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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845.

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Pathologische Anatomie
die Häufigkeit der letzteren bei den Geisteskranken stimmen die An-
gaben nicht überein. Esquirol, Georget, Guislain, Jakobi fanden sie
sehr selten; Webster dagegen fand unter 72 Sectionen 13mal Blut-
erguss in das Gehirn *); wir selbst haben solche in der acuten Manie
erfolgen sehen. So viel ist gewiss, dass die Spuren kleiner, alter
apoplectischer Heerde nicht zu den Seltenheiten gehören, und dass
eine blutige Apoplexie hinreichen kann, durch den Gehirnriss, die
Compression, die nachfolgende Entzündung und Sclerosirung des
Umkreises unheilbaren Blödsinn herbeizuführen.

Serumgehalt. (Oedem des Gehirns). Das Gehirnödem bei
Geisteskranken hat besonders seit der Schrift von Etoc-Demazy **)
weitere Beachtung gefunden. Ohne andere wesentliche Störungen
kommt das acute Gehirnödem nach den bisherigen Beobachtungen
(von Etoc selbst, von Sc. Pinel, Pathol. cerebr. p. 228 seqq. u. A.) in
der ausgeprägten Form der Melancholie mit Stupor und Un-
beweglichkeit
(§. 100. 101.) vor, und es ist durchaus wahrschein-
lich, dass alsdann die durch die seröse Infiltration gesetzte Gehirn-
compression der Hauptgruppe jener Symptome zu Grunde liege. Doch
muss man sich hüten, sein Vorhandensein in allen diesen Fällen
anzunehmen, da auch diese Läsion in einigen, den Symptomen nach
durchaus gleichen Zuständen an der Leiche vermisst wurde.

Dieses Oedem besteht in einer serösen Infiltration des Gehirns,
vor allem der grossen Hemisphären; ein geringer Grad, der indessen
keinerlei characteristische Symptome geben dürfte, ist nur an einer
ungewöhnlichen Feuchtigkeit der Hirnsubstanz und dem serösen Glanz
der Durchschnittsfläche erkennbar; in höheren Graden ist das Gewebe
stark durchfeuchtet, dabei weicher, teigig und die Marksubstanz von
matt weisser Farbe. Die graue Substanz namentlich erscheint oft
wie angelaufen, schwammig, und lässt auf der Schnittfläche Serum-
tröpfchen aussickern. Das Gehirn erscheint dabei comprimirt, die
Windungen abgeplattet, fest an einander gepresst, die Ventrikel verengt
und fast leer. Es ist kein Zweifel, dass ein höherer Grad dieses
Oedems an sich durch allgemeine Erweichung der Substanz und na-
mentlich durch Druck tödtlich werden kann, und es entsprechen dem
letzteren Zustande in den übrigens nicht besonders häufigen tödtlichen
Fällen die Symptome vollständig.

*) Med. Chir. Transactions. Vol. XXVI. 1843. p. 413.
**) De la stupidite consideree chez les alienes. Paris. 1833. (10 Fälle und
4 Sectionen).

Pathologische Anatomie
die Häufigkeit der letzteren bei den Geisteskranken stimmen die An-
gaben nicht überein. Esquirol, Georget, Guislain, Jakobi fanden sie
sehr selten; Webster dagegen fand unter 72 Sectionen 13mal Blut-
erguss in das Gehirn *); wir selbst haben solche in der acuten Manie
erfolgen sehen. So viel ist gewiss, dass die Spuren kleiner, alter
apoplectischer Heerde nicht zu den Seltenheiten gehören, und dass
eine blutige Apoplexie hinreichen kann, durch den Gehirnriss, die
Compression, die nachfolgende Entzündung und Sclerosirung des
Umkreises unheilbaren Blödsinn herbeizuführen.

Serumgehalt. (Oedem des Gehirns). Das Gehirnödem bei
Geisteskranken hat besonders seit der Schrift von Etoc-Demazy **)
weitere Beachtung gefunden. Ohne andere wesentliche Störungen
kommt das acute Gehirnödem nach den bisherigen Beobachtungen
(von Etoc selbst, von Sc. Pinel, Pathol. cérébr. p. 228 seqq. u. A.) in
der ausgeprägten Form der Melancholie mit Stupor und Un-
beweglichkeit
(§. 100. 101.) vor, und es ist durchaus wahrschein-
lich, dass alsdann die durch die seröse Infiltration gesetzte Gehirn-
compression der Hauptgruppe jener Symptome zu Grunde liege. Doch
muss man sich hüten, sein Vorhandensein in allen diesen Fällen
anzunehmen, da auch diese Läsion in einigen, den Symptomen nach
durchaus gleichen Zuständen an der Leiche vermisst wurde.

Dieses Oedem besteht in einer serösen Infiltration des Gehirns,
vor allem der grossen Hemisphären; ein geringer Grad, der indessen
keinerlei characteristische Symptome geben dürfte, ist nur an einer
ungewöhnlichen Feuchtigkeit der Hirnsubstanz und dem serösen Glanz
der Durchschnittsfläche erkennbar; in höheren Graden ist das Gewebe
stark durchfeuchtet, dabei weicher, teigig und die Marksubstanz von
matt weisser Farbe. Die graue Substanz namentlich erscheint oft
wie angelaufen, schwammig, und lässt auf der Schnittfläche Serum-
tröpfchen aussickern. Das Gehirn erscheint dabei comprimirt, die
Windungen abgeplattet, fest an einander gepresst, die Ventrikel verengt
und fast leer. Es ist kein Zweifel, dass ein höherer Grad dieses
Oedems an sich durch allgemeine Erweichung der Substanz und na-
mentlich durch Druck tödtlich werden kann, und es entsprechen dem
letzteren Zustande in den übrigens nicht besonders häufigen tödtlichen
Fällen die Symptome vollständig.

*) Med. Chir. Transactions. Vol. XXVI. 1843. p. 413.
**) De la stupidité considerée chez les aliénés. Paris. 1833. (10 Fälle und
4 Sectionen).
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[310/0324] Pathologische Anatomie die Häufigkeit der letzteren bei den Geisteskranken stimmen die An- gaben nicht überein. Esquirol, Georget, Guislain, Jakobi fanden sie sehr selten; Webster dagegen fand unter 72 Sectionen 13mal Blut- erguss in das Gehirn *); wir selbst haben solche in der acuten Manie erfolgen sehen. So viel ist gewiss, dass die Spuren kleiner, alter apoplectischer Heerde nicht zu den Seltenheiten gehören, und dass eine blutige Apoplexie hinreichen kann, durch den Gehirnriss, die Compression, die nachfolgende Entzündung und Sclerosirung des Umkreises unheilbaren Blödsinn herbeizuführen. Serumgehalt. (Oedem des Gehirns). Das Gehirnödem bei Geisteskranken hat besonders seit der Schrift von Etoc-Demazy **) weitere Beachtung gefunden. Ohne andere wesentliche Störungen kommt das acute Gehirnödem nach den bisherigen Beobachtungen (von Etoc selbst, von Sc. Pinel, Pathol. cérébr. p. 228 seqq. u. A.) in der ausgeprägten Form der Melancholie mit Stupor und Un- beweglichkeit (§. 100. 101.) vor, und es ist durchaus wahrschein- lich, dass alsdann die durch die seröse Infiltration gesetzte Gehirn- compression der Hauptgruppe jener Symptome zu Grunde liege. Doch muss man sich hüten, sein Vorhandensein in allen diesen Fällen anzunehmen, da auch diese Läsion in einigen, den Symptomen nach durchaus gleichen Zuständen an der Leiche vermisst wurde. Dieses Oedem besteht in einer serösen Infiltration des Gehirns, vor allem der grossen Hemisphären; ein geringer Grad, der indessen keinerlei characteristische Symptome geben dürfte, ist nur an einer ungewöhnlichen Feuchtigkeit der Hirnsubstanz und dem serösen Glanz der Durchschnittsfläche erkennbar; in höheren Graden ist das Gewebe stark durchfeuchtet, dabei weicher, teigig und die Marksubstanz von matt weisser Farbe. Die graue Substanz namentlich erscheint oft wie angelaufen, schwammig, und lässt auf der Schnittfläche Serum- tröpfchen aussickern. Das Gehirn erscheint dabei comprimirt, die Windungen abgeplattet, fest an einander gepresst, die Ventrikel verengt und fast leer. Es ist kein Zweifel, dass ein höherer Grad dieses Oedems an sich durch allgemeine Erweichung der Substanz und na- mentlich durch Druck tödtlich werden kann, und es entsprechen dem letzteren Zustande in den übrigens nicht besonders häufigen tödtlichen Fällen die Symptome vollständig. *) Med. Chir. Transactions. Vol. XXVI. 1843. p. 413. **) De la stupidité considerée chez les aliénés. Paris. 1833. (10 Fälle und 4 Sectionen).

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Zitationshilfe: Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/324>, abgerufen am 25.11.2024.