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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845.

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Wechselfieber als Ursachen.
statt von der gewöhnlichen intermittirenden Neurose, gleich von vorn
herein von einem intermittirenden Gehirnleiden befallen werden, das
sich in regelmässigen (tertianen, quartanen) Anfällen von Irresein aus-
spricht, (sogen. Intermittens larvata). Hier ist also nicht ein be-
standenes Wechselfieber, sondern die endemische Wechselfieber-
Ursache, auch die Ursache des Irreseins. -- Anderemale treten nach
längerem oder kürzerem Verlauf eines gewöhnlichen Wechselfiebers,
statt der bisherigen Frost- und Hitzeparoxismen, nun -- gleichsam
durch einen Umsprung der Affection -- intermittirende Paroxismen
von Irresein auf (heftige Anfälle von Tobsucht mit Wuth, auch rasche
Selbstmorde im Anfall), Zustände, welche mit Rücktreten der ent-
schiedenen Periodicität, nicht selten den remittirenden und anhalten-
den Typus annehmen und in chronische Geisteskrankheiten übergehen.
-- Endlich drittens, und zwar am häufigsten, tritt das Irresein als
Nachkrankheit eines beseitigten Wechselfiebers, entweder früher in
der Reconvalescenzperiode, oder erst Monate, sogar Jahre lang nach
dem Aufhören der Intermittens, auf. Namentlich sind es sehr lange
dauernde, und schwere (besonders Quartan-) Fieber, von denen
Störungen zurückbleiben, welche Irresein erzeugen können. Offenbar
sind diese Störungen nicht immer dieselben. Schon die heftige Er-
schütterung des Gesamtnervensystems während der Anfälle kann eine
bedeutungsvolle Disposition zu leichten späteren Erkrankungen setzen,
die nur unbedeutender, neuer Ursachen zur wirklichen Krankheits-
entstehung bedarf. Es kann sich ferner, in Folge der Gehirnhyperä-
mie während der Anfälle, eine Neigung zu chronischem Bestehen oder
leichtem Eintreten solcher Hyperämieen ausbilden; endlich -- und
diess Verhältniss möchten wir für das gewöhnlichere halten -- die
von dem Wechselfieber her rückgebliebenen Anschwellungen der Milz
und der Leber erzeugen Störungen in der venösen Circulation, wo-
durch nicht nur mechanische Hyperämieen, sondern auch Oedeme
verschiedener Theile gegeben werden. Diese können ebensowohl in
der Schädelhöhle, wie (häufiger) in den untern Extremitäten sich ein-
stellen und es spricht für die Ausbildung des Irreseins eben auf diesem
Wege der Umstand, dass gewöhnlich diejenige Form desselben ent-
steht, welche häufig auf Gehirnödem (mag dasselbe auch aus andern
Ursachen enstanden sein) beruht (Melancholie mit Stupor).

Ein viertes, hier zu erwähnendes, wenn gleich nicht zu den Ursachen gehö-
riges Verhältniss besteht darin, dass statt eines bestehenden (chronischen) Irre-
seins Anfälle von Intermittens kommen, und mit diesen die Krankheit aufhört
(sogen. critische Bedeutung der Wechselfieber). Jakobi hat 3 solche Fälle mit-

Wechselfieber als Ursachen.
statt von der gewöhnlichen intermittirenden Neurose, gleich von vorn
herein von einem intermittirenden Gehirnleiden befallen werden, das
sich in regelmässigen (tertianen, quartanen) Anfällen von Irresein aus-
spricht, (sogen. Intermittens larvata). Hier ist also nicht ein be-
standenes Wechselfieber, sondern die endemische Wechselfieber-
Ursache, auch die Ursache des Irreseins. — Anderemale treten nach
längerem oder kürzerem Verlauf eines gewöhnlichen Wechselfiebers,
statt der bisherigen Frost- und Hitzeparoxismen, nun — gleichsam
durch einen Umsprung der Affection — intermittirende Paroxismen
von Irresein auf (heftige Anfälle von Tobsucht mit Wuth, auch rasche
Selbstmorde im Anfall), Zustände, welche mit Rücktreten der ent-
schiedenen Periodicität, nicht selten den remittirenden und anhalten-
den Typus annehmen und in chronische Geisteskrankheiten übergehen.
— Endlich drittens, und zwar am häufigsten, tritt das Irresein als
Nachkrankheit eines beseitigten Wechselfiebers, entweder früher in
der Reconvalescenzperiode, oder erst Monate, sogar Jahre lang nach
dem Aufhören der Intermittens, auf. Namentlich sind es sehr lange
dauernde, und schwere (besonders Quartan-) Fieber, von denen
Störungen zurückbleiben, welche Irresein erzeugen können. Offenbar
sind diese Störungen nicht immer dieselben. Schon die heftige Er-
schütterung des Gesamtnervensystems während der Anfälle kann eine
bedeutungsvolle Disposition zu leichten späteren Erkrankungen setzen,
die nur unbedeutender, neuer Ursachen zur wirklichen Krankheits-
entstehung bedarf. Es kann sich ferner, in Folge der Gehirnhyperä-
mie während der Anfälle, eine Neigung zu chronischem Bestehen oder
leichtem Eintreten solcher Hyperämieen ausbilden; endlich — und
diess Verhältniss möchten wir für das gewöhnlichere halten — die
von dem Wechselfieber her rückgebliebenen Anschwellungen der Milz
und der Leber erzeugen Störungen in der venösen Circulation, wo-
durch nicht nur mechanische Hyperämieen, sondern auch Oedeme
verschiedener Theile gegeben werden. Diese können ebensowohl in
der Schädelhöhle, wie (häufiger) in den untern Extremitäten sich ein-
stellen und es spricht für die Ausbildung des Irreseins eben auf diesem
Wege der Umstand, dass gewöhnlich diejenige Form desselben ent-
steht, welche häufig auf Gehirnödem (mag dasselbe auch aus andern
Ursachen enstanden sein) beruht (Melancholie mit Stupor).

Ein viertes, hier zu erwähnendes, wenn gleich nicht zu den Ursachen gehö-
riges Verhältniss besteht darin, dass statt eines bestehenden (chronischen) Irre-
seins Anfälle von Intermittens kommen, und mit diesen die Krankheit aufhört
(sogen. critische Bedeutung der Wechselfieber). Jakobi hat 3 solche Fälle mit-

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[139/0153] Wechselfieber als Ursachen. statt von der gewöhnlichen intermittirenden Neurose, gleich von vorn herein von einem intermittirenden Gehirnleiden befallen werden, das sich in regelmässigen (tertianen, quartanen) Anfällen von Irresein aus- spricht, (sogen. Intermittens larvata). Hier ist also nicht ein be- standenes Wechselfieber, sondern die endemische Wechselfieber- Ursache, auch die Ursache des Irreseins. — Anderemale treten nach längerem oder kürzerem Verlauf eines gewöhnlichen Wechselfiebers, statt der bisherigen Frost- und Hitzeparoxismen, nun — gleichsam durch einen Umsprung der Affection — intermittirende Paroxismen von Irresein auf (heftige Anfälle von Tobsucht mit Wuth, auch rasche Selbstmorde im Anfall), Zustände, welche mit Rücktreten der ent- schiedenen Periodicität, nicht selten den remittirenden und anhalten- den Typus annehmen und in chronische Geisteskrankheiten übergehen. — Endlich drittens, und zwar am häufigsten, tritt das Irresein als Nachkrankheit eines beseitigten Wechselfiebers, entweder früher in der Reconvalescenzperiode, oder erst Monate, sogar Jahre lang nach dem Aufhören der Intermittens, auf. Namentlich sind es sehr lange dauernde, und schwere (besonders Quartan-) Fieber, von denen Störungen zurückbleiben, welche Irresein erzeugen können. Offenbar sind diese Störungen nicht immer dieselben. Schon die heftige Er- schütterung des Gesamtnervensystems während der Anfälle kann eine bedeutungsvolle Disposition zu leichten späteren Erkrankungen setzen, die nur unbedeutender, neuer Ursachen zur wirklichen Krankheits- entstehung bedarf. Es kann sich ferner, in Folge der Gehirnhyperä- mie während der Anfälle, eine Neigung zu chronischem Bestehen oder leichtem Eintreten solcher Hyperämieen ausbilden; endlich — und diess Verhältniss möchten wir für das gewöhnlichere halten — die von dem Wechselfieber her rückgebliebenen Anschwellungen der Milz und der Leber erzeugen Störungen in der venösen Circulation, wo- durch nicht nur mechanische Hyperämieen, sondern auch Oedeme verschiedener Theile gegeben werden. Diese können ebensowohl in der Schädelhöhle, wie (häufiger) in den untern Extremitäten sich ein- stellen und es spricht für die Ausbildung des Irreseins eben auf diesem Wege der Umstand, dass gewöhnlich diejenige Form desselben ent- steht, welche häufig auf Gehirnödem (mag dasselbe auch aus andern Ursachen enstanden sein) beruht (Melancholie mit Stupor). Ein viertes, hier zu erwähnendes, wenn gleich nicht zu den Ursachen gehö- riges Verhältniss besteht darin, dass statt eines bestehenden (chronischen) Irre- seins Anfälle von Intermittens kommen, und mit diesen die Krankheit aufhört (sogen. critische Bedeutung der Wechselfieber). Jakobi hat 3 solche Fälle mit-

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Zitationshilfe: Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/153>, abgerufen am 24.11.2024.