Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.Vermischte Gedichte. Wie fang' ich aber an die Verse aufzusetzen? Die Venus und ihr Sohn sind mir gantz unbek annt/ Jch weiß von Hymen nichts/ und finde kein Ergötzen Wenn manch Poete schreibt von seiner Fackel-Brand; Man rühmet überall Cupidens Macht und Stärcke/ Thut denn ein blindes Kind so grosse Wunder-Wercke? Doch bin ich fast er staunt/ die lassen Sinnen stehen/ Wenn sich vor Delilen ein grosser Simson beugt/ Und vor Verwunderung gedenck' ich zu vergehen/ Wenn sich vor Omphalen Alcidens Stärcke neigt. Dient Jacob sieben Jahr um Rahels seltne Gaben/ So muß die Liebes-Macht nicht ihres Gleichen haben? Ja! es ist mehr als wahr; Den angenehmen Trieben War schon im Paradies der erste Mensch zu schwach/ Es muste seine Brust so gleich die Eva lieben/ Er hengte alsobald der süssen Regung nach. Weil wir nun alle her von diesen Eltern stammen/ So können wir das Feur der Liebe nicht verdammen. Es will zwar manches Haupt den Ehe-Stand verwerffen/ Den selbst das grosse Drey im Paradies gestifft/ Wie mancher müht sich nicht den Tadel-Kiel zu schärffen Wenn ein geweyhter Mann ein keusches Bündniß trifft. Allein kein Kluger wird den falschen Schluß versiegeln/ Den Latium gemacht auf seinen sieben Hügeln. Die Priester Jsraels/ die durfften ehlich leben/ Gott sah die keusche Brunst mit Wohlgefallen an/ Und also wird er auch zu dieser Zeit zugeben/ Daß seine Priesterschafft sich ehlich sehen kan. Kan Aaron seine Frau in reiner Unschuld küssen/ So darf ers ebenfals mit keiner Straffe büssen. Denn/ wenn es ausgemacht/ daß Lieben eine Sünde/ So würde er gewiß den Fehler nicht begehn; Nun aber sehnt er sich nach einem lieben Kinde Weil Gott zum zweyten mahl es also ausersehn: Er folgt des Höchsten Raht/ und wil auch dessen Willen/ Jn der Verehligung als wie sein Knecht erfüllen. Der
Vermiſchte Gedichte. Wie fang’ ich aber an die Verſe aufzuſetzen? Die Venus und ihr Sohn ſind mir gantz unbek annt/ Jch weiß von Hymen nichts/ und finde kein Ergoͤtzen Wenn manch Poëte ſchreibt von ſeiner Fackel-Brand; Man ruͤhmet uͤberall Cupidens Macht und Staͤrcke/ Thut denn ein blindes Kind ſo groſſe Wunder-Wercke? Doch bin ich faſt er ſtaunt/ die laſſen Sinnen ſtehen/ Wenn ſich vor Delilen ein groſſer Simſon beugt/ Und vor Verwunderung gedenck’ ich zu vergehen/ Wenn ſich vor Omphalen Alcidens Staͤrcke neigt. Dient Jacob ſieben Jahr um Rahels ſeltne Gaben/ So muß die Liebes-Macht nicht ihres Gleichen haben? Ja! es iſt mehr als wahr; Den angenehmen Trieben War ſchon im Paradies der erſte Menſch zu ſchwach/ Es muſte ſeine Bruſt ſo gleich die Eva lieben/ Er hengte alſobald der ſuͤſſen Regung nach. Weil wir nun alle her von dieſen Eltern ſtammen/ So koͤnnen wir das Feur der Liebe nicht verdammen. Es will zwar manches Haupt den Ehe-Stand verwerffen/ Den ſelbſt das groſſe Drey im Paradies geſtifft/ Wie mancher muͤht ſich nicht den Tadel-Kiel zu ſchaͤrffen Wenn ein geweyhter Mann ein keuſches Buͤndniß trifft. Allein kein Kluger wird den falſchen Schluß verſiegeln/ Den Latium gemacht auf ſeinen ſieben Huͤgeln. Die Prieſter Jſraels/ die durfften ehlich leben/ Gott ſah die keuſche Brunſt mit Wohlgefallen an/ Und alſo wird er auch zu dieſer Zeit zugeben/ Daß ſeine Prieſterſchafft ſich ehlich ſehen kan. Kan Aaron ſeine Frau in reiner Unſchuld kuͤſſen/ So darf ers ebenfals mit keiner Straffe buͤſſen. Denn/ wenn es ausgemacht/ daß Lieben eine Suͤnde/ So wuͤrde er gewiß den Fehler nicht begehn; Nun aber ſehnt er ſich nach einem lieben Kinde Weil Gott zum zweyten mahl es alſo auserſehn: Er folgt des Hoͤchſten Raht/ und wil auch deſſen Willen/ Jn der Verehligung als wie ſein Knecht erfuͤllen. Der
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Vermiſchte Gedichte.
Wie fang’ ich aber an die Verſe aufzuſetzen?
Die Venus und ihr Sohn ſind mir gantz unbek annt/
Jch weiß von Hymen nichts/ und finde kein Ergoͤtzen
Wenn manch Poëte ſchreibt von ſeiner Fackel-Brand;
Man ruͤhmet uͤberall Cupidens Macht und Staͤrcke/
Thut denn ein blindes Kind ſo groſſe Wunder-Wercke?
Doch bin ich faſt er ſtaunt/ die laſſen Sinnen ſtehen/
Wenn ſich vor Delilen ein groſſer Simſon beugt/
Und vor Verwunderung gedenck’ ich zu vergehen/
Wenn ſich vor Omphalen Alcidens Staͤrcke neigt.
Dient Jacob ſieben Jahr um Rahels ſeltne Gaben/
So muß die Liebes-Macht nicht ihres Gleichen haben?
Ja! es iſt mehr als wahr; Den angenehmen Trieben
War ſchon im Paradies der erſte Menſch zu ſchwach/
Es muſte ſeine Bruſt ſo gleich die Eva lieben/
Er hengte alſobald der ſuͤſſen Regung nach.
Weil wir nun alle her von dieſen Eltern ſtammen/
So koͤnnen wir das Feur der Liebe nicht verdammen.
Es will zwar manches Haupt den Ehe-Stand verwerffen/
Den ſelbſt das groſſe Drey im Paradies geſtifft/
Wie mancher muͤht ſich nicht den Tadel-Kiel zu ſchaͤrffen
Wenn ein geweyhter Mann ein keuſches Buͤndniß trifft.
Allein kein Kluger wird den falſchen Schluß verſiegeln/
Den Latium gemacht auf ſeinen ſieben Huͤgeln.
Die Prieſter Jſraels/ die durfften ehlich leben/
Gott ſah die keuſche Brunſt mit Wohlgefallen an/
Und alſo wird er auch zu dieſer Zeit zugeben/
Daß ſeine Prieſterſchafft ſich ehlich ſehen kan.
Kan Aaron ſeine Frau in reiner Unſchuld kuͤſſen/
So darf ers ebenfals mit keiner Straffe buͤſſen.
Denn/ wenn es ausgemacht/ daß Lieben eine Suͤnde/
So wuͤrde er gewiß den Fehler nicht begehn;
Nun aber ſehnt er ſich nach einem lieben Kinde
Weil Gott zum zweyten mahl es alſo auserſehn:
Er folgt des Hoͤchſten Raht/ und wil auch deſſen Willen/
Jn der Verehligung als wie ſein Knecht erfuͤllen.
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