Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845.Einfluss der Constitution. giebigkeit von Seiten der Eltern, welche die eigensinnige und zügel-lose Entwickelung aller Neigungen und Lüste zulässt; früher oder später ist dann ein schroffer Zusammenstoss mit dem Leben unver- meidlich, und heftige Leidenschaften und Affecte mit ihren gesund- heitsstörenden Einwirkungen können nicht ausbleiben. Vgl. den im folgenden Buche erwähnten, von Pinel erzählten Fall. (Traite de §. 73. 3) Psychische und somatische Constitution. Das Urtheil Dagegen gibt es eine andere, anatomisch durchaus nicht, sondern Einfluss der Constitution. giebigkeit von Seiten der Eltern, welche die eigensinnige und zügel-lose Entwickelung aller Neigungen und Lüste zulässt; früher oder später ist dann ein schroffer Zusammenstoss mit dem Leben unver- meidlich, und heftige Leidenschaften und Affecte mit ihren gesund- heitsstörenden Einwirkungen können nicht ausbleiben. Vgl. den im folgenden Buche erwähnten, von Pinel erzählten Fall. (Traité de §. 73. 3) Psychische und somatische Constitution. Das Urtheil Dagegen gibt es eine andere, anatomisch durchaus nicht, sondern <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0131" n="117"/><fw place="top" type="header">Einfluss der Constitution.</fw><lb/> giebigkeit von Seiten der Eltern, welche die eigensinnige und zügel-<lb/> lose Entwickelung aller Neigungen und Lüste zulässt; früher oder<lb/> später ist dann ein schroffer Zusammenstoss mit dem Leben unver-<lb/> meidlich, und heftige Leidenschaften und Affecte mit ihren gesund-<lb/> heitsstörenden Einwirkungen können nicht ausbleiben.</p><lb/> <p>Vgl. den im folgenden Buche erwähnten, von Pinel erzählten Fall. (Traité de<lb/> l’aliénation mentale. p. 159.)</p> </div><lb/> <div n="4"> <head>§. 73.</head><lb/> <p>3) <hi rendition="#g">Psychische und somatische Constitution</hi>. Das Urtheil<lb/> über die leibliche Constitution gründet sich gewöhnlich auf einige<lb/> auffallender wahrnehmbare, anatomische Verschiedenheiten unter den<lb/> Individuen, namentlich in Bezug auf Entwickelung des Muskelsystems.<lb/> Wir müssen darauf verzichten, in Verschiedenheiten dieser Verhält-<lb/> nisse etwas zu Geisteskrankheiten Disponirendes aufzufinden, denn die<lb/> tägliche Beobachtung zeigt, dass muskelstarke und schwächliche, ebenso<lb/> wieder trockene und feuchte Constitutionen so ziemlich in gleicher<lb/> Anzahl von Irresein befallen werden.</p><lb/> <p>Dagegen gibt es eine andere, anatomisch durchaus nicht, sondern<lb/> nur physiologisch erkennbare, primitive oder erworbene Constitution,<lb/> welche wesentlich zu Geisteskrankheiten disponirt. Es ist diess die<lb/> sogenannte <hi rendition="#g">nervöse Constitution</hi>, jenes Verhalten der Central-<lb/> Organe, welches man im Allgemeinen als ein Missverhältniss der<lb/> Reaction zu den einwirkenden Reizen bezeichnen kann. Dieses Ver-<lb/> halten kann sich nun in einzelnen Abtheilungen des Central-Nerven-<lb/> systems, entweder mehr im Rückenmark oder mehr im Gehirn äussern,<lb/> sehr häufig thut es sich in allen nervösen Acten zugleich kund. Im<lb/> sensitiven Nervensystem bemerkt man Hyperästhesieen verschiedener Art,<lb/> grosse Empfindlichkeit für Temperatureindrücke, spontanen Wechsel<lb/> der Kälte- und Hitzesensation, besonders aber das Auftreten zahl-<lb/> reicher Mitempfindungen und ein sehr leichtes Entstehen von Schmerz.<lb/> Die motorisch-nervösen Acte zeichnen sich aus durch Abnehmen der<lb/> ganzen Kraftgrösse, leichte Erschöpfbarkeit, durch Neigung zu rascheren,<lb/> ausgebreiteteren, aber weniger energischen Bewegungen, durch erhöhte<lb/> Convulsibilität. Auf geistigem Gebiete bemerken wir entsprechend den<lb/> beiden analogen Zuständen der Empfindung und Bewegung, einer-<lb/> seits die grössere psychische Empfindlichkeit, die leichtere Neigung<lb/> zum psychischen Schmerz, den Zustand, wo jeder Gedanke auch zu<lb/> einer Gemüthsbewegung wird, daher den raschen und leichten Wechsel<lb/> der Selbstempfindung und der Stimmungen, andrerseits Schwäche und<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [117/0131]
Einfluss der Constitution.
giebigkeit von Seiten der Eltern, welche die eigensinnige und zügel-
lose Entwickelung aller Neigungen und Lüste zulässt; früher oder
später ist dann ein schroffer Zusammenstoss mit dem Leben unver-
meidlich, und heftige Leidenschaften und Affecte mit ihren gesund-
heitsstörenden Einwirkungen können nicht ausbleiben.
Vgl. den im folgenden Buche erwähnten, von Pinel erzählten Fall. (Traité de
l’aliénation mentale. p. 159.)
§. 73.
3) Psychische und somatische Constitution. Das Urtheil
über die leibliche Constitution gründet sich gewöhnlich auf einige
auffallender wahrnehmbare, anatomische Verschiedenheiten unter den
Individuen, namentlich in Bezug auf Entwickelung des Muskelsystems.
Wir müssen darauf verzichten, in Verschiedenheiten dieser Verhält-
nisse etwas zu Geisteskrankheiten Disponirendes aufzufinden, denn die
tägliche Beobachtung zeigt, dass muskelstarke und schwächliche, ebenso
wieder trockene und feuchte Constitutionen so ziemlich in gleicher
Anzahl von Irresein befallen werden.
Dagegen gibt es eine andere, anatomisch durchaus nicht, sondern
nur physiologisch erkennbare, primitive oder erworbene Constitution,
welche wesentlich zu Geisteskrankheiten disponirt. Es ist diess die
sogenannte nervöse Constitution, jenes Verhalten der Central-
Organe, welches man im Allgemeinen als ein Missverhältniss der
Reaction zu den einwirkenden Reizen bezeichnen kann. Dieses Ver-
halten kann sich nun in einzelnen Abtheilungen des Central-Nerven-
systems, entweder mehr im Rückenmark oder mehr im Gehirn äussern,
sehr häufig thut es sich in allen nervösen Acten zugleich kund. Im
sensitiven Nervensystem bemerkt man Hyperästhesieen verschiedener Art,
grosse Empfindlichkeit für Temperatureindrücke, spontanen Wechsel
der Kälte- und Hitzesensation, besonders aber das Auftreten zahl-
reicher Mitempfindungen und ein sehr leichtes Entstehen von Schmerz.
Die motorisch-nervösen Acte zeichnen sich aus durch Abnehmen der
ganzen Kraftgrösse, leichte Erschöpfbarkeit, durch Neigung zu rascheren,
ausgebreiteteren, aber weniger energischen Bewegungen, durch erhöhte
Convulsibilität. Auf geistigem Gebiete bemerken wir entsprechend den
beiden analogen Zuständen der Empfindung und Bewegung, einer-
seits die grössere psychische Empfindlichkeit, die leichtere Neigung
zum psychischen Schmerz, den Zustand, wo jeder Gedanke auch zu
einer Gemüthsbewegung wird, daher den raschen und leichten Wechsel
der Selbstempfindung und der Stimmungen, andrerseits Schwäche und
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