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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845.

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Pathologische Anatomie des paralytischen Blödsinns.

5) Die Läsionen, welche dem acuten Irresein vorzugsweise
zukommen, finden sich in diesen chronischen Formen nur selten,
und die hier häufigsten stellen sich als Folgezustände und letzte
Resultate jener hyperämischen und leicht entzündlichen Processe
heraus, wie sich die Symptome der chronischen Formen als abge-
schwächte Reste der acuten und als wahre Schwächezustände aus-
weisen. Auch hier, wie in der inneren, umschriebenen Encephalitis
oder in der Myelitis entspricht dem ersten hyperämischen und in
Exsudation erst übergehenden Stadium eine Irritationsperiode, dem
Stadium der fix gewordenen Degeneration oder gar einer geschehenen
Decomposition des Gewebes ein Stadium der Lähmung (des Blödsinns).

6) Jene erwähnte Atrophie des Gehirns, welche sich in so vielen
Fällen schon vom blossen Ansehen ergibt, ist aber in Wahrheit noch
viel öfter vorhanden. Die genauen Wägungen des Gehirns von
Parchappe *) ergaben eine Gewichtabnahme des Gehirns im Mittel
für die entschiedene Mehrzahl der Fälle und ein sehr merkwürdiges
Fortschreiten dieser Volumsverminderung in geradem Verhältniss zu
der Tiefe und Intensität der psychischen Schwäche **).

III. Paralytischer Blödsinn.

1) Auch hier sind noch einzelne Fälle von Abwesenheit jeder
Läsion angegeben; sie sind indessen in ihrer vollständigen Isolirtheit
verdächtig.

2) Die sehr grosse Mehrzahl dieser Fälle bietet nach den besten
Beobachtern übereinstimmend (Calmeil, Bayle, Parchappe ***), Sc. Pinel)
als die häufigsten Läsionen eine tiefe Erweichung und Decomposition
der grauen Rindensubstanz mit festen Adhäsionen der Pia an der-
selben dar, so häufig übrigens (nach Delaye, Foville und Parchappe)
mit gleichzeitiger ausgedehnter Verhärtung der weissen Substanz,
dass die Frage, welche dieser beiden Alterationen speciell die nächste
Ursache der Lähmung sei, noch offen bleiben muss.

3) Neben jener Erweichung findet sich häufig genug ein weiterer

*) l. c. p. 142 seqq.
**) Die früheren Untersuchungen über das specifische Gewicht des
Gehirns von Meckel (Histoire de l'acad. roy. des sciences. Berl. 1764. Vol. 20.)
und Leuret und Mitivie (de la frequence du pouls chez les alienes. Par. 1832.)
sind ohne Werth.
***) In den 86 Fällen von Parchappe fand sich tiefe und ausgebreitete Er-
weichung der Rindensubstanz jedesmal. l. c. p. 249.
Pathologische Anatomie des paralytischen Blödsinns.

5) Die Läsionen, welche dem acuten Irresein vorzugsweise
zukommen, finden sich in diesen chronischen Formen nur selten,
und die hier häufigsten stellen sich als Folgezustände und letzte
Resultate jener hyperämischen und leicht entzündlichen Processe
heraus, wie sich die Symptome der chronischen Formen als abge-
schwächte Reste der acuten und als wahre Schwächezustände aus-
weisen. Auch hier, wie in der inneren, umschriebenen Encephalitis
oder in der Myelitis entspricht dem ersten hyperämischen und in
Exsudation erst übergehenden Stadium eine Irritationsperiode, dem
Stadium der fix gewordenen Degeneration oder gar einer geschehenen
Decomposition des Gewebes ein Stadium der Lähmung (des Blödsinns).

6) Jene erwähnte Atrophie des Gehirns, welche sich in so vielen
Fällen schon vom blossen Ansehen ergibt, ist aber in Wahrheit noch
viel öfter vorhanden. Die genauen Wägungen des Gehirns von
Parchappe *) ergaben eine Gewichtabnahme des Gehirns im Mittel
für die entschiedene Mehrzahl der Fälle und ein sehr merkwürdiges
Fortschreiten dieser Volumsverminderung in geradem Verhältniss zu
der Tiefe und Intensität der psychischen Schwäche **).

III. Paralytischer Blödsinn.

1) Auch hier sind noch einzelne Fälle von Abwesenheit jeder
Läsion angegeben; sie sind indessen in ihrer vollständigen Isolirtheit
verdächtig.

2) Die sehr grosse Mehrzahl dieser Fälle bietet nach den besten
Beobachtern übereinstimmend (Calmeil, Bayle, Parchappe ***), Sc. Pinel)
als die häufigsten Läsionen eine tiefe Erweichung und Decomposition
der grauen Rindensubstanz mit festen Adhäsionen der Pia an der-
selben dar, so häufig übrigens (nach Delaye, Foville und Parchappe)
mit gleichzeitiger ausgedehnter Verhärtung der weissen Substanz,
dass die Frage, welche dieser beiden Alterationen speciell die nächste
Ursache der Lähmung sei, noch offen bleiben muss.

3) Neben jener Erweichung findet sich häufig genug ein weiterer

*) l. c. p. 142 seqq.
**) Die früheren Untersuchungen über das specifische Gewicht des
Gehirns von Meckel (Histoire de l’acad. roy. des sciences. Berl. 1764. Vol. 20.)
und Leuret und Mitivié (de la fréquence du pouls chez les aliénés. Par. 1832.)
sind ohne Werth.
***) In den 86 Fällen von Parchappe fand sich tiefe und ausgebreitete Er-
weichung der Rindensubstanz jedesmal. l. c. p. 249.
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[318/0332] Pathologische Anatomie des paralytischen Blödsinns. 5) Die Läsionen, welche dem acuten Irresein vorzugsweise zukommen, finden sich in diesen chronischen Formen nur selten, und die hier häufigsten stellen sich als Folgezustände und letzte Resultate jener hyperämischen und leicht entzündlichen Processe heraus, wie sich die Symptome der chronischen Formen als abge- schwächte Reste der acuten und als wahre Schwächezustände aus- weisen. Auch hier, wie in der inneren, umschriebenen Encephalitis oder in der Myelitis entspricht dem ersten hyperämischen und in Exsudation erst übergehenden Stadium eine Irritationsperiode, dem Stadium der fix gewordenen Degeneration oder gar einer geschehenen Decomposition des Gewebes ein Stadium der Lähmung (des Blödsinns). 6) Jene erwähnte Atrophie des Gehirns, welche sich in so vielen Fällen schon vom blossen Ansehen ergibt, ist aber in Wahrheit noch viel öfter vorhanden. Die genauen Wägungen des Gehirns von Parchappe *) ergaben eine Gewichtabnahme des Gehirns im Mittel für die entschiedene Mehrzahl der Fälle und ein sehr merkwürdiges Fortschreiten dieser Volumsverminderung in geradem Verhältniss zu der Tiefe und Intensität der psychischen Schwäche **). III. Paralytischer Blödsinn. 1) Auch hier sind noch einzelne Fälle von Abwesenheit jeder Läsion angegeben; sie sind indessen in ihrer vollständigen Isolirtheit verdächtig. 2) Die sehr grosse Mehrzahl dieser Fälle bietet nach den besten Beobachtern übereinstimmend (Calmeil, Bayle, Parchappe ***), Sc. Pinel) als die häufigsten Läsionen eine tiefe Erweichung und Decomposition der grauen Rindensubstanz mit festen Adhäsionen der Pia an der- selben dar, so häufig übrigens (nach Delaye, Foville und Parchappe) mit gleichzeitiger ausgedehnter Verhärtung der weissen Substanz, dass die Frage, welche dieser beiden Alterationen speciell die nächste Ursache der Lähmung sei, noch offen bleiben muss. 3) Neben jener Erweichung findet sich häufig genug ein weiterer *) l. c. p. 142 seqq. **) Die früheren Untersuchungen über das specifische Gewicht des Gehirns von Meckel (Histoire de l’acad. roy. des sciences. Berl. 1764. Vol. 20.) und Leuret und Mitivié (de la fréquence du pouls chez les aliénés. Par. 1832.) sind ohne Werth. ***) In den 86 Fällen von Parchappe fand sich tiefe und ausgebreitete Er- weichung der Rindensubstanz jedesmal. l. c. p. 249.

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Zitationshilfe: Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/332>, abgerufen am 24.11.2024.