuͤſſend liebzukoſen.
Jndeme nun mein Fuß/ das zarte Feld betrat/
Und als ein ſchuͤchtern Schaaf durch Au und Waͤlder irrte/
Ward ich von fern gewahr ein ausgelegtes Pfad/
Worauf ein lichter Strahl bald hier/ bald dorthin ſchwirrte.
Daſelbſten ſchwenckte ich die muͤden Glieder hin/
Weil mein neugierger Geiſt dahin mit Macht begehrte/
Jch kam auch an das Pfad/ und ſah den Aretin,
Den ein geweyhter Krantz von gruͤnen Myrthen ehrte.
Kaum wie er mich erſehn/ fand er ſich bey mir ein/
Er reichte mir die Hand in dem er dieſes fragte/
Woher mir doch das Land ſo kundbahr koͤnnte ſeyn/
Und wie mir deſſen Luſt und Lager-Stadt behagte?
Noch ferner fuhr er fort/ ob mir auch wol bewuſt/
Daß dis die Jnſul waͤr wo Venus Tempel ſtuͤnde?
Wo man vor Schmertz und Pein nur ungemeine Luſt/
Vor Dieſteln/ Liljen und ſchoͤne Roſen fuͤnde.
Wo wenig Sterbliche den Fuß noch veſt geſtellt/
Wenn ſie nicht Venus Lob zur Gnuͤge ausgebreitet/
Und ihrer Majeſtaͤt den halben Kreyß der Welt
Zum Opffer dargereicht/ und her zu ihr geleitet.
Jch ſprach mein Aretin mein unbeſonner Fuß
Jſt ſonder meine Schuld in dis Revier gekommen/
Denn als ich unterfing in jenem Marmor-Fluß
Den Leib zu kuͤhln/ bin ich an dieſes Land geſchwummen.
Wo ich den Ausgang nicht/ noch deſſen Eingang weiß/
Dort was erſcheinet dort/ mit ſeinen guͤldnen Zinnen?
Was iſts vor ein Gebaͤu/ vor dem ein kaltes Eyß/
Weil es ſo helle ſcheint/ wie Waſſer muß zerrinnen?
Hierauf ſprach Aretin, es iſt der Venus Sitz/
Da kuͤßt ſich Amors Macht mit Cypris ſuͤſſen Flammen/
Da blitzet/ ſtrahlt und brennt vergoͤnnter Liebe-Blitz/
Da ſchmeltzet Mann und Weib in heiſſer Gluth zuſammen.
Da gehet niemand frey ohn Strick und Band zuruͤck/
Wer als ein luͤſtern Gaſt in dieſe Gegend wallet/
Ehrt den beliebten Strahl mit einem heiſſen Blick/
Der aus der Nymphen Aug’ in ſein Geſichte prallet.
Jch/
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